Rotes Meer: USA gegen Huthi-Guerilla

US-Soldaten schießen Stingerraketen von einem Militärboot im Arabischen Meer ab.

Archivfoto: Einsatz USS Essex (LHD 2) im Arabischen Meer im Oktober 2018. Bild: US-Verteidigungsministerium

Russlands gefährliches Spiel: Aufrüstung der Huthi im Jemen? Mögliche Waffenlieferungen alarmieren USA. Die Schwierigkeiten der militärischen Supermacht gegen Guerillataktiken.

US-Geheimdienste befürchten, dass Russland die Huthis im Jemen mit modernen Schiffabwehrraketen ausstatten könnte. Das berichtet das Wall Street Journal am Freitag.

Hintergrund ist die Drohung Russlands, Nato-Waffenlieferungen an die Ukraine asymmetrisch zu beantworten. So erklärte Wladimir Putin noch zu Beginn des vorigen Monats, hier zitiert nach Die Presse:

Wir denken darüber nach, dass falls jemand es für möglich hält, Waffen in die Kampfzone zu liefern, um Angriffe auf unser Gebiet durchzuführen (...), warum wir dann nicht das Recht haben sollten, solche Waffen in Weltregionen aufzustellen, wo Angriffe auf sensible Objekte derjenigen Länder ausgeführt werden, die das in Bezug auf Russland tun?

An dieser Stelle wurde bereits darüber spekuliert, dass die Huthi für Russland eine gute Wahl wären, um Ressourcen der international operierenden Nato-Kräfte zu binden.

Das Wall Street Journal zitiert einen Experten zu dem Thema:

"Die Huthi verfügen über die stärksten Antischiffsfähigkeiten unter Irans regionalem Stellvertreternetzwerk", so Behnam Ben Taleblu, Senior Fellow bei der Denkfabrik Foundation for Defense of Democracies. "Russische Schiffsabwehrwaffen würden jedoch einen qualitativen Sprung bedeuten und der bestehenden maritimen Bedrohung durch die Huthi mehr Schlagkraft verleihen."

Middle East Eye, eine in London ansässige Nachrichtenseite, berichtete letzten Monat, dass Russland bereits früher die Lieferung von Marschflugkörpern an die Huthi in Erwägung gezogen hat, aber von den Saudis davon abgebracht wurde.

Seitdem gab es in den USA immer wieder Hinweise darauf, dass Putin die Raketen dennoch liefern könnte.

Wall Street Journal

Huthi-Vertreter in Russland gesichtet

Repräsentanten der Huthi seien in Russland gesichtet worden, heißt es in dem Wall Street Journal Bericht weiter.

Russland hätte ein breites Arsenal an älteren Anti-Schiff-Marschflugkörpern aus der Sowjetzeit zur Verfügung, die wahrscheinlich immer noch eine Bedrohung auch für Nato-Kriegsschiffe darstellen würden, wie die P-700 Granit und P-270 Moskit aus den 1980er-Jahren oder etwa die P-500 Bazalt und P-120 Malakhit aus den 1970er-Jahren, die teilweise schon für den Abschuss vom Land vorbereitet sind.

Israelischer Angriff auf den Hafen Al-Hodeidah

Die erneute Eskalation im Roten Meer am Samstag, als die israelische Luftwaffe den von den Huthi kontrollierten jemenitischen Hafen Al-Hodeidah mit Kampfflugzeugen angriff, könnte die Situation im Roten Meer verschärfen und den Transfer sowjetischer Technologie an die Huthi beschleunigen.

Der Angriff erfolgte aufgrund eines Drohnenschlags der Huthi auf Tel Aviv mit einer einzelnen Samad-3 Drohne, bei der es zu einem Todesopfer gekommen war.

Die Samad-3 Drohne ist Teil einer Familie von Langstreckendrohnen, die vermutlich im Jemen selbst von den Huthi produziert werden, wahrscheinlich mit technischer Unterstützung durch den Iran.

Bei der israelischen Operation kamen Kampfjets der Typen F-15, F-16 und F-35 zum Einsatz, die durch KC-707 Tanker luftbetankt wurden. Mit über 1.800 Kilometern Entfernung stellt der israelische Angriff auf den Hafen Al-Hodeidah eine der am weitesten reichenden Missionen der israelischen Luftwaffe dar.

Ziel der Bombardierung war der einzige Hafen der Huthi, der über professionelle Kapazitäten für die Verladung von Containern und Erdölprodukten verfügt. Nach israelischer Darstellung wolle man damit die Waffenlieferungen des Iran an die Huthi unterbinden.

