Masterplan Energiewende

Seite 2: Der dezentrale Aufbau hat mehrere Vorteile

Erstens müssen wir alle geeigneten Dachflächen für die Installation von PV-Anlagen nutzen. Der erzeugte Strom muss dann ins Netz eingespeist werden. Dabei darf aber die Übertragungskapazität des Verteilernetzes nicht überschritten werden. Man muss also entweder das Netz ausbauen, oder die Erzeugungspeaks vor Ort durch das Laden von Speichern kappen.

Zweitens kann man damit auch weitere unnötige Stromtransporte vermeiden, indem man den Speicherstrom dann auch vor Ort wieder verbraucht. Dadurch lässt sich das vorhandene Netz weiter entlasten und wir müssen es nicht sofort flächendeckend in großem Maße ausbauen, sondern zunächst nur Engpässe beseitigen.

Hinzu kommen Vorteile bei Investitionskosten und der Ausfallsicherheit. Ein Akkuspeicher produziert Gleichstrom, der erst wechselgerichtet werden muss, bevor man ihn ins Netz einspeisen kann. Das Gleiche gilt für Photovoltaik-Anlagen, kurz PV-Anlagen. Wenn man Speicher und PV-Anlage getrennt konzipiert, benötigt man zwei Wechselrichter und zwei Steuerungen. Bei Kombination beider Anlagen genügt ein Hybridwechselrichter und eine Steuerung. Und man kann die Anlage dann so bauen, dass sie bei Netzausfall auf Inselbetrieb umschaltet und so lange problemlos weiterläuft, wie PV-Anlage und Akku genug Strom liefern.

Damit steigt die Sicherheit der Stromversorgung stark an, denn bei Netzstörungen zerfällt das Netz in autonom funktionierende Unternetze, die nach der Beseitigung der Störung dann einfach wieder zusammengeschaltet werden können, wodurch auch die Schwarzstartproblematik entschärft wird.

Noch mal zum Speicherbedarf: Derzeit sind für Deutschland Pumpspeicherkraftwerke mit sechs Gigawatt Leistung und 24 GWh Speicherkapazität vorhanden. Batteriespeicher haben derzeit lediglich eine Kapazität von etwa 150 MWh.

Im Jahresdurchschnitt werden momentan täglich 1,5 TWh Strom verbraucht, wobei der Wert an Spitzenlasttagen sogar auf etwa 1,8 TWh ansteigen kann. Im "Bericht Regelungen zu Stromspeichern im deutschen Strommarkt" der Bundesnetzagentur wird deshalb ein Speicherbedarf von 170 GWh zur Glättung der Windstromproduktion an einem normalen Tag und von 857 GWh für eine Zwölf-Stundenvollversorgung an einem Spitzenlasttag angesetzt.

Beginnen wir mit den 170 GWH zur Glättung. Der Wert gilt für einen durchschnittlichen Tag und die gegenwärtige Windstromproduktion. Da wir die Ökostromproduktion aber bis 2030 auf das 2,75-fache steigern müssen, brauchen wir hier deutlich mehr. Ich rechne mit etwa 300 GWh notwendiger Speicherkapazität im Netz. Zusätzlich noch mal 300 bis 500 GWh Akkuspeicher in den E-Autos, die zum Kappen von Erzeugungspeaks allerdings nur teilweise zur Verfügung stehen.

Natürlich hat dieses System seine Grenzen. Wenn in einer längeren Dunkelflaute einfach nicht genug regenerativer Strom erzeugt wird, bricht die Versorgung zusammen, nachdem die Akkus leer sind.

Ein Ausbau der Akkukapazität auf 875 GWh, um 12 Stunden vollständig aus Speichern abdecken zu können, ist hier kein Ausweg. Erstens haben wir die dafür benötigten Akkus in den nächsten zehn Jahren nicht dafür verfügbar, zweitens ist es Unfug, derartige Investitionen für eine Nutzung an ein bis zwei Tagen im Jahr zu tätigen und drittens sind 875 GWh für 12 Stunden dann irgendwann doch nicht ausreichend.

Die Rationierung von Strom kann nur das allerletzte Mittel sein

Dafür brauchen wir einen Plan B. Wir müssen den Strom dann auf anderem Weg erzeugen. Die in einigen Gesetzesvorlagen angedachte Zwangsabschaltung von Verbrauchern bzw. die Rationierung des Stroms ist jedenfalls keine brauchbare Lösung und kann nur das allerletzte Mittel sein.

