Mallorca: Weiter gegen jede Vernunft kein Hochinzidenzgebiet
Seite 2: Ausgangssperre in Katalonien
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Während die Zentralregierung wie schon zum Beginn der Pandemie im Frühjahr 2021 eher durch Handlungslosigkeit glänzt, haben inzwischen einige Regionen damit begonnen, wieder Maßnahmen einzuführen, um die starke Ausbreitung der Neuinfektionen zu stoppen. Seit dem späten Freitag gilt nun auch in weiten Teilen Kataloniens wieder eine nächtliche Ausgangssperre, wie es sie schon seit zwei Wochen in Portugal gibt.
Da die katalanische Regierung die Lage offensiv kommuniziert, spricht sie schon länger von einer "Explosion der Fälle in wenigen Tagen". Seit vergangener Woche sind Diskotheken und Nachtclubs wieder geschlossen. Danach mussten Bars und Restaurants wieder ab 0.30 Uhr schließen. Da die Regierung aber von "hohen Inzidenzwerten über Wochen ausgeht", ließ sie auch prüfen, ob eine nächtliche Ausgangssperre rechtlich möglich ist, ohne erneut den Alarmzustand auszurufen.
"Wir treffen eine schwierige, aber unumgängliche Entscheidung", erklärte der katalanische Regierungschef Pere Aragonès am späten Mittwoch und bestätigte den Schritt. Nachdem die Maßnahme zwischenzeitlich auch vom Obersten Gerichtshof in Katalonien genehmigt wurde, trat sie in der Nacht zum heutigen Samstag in Kraft.
Die Ausgangssperre soll zwischen ein Uhr und sechs Uhr in 161 Gemeinden gelten. Neben Barcelona und vielen Städten im Umfeld der katalanischen Metropole sind auch die meisten größeren Städte wie Tarragona oder Girona betroffen. Mit sechs Millionen Menschen ist die große Mehrzahl der Katalanen wieder mit drastischen Beschränkungen konfrontiert.
In Katalonien hat man sich an der Nachbarregion Valencia orientiert, wo der Oberste Gerichtshof zuvor eine nächtliche Ausgangssperre für 32 Gemeinden mit besonders hohen Inzidenzwerten genehmigt hatte. Katalonien hatte keine allgemeine Ausgangssperre verhängt, um möglichst wenig juristische Angriffsfläche zu bieten. An Valencia hat sich auch Kantabrien im Nordwesten des Landes orientiert, wo nun auch wieder eine nächtliche Ausgangssperre gilt.
Hier sind 53 Gemeinden betroffen, darunter auch die Metropole Santander. Auf den Kanarischen Inseln ist die Regionalregierung mit dem Vorhaben allerdings am Obersten Gerichtshof gescheitert.
Für Gesundheitsexperten ist klar, dass es ohne nächtliche Ausgangssperre nun praktisch unmöglich ist, eine Verlagerung von Feiern aus den Bars hinaus auf die Straßen, Plätze und an den Strand zu verhindern. Vor allem sollen über die Maßnahme neue Ansteckungen bei feiernden jungen Leuten verhindert werden, die noch nicht geimpft sind.
Mit der Maßnahme soll Zeit für die Impfkampagne gewonnen werden. In Katalonien ist es zum Beispiel so, dass die Sieben-Tage-Inzidenz nun auf 600 hochkatapultiert ist. Sie ist allerdings bei den meist nicht geimpften jungen Menschen deutlich höher, in der Altersgruppe zwischen 20 und 29 Jahren ist sie schon etwa dreimal so hoch.
Und in Katalonien befinden sich nun schon fast wieder 1.800 Covid-Erkrankte in Hospitälern. Mit 312 Erkrankten auf Intensivstationen (UCI) sind in Katalonien 26 Prozent der Intensivkapazitäten allein mit Covid-Erkrankten belegt. 80 Prozent dieser Patienten sind nicht geimpft und das Durchschnittsalter ist inzwischen deutlich auf 50 Jahre gesunken.