Die UN-Organisation Internationale Organisation für Migration gibt allerdings 2018 an, dass über den Hafen 28 Millionen Menschen versorgt werden:

Der Hafen von Al-Hudaida ist nach wie vor ein wichtiger Umschlagplatz und eine Lebensader für die Lieferung von humanitärer Hilfe an die Bedürftigen. Achtzig Prozent der jemenitischen Importe, darunter Lebensmittel und Grunderzeugnisse, werden über den Hafen von Al-Hudaida ins Land gebracht. Achtundzwanzig Millionen Jemeniten, insbesondere die acht Millionen vom Hungertod bedrohten Menschen, sind auf diesen Hafen als Lebensader angewiesen.

Internationale Organisation für Migration

Das International Rescue Committee (IRC) mit Sitz in New York kritisiert das Bombardement auf X deshalb scharf:

Der Hafen von Al-Hudaida ist eine wichtige Lebensader für die Lieferung humanitärer Hilfe nach Jemen, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung dringend auf Hilfe angewiesen ist. Jede Beeinträchtigung dieser Infrastruktur gefährdet die Einfuhr lebenswichtiger Güter und behindert die Hilfsmaßnahmen.

International Rescue Committee

Es gibt mit dem Hafen von Al-Salif, der rund 60 Kilometer weiter nördlich liegt, in den von den Huthi kontrollierten Gebieten nur noch einen einzigen weiteren Hafen, in der größere Mengen an Lebensmittel gelöscht werden können. Ein Ölterminal ist dort nicht vorhanden.

Waffenlieferungen an den Iran vermutlich nicht unterbunden

In Al-Hodeidah zielte die israelische Luftwaffe schwerpunktmäßig auf die Tanks für Mineralölprodukte ab, anscheinend aber nicht auf die dazugehörigen Verladeeinrichtungen. Im Stück- und Schüttguthafen, sowie am Containerkai beschädigten die Streitkräfte Israels die Hafenkräne schwer.

Die Zerstörungen am Hafen Al-Hodeidah sind gravierend. Doch die Waffenlieferungen durch den Iran werden sie nicht unterbinden können. Dafür gibt es zwei Gründe.

Zum einen sind viele Frachtschiffe mit bordeigenen Kränen ausgestattet. Sobfern ein Hafenkai vorhanden ist, kann die Fracht gelöscht werden, das gilt sowohl für Stückgut als auch für Container. Die Zerstörung oder Außerbetriebsetzung der Hafenkräne verlangsamt das Löschen der Fracht lediglich, es unterbindet sie aber nicht.

Der Schmuggel mit Dauen

Zum anderen werden Treibstoffe, Ersatzteile und Waffen aus dem Iran zu einem großen Teil nicht mit großen modernen Frachtern und Tankern transportiert. Militärische Güter aus dem Iran werden vielmehr geschmuggelt, und das auf den kleinen, wendigen Segelbooten aus der Schiffs-Familie der traditionellen Dauen (manchmal auch: Dhauen).

Die bereits seit mehr als einem Jahrtausend bekannten und immer noch gebauten Schiffe haben für den Seeverkehr auf dem Roten Meer und an den Küsten des Indischen Ozeans bis hin nach Bangladesch immer noch große Bedeutung. Der Begriff Dau umfasst um die 60 unterschiedliche Schiffstypen, die nach einer Studie der Amirkabir-Universität für Technologie in Teheran bis zu 800 Tonnen Fracht transportieren können.

Militärische Güter über die Dauen zu transportieren, hat Vorteile. So wird immer nur eine vergleichsweise kleine Tonnage an militärischen Gütern pro Schiff mitgeführt. Das Aufbringen einer einzigen Dau ist so weniger folgenreich, wie der Fund im Januar von Komponenten aus dem Iran für den Bau von ballistischen Raketen und Marschflugkörpern, über den ABC berichtete.

Generell ist es für größere Kriegsschiffe schwierig, die kleinen Frachtschiffe zu kontrollieren, die in großer Anzahl die Küste entlang segeln. Sie haben nur einen geringen Tiefgang und können ihr Schmuggelgut im Schutze der Küste an das Bestimmungsziel bringen.

Zudem brauchen die Dauen keine modernen Hafeneinrichtungen, sind nicht auf ausgebaute Häfen angewiesen – ein Fischerhafen ist zur Löschung der Lieferung ausreichend.

