"Man kann nur gewinnen, wenn man bereit ist zu verlieren"
Seite 4: Als das Geld kam, gab es eine große Wende
Gibt es denn auch so was wie Vorstellungsgespräche für Sea Shepherd, bevor man Seeluft schnuppern kann?
Peter Brown: Heutzutage gibt es in der Tat Vorstellungsgespräche, Bewerbungsverfahren und diesen ganzen Mist. In den alten Tagen nahmen wir beinahe jeden, der bei uns vorstellig wurde und uns auf dem Meer unterstützen wollte. Wer arbeitsbereit war, es einen Monat auf dem Schiff aushielt, das Essen ertrug (das wirklich schlecht war), konnte zur Mannschaft stoßen. Manchmal ging ich eine Nacht vor dem Auslaufen in die lokalen Hafenkneipen, um fünf bis sechs neue Mannschaftsmitglieder anzuwerben, Fischer oder Matrosen. Damals war ich berühmt, ganze Mannschaften anzuwerben.
Ich bin davon überzeugt, dass du an Bord eines Schiffes auf das Ganze Rücksicht nehmen musst, denn das Leben der anderen hängt von dir ab. Wenn wir also in See stechen, arbeitet jeder sehr hart an Bord, und wie ich in der letzten Sea-Shepherd-Kampagne, an der ich beteiligt war, herumscherzte: Zu Anfang der Organisation würde jeder in seiner freien Zeit an Bord Bedienungsanleitungen lesen, um zu lernen, wie man Sachen repariert, wie man das Triebwerk wieder in Schuss bekommt. Heute gucken sie Videos und spielen Videospiele. Das ist ein ziemlich anderes Bewusstsein.
Es gab eine Walfisch-Kampagne, bei der ich mich wahnsinnig ärgern musste, weil die gesamte Crew besoffen war. Früher würde sich niemand während der heißen Phase einen Drink gönnen. Na, sie müssen sich heute nicht mehr um die Schiffe kümmern. Da gibt es ein professionelles Team, das alles reibungslos funktionieren lässt. Früher mussten wir bei einer Überfahrt des Atlantiks 23 Löcher im Schiff "stopfen", d.h. das Wasser strömte ins Schiff. Wenn heute die Lichter ausgehen, drehen die Shepherds durch. Wenn früher die Lichter nicht ausgingen, schöpften wir Verdacht, dass irgendetwas nicht stimmte. (lacht)
Da zeigt sich eine ziemlich andere Mentalität, aber denken Sie denn, dass die Sache, um die gekämpft wird, dieselbe geblieben ist?
Peter Brown: Offensichtlich ist es heute sicherer, bei Sea Shepherd anzuheuern. Wir haben jedes Mal unser Leben aufs Spiel gesetzt, sobald wir das Schiff betraten. Ich sagte damals meinen zwei Kindern: Macht euch um mich keine Sorgen, Gott ist ein Delphin. Das sollte heißen, dass uns nichts passieren konnte, weil wir die richtige Sache machten. Daran glaubte ich, dass wir das absolut Richtige taten. Das hat uns motiviert, weiterzumachen.
Später haben sich dann Geldkanäle in Form von Spenden aufgetan. Die Schiffe wurden dann nach den Sponsoren benannt, wie zum Beispiel die Bob Barker.
Peter Brown: Das betrifft mich nicht, sondern Sea Shepherd, aber ich weiß darüber Bescheid. Früher hatten wir die Schiffe Sea Shepherd I und II, die Farley Mowat, der ein berühmter Schriftsteller im Umweltschutz gewesen ist, wir hatten die Cleveland Amory, der ein berühmter Umweltschützer war.
