Marco Bülow: "Profit-Lobbys und Kohlemafia haben sich in der SPD durchgesetzt"
- Marco Bülow: "Profit-Lobbys und Kohlemafia haben sich in der SPD durchgesetzt"
- Krise der Repräsentation: Nur die Hälfte der Bevölkerung noch im Parlament vertreten
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Marco Bülow sagt: Große Teile der Bevölkerung haben keinen Einfluss mehr auf die Politik. Profit-Lobbys und fossile Mafias dominieren die Politik. Welche Grenzen können der Macht gesetzt werden? (Teil 2)
David Goeßmann von Telepolis interviewt den Politiker und Buchautoren Marco Bülow. Er sprich darüber, wie groß die Macht der Lobbys im Parlament ist, warum Politik nicht auf die Bevölkerungsmeinung reagiert und wie die Energiewende, vor allem in der SPD, zum Schweigen gebracht wurde. Teil 1 des Telepolis-Interviews analysiert den Stand und die Zukunft der parlamentarischen Demokratie. Der abschließende dritte Teil, der in einigen Tagen erscheint, wird über Lösungen aus der gekauften Demokratie sprechen.
Wie würden Sie die Macht der Lobbys einordnen? Lobbys vertreten bestimmte mächtige Interessengruppen, Konzerne oder Verbände, die zu Politikern gehen und sagen: Wir möchten die Gesetze so und so haben. Das ist für alle gut. Verstehen Politiker nicht von vornherein die Interessen von Konzernen und berücksichtigen sie schon vorab. Sie wissen doch ganz genau, wenn sie die und die Gesetzesvorgabe machen, dann schadet das möglicherweise dem Autokonzern VW und so weiter. Wie sieht die Macht dieser Leute aus? Fine-Tunen die nicht nur die Gesetze? Die eigentliche Macht steckt aber bei den großen Unternehmen. Und zweitens, es gibt ja auch Fälle, zum Beispiel das Erneuerbaren Energien Gesetz, wo die Lobbyisten sich nicht oder nur sehr bedingt durchsetzen konnten. Sie nennen in Ihrem Buch "Lobbyland" TTIP und Ceta, die sind ja bisher noch nicht vollständig in Kraft getreten, die beiden Freihandelsabkommen. Da haben Druck von der Straße und viele Kampagnen, Aufklärungsarbeit, etwas erreicht. Es gibt also Beispiele, wo sich die Lobbys nicht durchsetzen können. Wie schätzen Sie die Macht der Lobbys ein und wo sind ihre Grenzen?
Marco Bülow: Grundsätzlich sind Lobbys sehr einflussreich. Gerade da, wo es wirklich um viel Geld geht. Nicht alle politischen Felder sind gleich vermint. Im Bereich Pharma, im ,ereich Energie, im Bereich Rüstung: Da sind sie sehr stark. Es geht dort um viel Macht und Einfluss, um viel Geld. In anderen Bereichen, in der Familienpolitik oder so, sieht das schon wieder ein bisschen anders aus. Auch da gibt es Lobbyisten, keine Frage. Aber da sind die Machtverhältnisse anders.
Um mit der zweiten Frage anzufangen: Die Chancen für wirksamen Protest sind in den Bereichen größer, wo es noch nicht so festgefahrene Machtstrukturen gibt. Grundsätzlich wächst aber der Einfluss der Lobbys. Es wächst der Einfluss von einigen Wenigen. Es ist nicht die Wirtschaft. Der kleine Selbstständige oder der Betreiber einer Currywurstbude muss hohe Auflagen erfüllen. Das Entsorgungskonzept ist wahnsinnig aufwendig. Er hat wenig Einfluss auf Politik. Dem gegenüber hat ein Atomkonzern einen riesigen Einfluss. Er muss kein Entsorgungskonzept vorlegen, weil das von der Allgemeinheit bezahlt wird.
Aber es gibt trotzdem Grenzen der Macht. Das haben wir selbst bei der Atomfrage gesehen. Am Ende gab es einen Atomausstieg, natürlich mit ganz vielen Subventionen. Sie haben sich eine goldene Nase verdient. Für die Risiken müssen sie nicht geradestehen. Die Risiken werden weiter vergesellschaftet. Das ist das Prinzip: Gewinne privatisieren und Risiken vergesellschaften.
Doch es gibt immer eine Chance der Zivilgesellschaft bis in die Politik hinein, ein Gegengewicht zu bilden. Das wird es immer geben. Trotzdem nimmt der Einfluss der Mächtigen zu. Erst Recht von Giganten, die international tätig sind. Zum Beispiel Amazon und andere, die fast keine Steuern zahlen, aber unglaublich viel Einfluss ausüben. Niemand wird sich trauen, gegen die Gesetze zu machen. Es stimmt: Da muss man gar nicht beeinflusst werden, das funktioniert über vorauseilenden Gehorsam, weil man sich mit diesen Giganten nicht anlegen will.
Wenn es doch mal jemand tut, dann wirken die Konzerne ein. Aber manchmal ist es gar nicht mehr notwendig. Im Parlament ist es sowieso nicht mehr nötig, weil die Akteure es schon mit den Regierungen direkt klären oder auf europäischer Ebene. Dann haben selbst die nationalen Parlamente keine Chance mehr.