Marseille: Festnahme eines Jaish-al-Islam-Anführers mit Erasmus-Visum

Jaish al-Islam-Kämpfer. Bild: Qasioun News Agency / CC BY 3.0

Dem Mann wird Beteiligung an Kriegsverbrechen und Folter vorgeworfen. Lange Zeit galt die radikalislamische Salafisten-Miliz als "moderat". Sie wurde stark von Saudi-Arabien unterstützt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In Marseille wurde in der vergangenen Woche der frühere Sprecher der radikalislamistischen Miliz Jaisch al-Islam festgenommen. Der Fall Islam Alloush, so der Kampfname des Mannes, sein richtiger lautet angeblich Majdi Mustafa Nameh ist aus mehreren Gründen interessant.

Zum Beispiel, dass Islam Alloush für seinen Aufenthalt in Frankreich ein Eurasmus-Visum in der Tasche hatte war. Wie lange er mit diesem Studenten-Visum in Frankreich oder auch in anderen EU-Staaten untergetaucht war, gehört zu den vielen Fragen, die die Gerichtsverhandlung klären sollte.

Die Meldungen zur Festnahme, die am Mittwoch erfolgt ist, geben nur spärliche Informationen wieder. Man erfährt, dass sein Fall am gestrigen Freitag von einem Haftrichter geprüft wurde, und die Anklage auf "Folter sowie Beteiligung an Folter", "Kriegsverbrechen" und "Mittäterschaft bei gewaltsam erzwungenem Verschwinden von Personen" lautet.

Vorgebracht hat dies die französische Staatsanwaltschaft die für Antiterror-Fälle (Parquet national antiterroriste - PNAT) zuständig ist. Gefasst wurde der Mann von einer Behörde mit einem sehr langen Titel: das Zentralamt für den Kampf gegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Genozide und Kriegsverbrechen (Office central de lutte contre les crimes contre l’humanité, les génocides et les crimes de guerre - OCLCHGCG), die mit der Gendarmerie verbunden ist, genauer mit der Eingreiftruppe der Nationalgendarmerie, deren Einsatzschwerpunkt der Terrorismus ist.

Das verrät dann schon ein gewisses Kaliber, dem man - seit wie lange schon? - auf der Spur war. Islam Alloush war bis zum Herbst 2016 Sprecher der Miliz Jaish al-Islam (Armee des Islam), die jahrelang zu den Herrschern im syrischen Ostghouta gehörte.

Die Miliz wurde lange auch in Deutschland zu den "moderaten Rebellen" gezählt, obwohl deren früherer Führer Zahran Alloush schon recht früh, nämlich im November 2013, deutlich machte, dass ihm nichts an Menschenrechten liegt und er für Syrien keine Demokratie anstrebe, sondern einen islamisch geprägten Staat.

Auch für ihn war der syrische Konflikt ein Ringen um den "wahren Islam". All dies bekannte der "perfekte Mann für Saudi-Arabien" zu Zeiten, als die westlichen Medien noch von einem Aufstand in Syrien schreiben, wo die Sympathien eindeutig bei der bewaffneten Opposition lagen, da sie doch ein gerechteres Herrschaftssystem anstrebte.

Erst später zeigte sich die Miliz Jaish al-Islam als Wolf im Schafspelz. Da war ihr Anführer Zahran Alloush schon tot. Noch im Jahr 2016 wurde die Miliz so stark von Saudi-Arabien unterstützt, dass ihr damaliger Anführer Mohammed Alloush vom Königreich zum Verhandlungsführer der syrischen Opposition in Genf bestimmt worden war. Selbst Journalisten, die mit der Opposition gegen Baschar al-Assad sympathisieren, wie Aaron Lund, zeichneten das Bild einer brutalen Herrschaft der Miliz in Ostghouta.

Berüchtigt ist die Gruppe wegen ihrer Massenentführungen - über das Schicksal vieler Verschleppter ist nichts bekannt - ihrem ausgeprägten Hass auf Alewiten und Schiiten und dem Einsperren und Vorführen von Gefangenen, darunter Frauen, in Käfigen. Auch dass sie Kinder für ihre von einem rigiden Salafismus geprägte Kampftruppe rekrutierte, wird ihr zum Vorwurf gemacht.

Inwieweit der nun Festgenommene Islam Alloush mitverantwortlich an diesen Verbrechen war, wird ein Gerichtsverfahren in Frankreich klären, von dem man nur hoffen kann, dass es auch einige Klarheit darüber zutage bringt, wie das "Regime" der Jaysh al-Islam und damit verbundener Milizen in der Realität aussah und aussieht. Geht es nach Informationen des kurdischen Nachrichtensenders ANF so zählen die Mitglieder von Jaish al-Islam zu den Peinigern der kurdischen Bevölkerung in Afrin.