Es gab eine große Wende, über die ich in meinen Filmen spreche, zwischen der alten Sea-Shepherd-Bewegung und dem Zeitpunkt, ab dem sie Gelder erhielten. Als Leute auftauchten, die eine oder anderthalb Millionen Dollar für den Kauf eines Schiffes spenden wollten, nannte Paul Watson in seiner unerfindlichen Weisheit die Schiffe nach den Sponsoren. Was heute die Steve Irwin ist, hieß früher die Bob Hunter. Robert Hunter ist ein sehr enger Freund von Paul und mir. Er ist bereits tot, aber er gründete Greenpeace. Ich dachte, das sei ein wirklich passender Name für ein Schiff.
Persönlich habe ich mich sehr gesträubt, das Schiff umzubenennen. Aber es war letztlich eine PR-Aktion, mit der ich aber nicht einverstanden war. Steve Irwin starb, als er ein Tier quälte. Steve Irwin ist weithin bekannt, Krokodile zu quälen und war daher kein geeigneter Namensgeber für ein Sea-Shepherd-Schiff. Es gibt auch noch ein Sam-Simon-Schiff. Sam Simon ist ein Trickzeichner für die Simpsons-Serie. Ein anderes Schiff wurde nach Bob Barker benannt, einem sehr populären Tierrechtsaktivisten und Fernsehstar. Es gibt auch noch die Martin Sheen, weil der Schauspieler ihnen mit einer Spende half. Heutzutage werden die Schiffe nach Personen benannt, die dafür bezahlen. Früher wurden sie nach Umweltschützern getauft.
In der Finanzierung gab es augenscheinlich einen Wechsel.
Peter Brown: Die ganze Idee änderte sich: Denn du Geld erhältst, musst du dich darum sorgen. Du musst dich um die Leute kümmern, die dir das Geld geben. Früher bekamen wir wohl Geld, aber wir sagten dann: Verpiss dich doch! (lacht) Uns kümmerte es nicht, ob wir jetzt das Schiff nach dem noblen Spender benennen mussten. Wir scherten uns einen Dreck darum!
Wenn du anderthalb Millionen Kröten für ein Schiff bekommst, musst du dich darum kümmern. Oder es wird dir wieder weggenommen? Ich weiß nicht. Bin da nicht im Spiel. Ich bin gegen das große Geld. Aus diesem Grund war Greenpeace nicht erfolgreich. Wenn du auf teuren Schiffen schipperst, willst du nicht, dass sie verloren gehen oder konfisziert werden. Du hast Angst, dass dich jemand verklagen und dein Schiff wegnehmen könnte. Ich bete darum, dass uns am Ende einer Kampagne das Schiff weggenommen wird, denn dann müssen wir uns nicht mehr darum kümmern. In meinem neuen Film erzähle ich, wie wir alles daran setzten, verhaftet zu werden und sich z.B. die kanadische Regierung um das Schiff kümmern musste. Das ist so was von bescheuert. (lacht)
Bei all der Gefährlichkeit der Aktionen, was auch in Ihrem Film "Confessions of an Eco-Terrorist" gut zur Geltung kommt, ist ein gewisser Humor, mit der Sie das Geschehen angegangen sind.
Peter Brown: Wir haben sie immer an der Nase herumgeführt: Wir vermittelten ihnen den Eindruck, wir wären groß, stark und mächtig. Wir waren nichts davon. Wir manipulierten sie. Meiner Meinung nach hat es früher, in den Anfangsjahren, richtig Spaß gemacht. Und wenn es keinen Spaß gemacht hätte, wäre ich erst gar nicht aufgebrochen.
Man kann etwas nicht 30 Jahre lang ohne Entgelt machen, wenn du deine Familie für eine Zeitlang verlässt und dein Leben aufs Spiel setzt, wenn du keinen Gefallen daran findest. Damals habe ich jede Minute genossen und wie gesagt, war ich davon überzeugt, die richtige Sache zu machen. Auch, als ich in den ersten Folgen der "Whale Wars" dabei war, war ich einer derjenigen, die immer Spaß hatten und viel lachten.