Mandat zurückgefordert: Hat die Linke ohne Sahra Wagenknecht noch eine Chance?

Seite 2: Riexinger und das Feindbild des Linksliberalen

Bei Neu und anderen Verteidigern des sozial-konservativen Flügels fällt allerdings auf, dass sie spiegelbildlich das tun, was sie ihren Kritikern vorwerfen. Auch sie personalisieren den Konflikt, lassen keine Kritik an Wagenknecht zu, obwohl diese als Fraktionsvorsitzende und Mitbegründerin der Sozialbewegung Aufstehen bereits Führungspositionen innehatte und gescheitert ist. Dass die Arbeit in Parteien und Organisationen nicht ihre Stärke ist, hat sie inzwischen selbst eingeräumt.

Auch bei Neu fällt auf, dass der Begriff Linksliberale recht schematisch auf alle parteiinternen Gegner angewandt wird, die dann für den Niedergang der Partei verantwortlich gemacht werden. Dazu zählt Neu auch den ehemaligen Parteivorsitzenden Bernd Riexinger, einen Intimfeind Wagenknechts, den sie in ihrem Buch "Die Selbstgerechten" nicht einmal beim Namen nennen wollte. Nur passt Riexinger so gar nicht in das Bild des linksliberalen Lifestyle-Linken.

Bevor Riexinger als Parteipolitiker bekannt wurde, organisierte er in Stuttgart erfolgreich Verkäuferinnen, die gegen die Schließung von Schlecker kämpften. Riexinger war ein Beispiel für eine Gewerkschaftspolitik, die gemeinsam mit den Beschäftigten Kämpfe führen und manchmal auch gewinnen kann. Was ist bitteschön daran linksliberal?

Auch vergessen die Sozialkonservativen, dass Riexinger bei seiner Wahl zum Parteivorsitzenden 2012 sogar als Statthalter Lafontaines galt, der angeblich in dessen Sinne die Wahl von Dietmar Bartsch verhinderte. Der ehemalige PDS-Politiker galt damals als Hoffnungsträger der Linken, der den Machtanspruch Lafontaines begrenzen wollte.

Auch damals sprachen die Medien von einer gespaltenen Linken und einem dramatischen Parteitag. Vierzehn Jahre später gehört Bartsch in der Fraktion zu denen, die sich gegen die Ausgrenzung von Wagenknecht und ihren Anhängern wehren, während diese Riexinger zum Feindbild der Linken erklären, weil er eben nicht nach Lafontaines Pfeife tanzt.

Tatsächlich hat er mit seiner Vision einer Klassenpolitik – unabhängig von Nationalität und Geschlecht – wichtige Fragen für eine soziale Bewegung in Deutschland aufgeworfen, die in den Texten von Wagenknecht längst nicht mehr zu finden sind. Ihr geht es um den Standort Deutschland, um deutsche Tugenden und den deutschen Mittelstand. Wenn das unter Sozialkonservatismus verstanden wird, ist eine Trennung der Linken davon überfällig, weil solche Positionen nicht als links bezeichnet werden können.

Nur heißt das noch lange nicht, dass die Linke damit noch eine Chance hat. Ob nicht ein Großteil der Wählerinnen und Wähler gerade einen solchen Sozialkonservatismus als linke Politik missversteht, ist noch nicht ausgemacht. Das werden die nächsten Landtags- und Bundestagswahlen zeigen.

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