Falls Russland sich tatsächlich entscheiden sollte, etwa Anti-Schiffswaffen an die Huthi zu liefern, so würden diese vermutlich ebenfalls mit Dauen verschifft werden, und zwar von Russland aus über das Kaspische Meer mit Schiffen, dann durch den Iran über Land an die Küste des Persischen Golfes und schließlich mit den kleinen Dauen ins Hoheitsgebiet der Huthi.

Auswirkung auf die Fähigkeit der Huthi-Streitkräfte

Der Ölhafen von Al-Hodeidah ist am schwersten getroffen worden. Natürlich benötigt jede Streitmacht der Welt heutzutage Mineralölprodukte. Allerdings handelt es sich bei den Streitkräften der Huthi nicht um mechanisierte Verbände. Auf die Kampfkraft der Huthi-Kämpfer dürfte ein Angriff auf Öltanks daher keine große Wirkung haben.

Deshalb lässt sich annehmen, dass der israelische Angriff keine Auswirkung auf die Fähigkeit der Huthi-Streitkräfte haben wird, weiterhin den Schiffsverkehr im Roten Meer zu unterbinden.

Das britische Logistik-Fachportal The Loadstar berichtet erst am Montag von neuen Angriffen:

Am Wochenende gab es nach Angaben der UK Maritime Trade Organisation zwei Angriffe auf Boxschiffe. Jensen, der täglich über die Angriffe berichtet, stellte fest, dass ein Schiff getroffen wurde, nämlich die von CMA CGM betriebene Lobivia (2.000 TEU), die auf ihrem Dienst India Gulf Red Sea Express eingesetzt wird.

Ein weiterer Vorfall betraf das 5.000-Tonnen-Schiff Pumba, das leicht beschädigt wurde, nachdem zwei Drohnen in seiner Nähe explodiert waren, bevor eine Rakete in der Nähe ins Meer stürzte.

The Loadstar

Mit einschneidenden wirtschaftlichen Folgen für den Schiffsverkehr:

Seit Beginn der Angriffe Ende letzten Jahres ist der Containerumschlag im Roten Meer um rund 90 Prozent eingebrochen, wie aus einem Bericht der Defence Intelligence Agency vom letzten Monat hervorgeht.

"Für viele Schifffahrtsunternehmen machen die kombinierten Kosten für Besatzungsprämien, Kriegsrisikoversicherungen, die etwa 1.000 Prozent höher sind als vor dem Krieg, und Suez-Transitgebühren die zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Kosten für die Reise durch Afrika im Vergleich dazu weniger teuer", heißt es in dem Bericht.

The Loadstar

Interessant ist das vollständige und umfassende Scheitern der US-geführten Militäraktion gegen die Huthi-Bewegung, über das gestern bereits in Telepolis geschrieben wurde.

In diesem Zusammenhang kann man erwähnen, dass die USA von der Sperrung des Suezkanal profitieren. Ähnlich wie die von den USA initiierten Sanktionen, die gegen Russland gerichtet sein sollen, aber viel mehr den europäischen Volkswirtschaften schaden, trifft die Sperrung des Suez-Kanal vorwiegend die europäische Wirtschaft, und hier namentlich den Handel mit Asien. Die USA sind nicht betroffen, da der Seehandel zwischen Amerika und Asien über den Pazifik abgewickelt wird.

Zwar berichten US-Militärangehörige gegenüber dem Wall Street Journal vom Erfolg der US-Operationen über dem Jemen:

Ein zweiter Verteidigungsbeamter, der die derzeitige Politik verteidigte, sagte, die USA und ihre Partner hätten "eine beträchtliche Menge an Houthi-Fähigkeiten" zerstört, darunter Hunderte von Raketen und Abschussvorrichtungen, Hunderte von Angriffsdrohnen, Dutzende von Lagereinrichtungen für Waffen und Ausrüstung, zahlreiche Kommando- und Kontrollziele, Luftverteidigungssysteme, Radare und mehrere Hubschrauber.

Wall Street Journal

Allerdings kann man die US-Operationen nicht als erfolgreich bezeichnen, wenn man das hinter den US-Angriffen liegende strategische Ziel betrachtet. Und das ist offiziell die Offenhaltung des Suezkanals für die internationale Schifffahrt.

Doch weiterhin greifen die Huthi Handelsschiffe im Roten Meer an und verhindern auf diese Weise äußerst wirkungsvoll die freie Durchfahrt durch den Suezkanal.

Welche militärischen Lösungen haben die USA?

