"Man kann einfach nicht so sauber den Krieg führen"

Seite 2: "Da werden sowieso Zivilisten getötet"

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Da sind wir wieder bei dem Informationsproblem, das wir haben, dass wir das Gefühl haben, hier in Deutschland keinerlei unabhängige Information zu bekommen. Einige informierten sich dann über RT, über das russische Fernsehen, oder über das Internet. Ich habe zum Beispiel selbst Videos von Bombenangriffen auf ostukrainische Städte gesehen, bei denen zahlreiche Zivilisten getötet wurden.

Andriy Makarenko: Ich muss dann einfach den Hut vor der russischen Propagandamaschine ziehen. Die machen das ganz geschickt. Wenn Sie aber ein bisschen tiefer recherchieren, dann werden sie höchstwahrscheinlich herausfinden, dass diese Videos fünf Jahre alt sind und in Georgien und Dagestan gedreht wurden, wo es russische Kampfeinsätze gab, und diese Videos werden dann als Daten aus der Ukraine im russischen Fernsehen gesendet.

Sie würden also sagen, dass es keine ukrainischen Bombenangriffe in der Ost-Ukraine gibt?

Andriy Makarenko: Doch, es gibt Einsätze von Kampfjets. Es stimmt aber nicht so, dass die friedliche Bevölkerung und die Städter von Luftangriffen stark geschädigt wurden, dass sie richtiggehend bombardiert wurden. Solche Streitkräfte hat die Ukraine überhaupt nicht. Zur Massenanwendung kommt es nie, denn die Ukraine hat nicht so viele Maschinen, um solche Kampfeinsätze zu leisten.

Es gibt Mörsereinsätze von beiden Seiten. Da die Separatisten auch aus Wohngebieten und Hinterhälten schießen, müssen die Truppen auch zurückschießen und dabei werden auch Häuser beschädigt. Das ist doch klar. Man kann einfach nicht so sauber den Krieg führen. Das geht einfach nicht. Das geht nirgendwo, das geht auch nicht bei den Einsätzen in Afghanistan und im Irak. Da werden sowieso Zivilisten getötet.

Ich habe noch zwei Fragen. Soviel ich weiß, war der der jetzige Präsident Poroschenko auch Wirtschaftsminister unter Janukowitsch.

Andriy Makarenko: Ja. Nicht nur Wirtschaftsminister, sondern auch Außenminister.

Sie können sich vorstellen, wie schwer es für uns in Deutschland ist, dann das Ganze einzuordnen, wenn man das weiß. Es ist vielen nicht bekannt, dass es im Grunde gar keine wirklich neue Regierung in der Ukraine gibt.

Die zweite Frage die ich noch habe: Es wurden ja nach den Morden auf dem Majdan die verschiedensten Anschuldigungen erhoben. Janukowitsch soll die Morde befohlen haben, wahlweise russische und amerikanische Geheimdienste. Bisher gibt es aber keinerlei Ergebnisse darüber, wer die Mörder waren.

Andriy Makarenko: Da haben Sie völlig recht.

Gibt es denn keinerlei ukrainische Rechtsinstitutionen, etwa Gerichte, Staatsanwaltschaften oder parlamentarische Untersuchungsausschüsse, die diese Aufklärung betreiben können?

Andriy Makarenko: Die letzte Information, die ich habe ist, dass Ermittlungen durchgeführt wurden und gegen 11 Verdächtige ermittelt wird. Ihnen wird vorgeworfen, die Vollstrecker der Morde zu sein. Aber man weiß noch nichts darüber, wer die Schüsse befohlen hat, wer die Hintermänner waren. Das ist wahr.

Wahr ist auch, dass auch nach der Flucht von Janukowitsch und der Flucht seiner sogenannten "Familie" seine Leute von der "Partei der Regionen" ihre Posten in der Ukraine behielten. Eine Lustration (Anm: Säuberung bzw. die Aufarbeitung des alten Regimes) hat bis heute nicht stattgefunden. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass es einen Regierungsbeauftragten für Lustration gab, aber er bekam keinerlei Vollmachten, und es gibt bis heute auch keine Gesetze dazu.

Herr Makarenko, vielen Dank für das Gespräch!