Wir können die Gaskraftwerke als Reserve nutzen, da diese fossilen Kraftwerke schnell in Betrieb genommen und abgeschaltet werden können. Die installierte Leistung beträgt gegenwärtig etwa 30 GW. Das bedeutet, dass man etwa 700 GWh täglich damit erzeugen kann, wenn man sie durchlaufen lässt. Aber nur, solange Gas vorhanden ist. Das heißt, das geht nur so lange, wie unser Erdgasnetz existiert und instand gehalten wird.

Wir müssen aber auch vom Erdgas wegkommen (wenn auch erst nach dem Ausstieg aus Kernkraft, Kohle und Heizöl) und dann steht sehr schnell die Frage, ob die notwendige Gasinfrastruktur noch erhalten und gewartet wird. Außerdem haben wir an Spitzentagen einen Verbrauch von 1,8 TWh, so dass immer noch 1.100 GWh zur Vollversorgung fehlen. Hier sollte man als Reserve ein virtuelles Kraftwerk vorsehen, dass Plug-in-Hybridautos als Notstromaggregate verwendet.

Hybridfahrzeuge wären übergangsweise von Vorteil

Da die Akkus sowieso noch lange Mangelware bleiben, sollten wir sie so effektiv wie möglich einsetzen. Ein E-Auto wird im Durchschnitt nicht mehr als 50 km/Tag fahren und würde deshalb meist mit einem Akku von 20 kWh, der vollgeladen etwa 100 km weit reicht, ans Ziel kommen. Dabei würde der Akku dann weit entladen und die Akkukapazität würde optimal ausgenutzt.

Leider funktioniert das so nicht, denn ein E-Auto mit nur 100 km Reichweite ist praktisch unverkäuflich, weil niemand Lust hat, irgendwann mit leerem Akku liegenzubleiben. Deshalb muss ein E-Auto mindestens 300 km Reichweite haben, damit es vom Kunden akzeptiert wird. Mehr als 2/3 der Batteriekapazität werden aber nur selten gebraucht und meist nur als Reserve mit herumgeschleppt.

Statt reiner E-Autos Hybridfahrzeuge mit rund 20 kWh Batterie zu bauen, hätte zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Energiewende mehrere Vorteile:

Erstens können mit den vorhandenen Akkus mindestens die dreifache Zahl Fahrzeuge gebaut werden.Zweitens entfällt die Reichweitenangst, da man mit leerem Akku nicht liegen bleibt, solange noch Treibstoff im Tank ist. Drittens wird so die vorhandene Akkukapazität voll ausgenutzt, da der kleine Akku in Betrieb andauernd geleert und wieder geladen wird, während der große Akku eines reinen E-Autos meist nur zu einem geringen Teil genutzt und dann sofort wieder aufgeladen wird. So erhalten wir die größtmögliche Regelenergie und CO2-Einsparung mit den knappen Akkus. Viertens sind derartige Fahrzeuge, speziell, wenn sie mit schwachen Verbrennungsmotoren im Kraftstoffbetrieb eigentlich untermotorisiert sind, für Langstreckenfahrten nicht besonders gut geeignet, was evtl. eine Lenkungswirkung entfaltet, für Fernreisen Bus und Bahn zu nutzen. Das ist sowieso im Zuge der Verkehrswende notwendig.

Wir müssen den Verkehr, das heißt die motorisiert gefahrenen Kilometer, stark reduzieren, daran führt kein Weg vorbei. Den Einbau eines schwachen Verbrennungsmotors kann man über die Förderbedingungen erreichen. Natürlich gibt es auch Fälle, wo derartige Fahrzeuge nicht sinnvoll sind. Beispielsweise Taxifahrer oder Außendienstler, die Material und Muster mitbringen und weite Strecken zurücklegen müssen. Die sollten besser ein E-Auto mit riesigem Akku und großer Reichweite nutzen. Aber das sind die Wenigsten.

Auch als Notstromaggregate nutzbar

Fünftens bietet das Vorhandensein von E-Motor/Generator und Verbrennungsmotor die Möglichkeit, derartige Fahrzeuge als Notstromaggregate zu nutzen, wenn in einer längeren Dunkelflaute oder durch technische Störungen im Netz nicht genug Strom vorhanden ist. Das ist natürlich nur als Notfallvariante gedacht, genau wie das Fahren im Verbrennermodus. Es erhöht aber die Sicherheit des Gesamtsystems enorm.

