Maria mag nicht mehr römisch, sondern nur noch katholisch sein

Seite 2: "An alle Menschen, die guten Willens sind"

Im Februar 2021 kam es zum vorläufigen Höhepunkt der Reformbewegung: dem "Thesenanschlag 2.0". Dabei hängten sie bundesweit sieben Thesen an Kirchentüren, um gegen die Missstände zu protestieren. Anlass war die "Deutsche Bischofskonferenz", die in der darauffolgenden Woche ihre Frühjahrstagung abhalten wollte. Gerichtet waren diese Thesen "an alle Menschen, die guten Willens sind", überschrieben waren sie jeweils mit den Hashtags #gerecht, #partizipativ, #glaubwürdig, #bunt, #lebensnah, #verantwortungsvoll und #relevant. Gefordert wurden "Reformen hin zu einer zukunftsfähigen, geschwisterlichen und vielgestaltigen Kirche", die keinen Machtmissbrauch mehr zulässt.

Aus dem einstigen Münsteraner Diskussionszirkel war längst eine bundesweite Bewegung geworden, unterstützt von der "Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands" und dem "Katholischen Deutschen Frauenbund", aber auch Männer - selbst Bischöfe - zeigten Sympathie. Andere wiederum hielten die Aktionen eher für Teufelswerk, einige besonders fromme Frauen konterten sogar mit "Maria 1.0", um zu demonstrieren, dass gute Katholikinnen fest an der Seite des von Rom orchestrierten Männerbundes stehen.

Die Kirche ist, wie sie ist

Dass trotz allen Protestes, trotz aller Unterstützung und trotz aller Medienöffentlichkeit die Kirche bleibt, was sie ist, eine "männerbündische Machtstruktur", mussten die Gründerinnen schmerzhaft erfahren. Zwei von ihnen, Lisa Kötter und Andrea Voß-Frick, gaben in der vergangenen Woche bekannt, aus der Kirche austreten zu wollen. Andrea Voß-Frick beschrieb in einem Facebook-Eintrag, wie der Entschluss in ihr reifte:

"Vermutlich stehen wir alle, die wir engagiert uns bemühen, diesen Monolithen Kirche zu bewegen, zu verändern, zu gestalten, immer wieder vor der Frage: Gehen oder Bleiben? Für beide Wege gibt es gute Gründe, die ich in den vergangenen zwei Jahren für mich immer wieder neu gewägt habe. Zwei Jahre, in denen ich in Abgründe geschaut habe, von denen ich gar nicht wissen wollte, dass es sie in 'meiner' Kirche gibt. Und dann stand ich in der vergangenen Weihnachtszeit vor den Krippen der Kirchen und dachte nur noch: Maria und Josef sollten das Kind hier fortschaffen und es in Sicherheit bringen. Die Botschaft retten vor dieser autokratisch verfassten Machthierarchie."

Lisa Kötter begründete ihren Austritt so:

"Die Würde unserer Kirche starb mit der ersten Gewalttätigkeit und deren Vertuschung zwecks Heiligkeits-Vorspiegelung. Denn damit verriet und verrät diese römische Kirche DEN, von dem sie behauptet, es sei SEINE Kirche. Denn ER, der gesagt hat: "was Ihr den Geringsten tut, das tut ihr mir", Jesus selbst, ist es, dessen Würde auf dem Altar der Macht und der Glorie geopfert wird. Da hilft kein Betroffenheitsgemurmel, lieber Herr Woelki. (…)

Die Schein-Heiligkeit wird sichtbar im gebundenen Advokatenbuch, das im Nebensatz den lückenhaften Wahrheitsgehalt einer kafkaesken Aktenführung erwähnt, die "Pflichtverletzung" einiger Brüder dennoch nicht verhehlen kann. Die jedoch als Happy End stolz die Reinheit des ehemaligen Privatsekretärs verkündet."

Damit bezieht sie sich auf das kürzlich veröffentlichte Gutachten der in der Domstadt ansässigen Kanzlei Gercke ǀ Wollschläger ("GW-Gutachten"), angekündigt als "Unabhängige Untersuchung zum Umgang mit sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln" und zu möglichen Versäumnissen bei der Aufarbeitung der Fälle.

Demnach wurden Hinweise auf 314 Betroffene und 202 Beschuldigte gefunden. Im Umgang mit diesen Vorkommnissen stellten die Gutachter gravierende Mängel fest und nannten in diesem Zusammenhang einige Namen, nur einen nicht: Den von Kardinal Rainer Maria Woelki. Dabei war er immer mittendrin statt nur dabei.

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