Die Frage ist also, welche ernsthaften militärischen Lösungen die USA hätten, um gegen die Huthi vorzugehen?

Die Huthi setzten in der Vergangenheit ein breites Arsenal an Waffen gegen den Schiffsverkehr im Roten Meer ein. Flugdrohnen, Marschflugkörper und ballistische Raketen werden in einer neuesten Entwicklung ergänzt durch maritime Drohnen. Die Technologie oder sogar ganze Waffensysteme stammen aus dem Iran.

Erst vorige Woche gelang es den Streitkräften der Huthi etwa, einen Öltanker mit einer Seedrohne zu treffen, hier ein Video von Sky News über den Vorfall.

Und vor einigen Tagen gelang es Sicherheitskräften eines ukrainischen Containerschiffes, lediglich mit FN FAL Sturmgewehren eine Seedrohne der Huthi abzuwehren und zur Explosion zu bringen sehen kann.

Wenn man die militärischen Aufklärungskapazitäten der USA genauer betrachtet, dann erscheint es unverständlich, warum die US-Luftwaffe nicht in der Lage sein sollte, Ziele wie Drohnenbasen, Lagerhäuser und Raketenabschussvorrichtungen aufzuklären und zu zerstören.

Die Fähigkeit der USA, den ukrainischen Streitkräften Aufklärungsdaten zur Verfügung zu stellen, ist ein Schlüsselfaktor für den militärischen Erfolg der ukrainischen Streitkräfte, die sich über einen so langen Zeitraum gegen die russische Übermacht behaupten konnten.

Maritimer Guerillakrieg

Es scheint fragwürdig, warum überlegene Satellitenaufklärung über dem Herrschaftsgebiet der Huthi im Jemen nicht zu militärischen Erfolgen führen sollte und stattdessen scheinbar Sand bombardiert wird. Dagegen gelingt es in der Ukraine immer wieder, mit US-Aufklärungsdaten militärische Hochwertziele zu treffen.

Warum ähnliche Erfolge im Jemen nicht möglich ist, liegt im Wesentlichen an der anderen Natur der militärischen Auseinandersetzung. Hier treten nicht, wie das in der Ukraine der Fall ist, zwei große Heere gegeneinander an. Der Konflikt um das Rote Meer ist kein Landkrieg, sondern ist als maritimer Guerillakrieg zu verstehen.

So ist der Einsatz nur einer einzigen Flugdrohne gegen ein Schiff kaum zu detektieren, da sie aus gut getarnten Positionen im Hinterland erfolgen kann. Die Küstenlinie des Huthi-Gebietes im Jemen ist mehrere hundert Kilometer lang, eine einzelne, kleine Seedrohne lässt sich hier leicht unerkannt zu Wasser bringen. Raketen können von einem zivil anmutenden LKW gestartet werden.

Einschätzung

Die israelischen Angriffe auf den einzigen leistungsfähigen Hafen im Herrschaftsgebiet der Huthi werden weitere Waffenlieferungen aus dem Iran weder verhindern oder auch nur behindern können. Gleiches gilt für den Fall, dass die russische Führung tatsächlich beschließen sollte, Raketen in den Jemen zu schicken.

Die israelischen Angriffe werden stattdessen die internationalen Hilfslieferungen für die jemenitische Zivilbevölkerung treffen.

Ein Krieg gegen die Huthi ist nicht zu gewinnen, ohne dass Bodentruppen eingesetzt werden. Dazu hat weder Israel die Möglichkeiten noch die Nato den Willen.

Deshalb wird Europa weiterhin von der Sperrung des Roten Meeres für die kommerzielle Schifffahrt betroffen sein.

Sollte Russland effektive Anti-Schiffsraketen liefern, was der verbündeten westlichen Staaten militärisch nicht verhindern kann, ist mit dem Verlust teurer Kriegsschiffe aufseiten der Nato zu rechnen. Und damit ein weiterer Kontrollverlust über die Region des Roten Meeres.

Das trifft die USA als dominierende Macht des Westens in ökonomischer Hinsicht wenig. Es zeigt sich jedoch, dass das Land mit der (noch) stärksten Marine und der stärksten Luftwaffe der Welt sich nicht gegen eine Armee durchsetzen kann, die nur über einen winzigen Bruchteil des US-Militärbudgets verfügt: Die USA verlieren gegen eine unbedeutende Guerilla-Armee?

Das kann Wellen aussenden, Signale, die von einem Imperium kündigen, das die Kontrolle verliert.