Wer den Verbrennungsmotor kompromisslos auch als Übergangslösung ablehnt, sollte bedenken, dass wir in den nächsten Jahren auch bei allen Anstrengungen nicht genug grünen Strom erzeugen können und deshalb leider fossile Brennstoffe vorläufig noch weiter nutzen müssen. Da sollten wir wenigstens darauf achten, dass damit der größte Nutzen erzielt und so wenig wie möglich CO2 emittiert wird.

Als Reservevariante für Notfälle sind fossile Brennstoffe wegen ihres geringen Preises, des hohen Energieinhalts und der einfachen Speicherung durchaus geeignet. Wenn wir zehn Millionen Fahrzeuge im schlimmsten Fall 50 Stunden im Jahr als Notstromaggregat verwenden, bleiben wir locker unter einer Gesamtemission von zehn Millionen Tonnen pro Jahr (t/a) durch diese Nutzung. Peanuts im Vergleich zur gegenwärtigen CO2-Produktion von 280 Mio. t/a bei der Stromproduktion und 132 Mio. t/a aus dem Pkw-Verkehr. Und ganz nebenbei hat auch ein Plug-in Hybrid nur eine begrenzte Nutzungsdauer.

Das Beste an diesem Konzept ist, dass es sofort umsetzbar ist und keine zusätzlichen Kosten verursacht. Der VW ID.3 schafft mit einer 58 kWh-Batterie im ADAC-Test 335 km Reichweite. Diese Batterie kostet derzeit 14.450 Euro. Daraus ergibt sich ein Batteriepreis von 250 Euro pro Kilowattstunde.

Durch die Einsparung von ca. 40 kWh Akkukapazität pro Fahrzeug wird die Batterie mindestens 9.000 Euro billiger. Dafür sollte man einen kleinen Verbrennungsmotor, komplett mit Getriebe, Tank- und Abgasanlage und allem Drum und Dran ohne Probleme bekommen. Sogar als Dieselmotor. Und gewichtsmäßig spart man bei der Batterie auch etwa 250 kg ein, sodass das Hybridfahrzeug evtl. auch noch leichter wird. Auch fertigungstechnisch sollten keine Probleme auftreten, denn Fabriken für Verbrennungsmotoren und Getriebe stehen genug, man müsste sie nur weiter betreiben.

Was die Akkuproduktion betrifft, sind in Deutschland zur Zeit folgende Werke im Bau: Tesla 100 GWh/a (Grünheide), SVolt 24 GWh/a (Saarland), CATL 14 GWh/a (Erfurter Kreuz), und VW/Northvolt 16 GWh/a (Salzgitter), insgesamt also eine Kapazität von 154 GWh pro Jahr.

Allerdings ändern sich die Angaben zu Produktionsstart und Produktionskapazität laufend, so dass man sicherheitshalber erst mal mit 50-100 GWh Produktion ab 2023 rechnen sollte.

Das reicht für die Produktion von 500.000 - 1 Mio. E-Autos mit je 100 kWh Akku. Man könnte statt dessen aber auch 1 Mio. Plug-in Hybriden mit je 20 kWh Akku und 300.000 E-Autos mit 100 KWh Batterie bauen und hätte bei 100 GWh/a dann noch knapp 50 GWh jährlich für die stationäre Netzsteuerung übrig. Wenn man davon ausgeht, dass die Fabriken ab 2023 produzieren, sollten sich damit bis 2030 300 GWh Akkus im Netz installieren lassen.

Außerdem werden auch im Ausland Akkus produziert, Man kann notfalls also auch noch welche importieren. Das sollte aber nur die allerletzte Option sein. Offenbar hat Tesla-Chef Elon Musk ähnliche Ideen. Er hat angekündigt, dass er in der Gigafactory in Grünheide auch Akkus für stationäre Stromspeicher produzieren will.

Die Bundesregierung hat allerdings kein Speicherinfrastrukturkonzept und setzt hier nur "auf die Kräfte des Marktes"1. Allerdings nützt das beste Netz- und Verkehrskonzept nichts, wenn nicht genügend grüner Strom zur Verfügung steht. Die Energiewende steht und fällt mit der Produktion von ausreichend regenerativ erzeugtem Strom.