Marco Bülow: Der Angriff des Profits auf die Demokratie
Seite 2: Wie der Profitlobbyismus die parlamentarische Demokratie aushöhlt
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Sie haben gesagt, dass sich ein bisschen was verändert hat. Früher gab es noch Initiativen von der Fraktion aus. Sie haben sich durchgesetzt, zum Beispiel beim Erneuerbare Energie Gesetz. Haben sich seitdem die Spielregeln verschlechtert, im Sinne von: die Fraktionen und die Parlamentarier konnten früher mehr selber machen? Oder haben sich die Abgeordneten und die Mentalität der Abgeordneten verändert?
Marco Bülow: Ich glaube, das bedingt sich ein bisschen. Man hat die Daumenschrauben angezogen, hat mehr Gleichförmigkeit verlangt. Bei den Konservativen und Liberalen war das schon vorher so. Aber in der SPD glaube ich war früher wirklich mehr möglich. Das hat sich aber dann verändert und damit verändern sich natürlich auch die, die im Parlament sind. Die, die anecken, sind schneller raus und werden schneller kaltgestellt. Je weniger das sind, desto weniger können sie sich natürlich gegenseitig stützen.
Ich glaube aber auch insgesamt, dass es stromlinienförmiger wird. Charaktere wie Hermann Scheer oder Ströbele von den Grünen und so weiter: die sind seltener geworden. Die gab es häufiger, die gab es übrigens selbst in der Union. Zum Beispiel Rita Süßmuth, selbst noch ein Lammert oder auch ein Norbert Blüm, die schon mal Wiederworte gegen den Unionskanzler ausgedrückt haben. Das war möglich. Heute ist das eigentlich nicht mehr so. Und wenn, dann führt das ganz schnell dazu, dass man nicht mehr dabei ist.
Jetzt haben wir über die inneren Mechanismen gesprochen, die dazu führen, dass es stromlinienförmiger in der Politik, im Parteiensystem und Parlament zugeht. Dazu kommt noch der Druck von außen auf das Parlament, der vor allem von den Profit-Lobbys, wie Sie das nennen, ausgeübt wird. Die machen viele Abgeordnete zu, wie Sie es ausdrücken, Lobbytariern. Was steckt hinter dem Begriff Profit-Lobbyismus? Was ist das und wie können diese Lobbyisten ihre Interessen bei Regierungen und im Parlament durchsetzen?
Marco Bülow: Für mich sind Profit-Lobbyisten diejenigen, die kein Allgemeinwohl verfolgen. Natürlich muss ich nicht immer richtig finden, was Initiativen im sozialen oder im Umweltbereich fordern. Aber für mich sind Profit-Lobbyisten jene, die reine Profitinteressen verfolgen. Sie tarnen sich häufig in PR-Agenturen, in Initiativen wie die Initiative neue soziale Marktwirtschaft. Marktwirtschaft ist ja ein sehr niedlicher Begriff und man denkt, da ist ja was Gutes dahinter. Aber das sind knallharte Konzerninteressen.
Und so gibt es immer mehr Gruppen, die zwar nach außen hin so aussehen, als wenn sie das Gemeinwohl vertreten, aber wo es tatsächlich um knallharte Profitinteressen geht. Das heißt, man erkennt das schon nicht mehr so gut.
Das zweite ist, es ist ja auch erstmal legitim, dass ein Konzern seine Interessen versucht zu wahren. Was nicht legitim ist, ist aber, dass diese Gruppen eine große Machtstellung und großen Einfluss haben. Sie besitzen die Mittel, ihre Lobbyisten auf die Abgeordneten loszulassen. Sie kommen teilweise einfach in den Bundestag, Normalsterbliche erhalten keinen Hausausweis. Den kriegen die Profit-Lobbyisten häufig von den Fraktionen ausgestellt.
Dann veranstalten sie als Parlamentsabende exklusive Veranstaltungen und Diskussionen. Sie laden Abgeordnete zum Essen ein, sie stellen sie sogar ein und ermöglichen für sie Nebeneinkünfte. So ist ein ganz neuer Typus entstanden, der des Lobbytariers, der eigentlich halb Politiker und Lobbyist ist. Das geht ganz schnell in ihrem Berufsleben und nicht mehr wie früher im Wechselspiel. Sie sind schon während sie Abgeordnete sind bereits Lobbyisten. Das ist ein Zusammenspiel, das natürlich sehr ungut ist, weil die Abgeordneten Interessen vertreten, die nicht ihrem Wahlkreis oder den Menschen dienen, sondern diesen Konzernen. Das sind für mich Profitinteressen.
Ich glaube auch, dass es nur ein Symptom ist, dieser Profit-Lobbyismus, der sehr stark ausgeprägt ist in einem System, einem politischen und wirtschaftlichen System, in dem alle anderen Interessen, Gemeinwohlinteressen, nur dem Profit unterworfen werden. Alles ist nur interessant und wirksam, was sich rechnet.
Ein Wald hat nur noch einen Wert, wenn man die Kubikmeter Holz zählen kann, die man verkauft, und deswegen überhaupt eine gewisse Nachhaltigkeit entsteht, da man den Wald auch weiterhin ausbeuten will. Aber er hat keinen Wert, weil sich da Menschen aufhalten und ihn genießen oder weil dort Tiere leben und Pflanzen wachsen. So ist das in ganz vielen anderen Bereichen: Pflege, Gesundheit, Bildung. Überall dort wird es auch immer mehr um Profitinteressen gehen.
Dann ist es ja klar, dass dies Logik vor der Politik keinen Halt macht, sondern dass man die Politik, die über die Wirtschaft entscheidet, auch diesen Profitinteressen immer mehr unterwirft. Das hat Angela Merkel ja mal sehr treffend auf den Punkt gebracht, als sie von einer marktkonformen Demokratie gesprochen hat. Es ist zynisch, aber es gab gar keinen Aufschrei, weil gilt: Alles muss sich dem Markt unterwerfen, auch die Demokratien, auch die Menschen.
Dabei müsste es in unserer Demokratie genau andersrum sein. Markt darf sein, aber er muss sich den Interessen der Menschen und der Demokratie unterwerfen.