Eine von vier Personen auf katalanischen Intensivstationen ist inzwischen unter 40. Daniel Prieto-Alhambra sagt voraus, dass angesichts der derzeitigen Entwicklung die Intensivstationen in Katalonien "in zwei bis drei Wochen wieder voll" sein werden. Der Professor für Epidemiologie an der Universität Oxford spricht sich deshalb auch für "Restriktionen" aus, um die Lage in seiner Heimat "wieder unter Kontrolle bringen" zu können.
Es gibt in Katalonien Experten, die davon ausgehen, dass die Lage in anderen Regionen längst ähnlich schlecht ist, dies aber wegen fehlender Tests nicht ermittelt wird. Einige Gesundheitszentren sind inzwischen auch in Madrid wieder überlastet. Dass sich die Covid-Fälle in den Gesundheitszentren der Hauptstadt in nur einer Woche verdreifacht haben, spricht eine deutliche Sprache.
Von Ärzten wird die Lage dort längst als "explosiv" bezeichnet. Wieder einmal wird beklagt, dass in der von der Rechten regierten Hauptstadtregion am wenigsten in das Gesundheitswesen investiert wird, weshalb "seit Jahren Personal fehlt".
Tatsächlich wird in Madrid deutlich weniger als in Katalonien getestet, womit sich eine Situation wie vor einem Jahr wiederholt, als man in der Hauptstadtregion kreative Zahlenspiele betrieb und damit auch die Bundesregierung an der Nase herumführte.
Nach Angaben des spanischen Gesundheitsministeriums wurden zwischen dem 6. und dem 12. Juli fast 270.000 Tests in Katalonien durchgeführt, davon 159.000 PCR-Tests. In der Hauptstadtregion Madrid, mit einer vergleichbaren Bevölkerungszahl, wurden im gleichen Zeitraum nur gut die Hälfte durchgeführt. Von 145.000 Tests waren mit knapp 71.000 nur knapp die Hälfte aussagekräftigere PCR-Tests.
Die Todeszahlen lassen sich allerdings nur schwer aufhübschen. Die Übersterblichkeit lag in der Hauptstadtregion im vergangenen Jahr wegen eines insgesamt unverantwortlichen Umgangs mit der Pandemie nach Angaben des Statistikinstituts (INE) gut 41 Prozent über dem Vorjahr. Die Region lag damit abgeschlagen an der Spitze aller Regionen. Im Landesdurchschnitt starben 2020 fast 18 Prozent mehr Menschen als im Vorjahr.
Verfassungsgericht: Lockdown 2020 verfassungswidrig
Diese Vorgänge in der fünften Welle fallen damit zusammen, dass das spanische Verfassungsgericht am vergangenen Mittwoch den harten Lockdown 2020 als verfassungswidrig eingestuft hat. Sechs Richter haben fünf ihrer Kollegen überstimmt. Sie erklärten nicht, dass ein Lockdown unmöglich ist, sondern machten deutlich, dass der dekretierte Alarmzustand keine ausreichende Rechtsgrundlage bietet, um die Bevölkerung angesichts der Covid-Pandemie in ihren Wohnungen einzusperren. Dafür müsse der Ausnahmezustand ausgerufen werden, argumentierte die Richtermehrheit.
Es war also auf dieser Rechtsgrundlage illegal, dass die Bevölkerung schließlich ab Ende März 2020, als das Land auf die Grundversorgung zurückgefahren wurde, ihre Wohnungen nur aus triftigen Gründen verlassen durften. Auch Kinder durften nicht einmal, anders als im Nachbarland Frankreich, für eine Stunde mit den Eltern aus dem Haus.
Es war absolut nicht nachvollziehbar, dass Hunde mehr Rechte als Kinder hatten, die wochenlang zum Teil kein Sonnenlicht zu sehen bekamen. Über das "Maulkorbgesetz", dessen Streichung die Sozialdemokraten eigentlich versprochen hatten, wurden unzulässig 1,2 Millionen Bußgelder für Verstöße gegen die Ausgangssperre verhängt. Die werden nach Angaben von Juristen aber nun nicht automatisch annulliert, sondern es muss wieder in jedem Einzelfall ein Einspruch dagegen eingelegt werden.