Masterplan Energiewende

Seite 3: Benötigter Zubau bei Solar- und Windstrom

2020 wurden in Deutschland 51,5 TWh Solarstrom erzeugt. Dazu waren PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 54.000 MW installiert.

Wenn wir die Stromerzeugung bis 2030 vollständig und den Verkehr zu 90 Prozent auf regenerativen Strom umstellen wollen, müssen wir bis dahin etwa 110.000 MW PV-Anlagen zubauen, das heißt. neun Jahre lang jährlich zwölf GWPeak. Das ist machbar, der bisherige Zubaurekord lag 2012 bei mehr als acht GW.

Allerdings ist die Produktion von PV-Anlagen in Deutschland durch die politisch gewollte Zerschlagung der deutschen Solarindustrie in der Vergangenheit nicht ausreichend. Meyer Burger bemüht sich zwar um einen Wiederaufbau und hat bereits Produktionskapazitäten für 400 MW/a in Freiberg geschaffen, die auf ein GW/a ausgebaut werden sollen. Das ist ein guter Anfang, reicht aber bei Weitem nicht aus.

Wenn wir bei der Energiewende nicht völlig von Importen abhängig bleiben wollen, müssen wir in der Solarbranche ganz gehörig zusätzliche Fertigungskapazitäten aufbauen. Die dazu notwendigen Rahmenbedingungen müssen von der Politik geschaffen werden.

Derzeit liegen die Kosten für eine Aufdachanlage pro kWpeak komplett bei etwa 1.050 Euro, für große Anlagen auf Konversionsflächen noch günstiger. Das bedeutet bei einem notwendigen Zubau von zwölf GW/a einen Investitionsbedarf von etwa zwölf Mrd. Euro jährlich allein für die Photovoltaik.

Dazu kommt der notwendige Ausbau der Windenergie. 2020 wurden in Deutschland 142 TWh Windstrom erzeugt. Dazu waren onshore 29.608 Windräder mit 55.000 MW Gesamtleistung und 1.500 Windräder mit insgesamt 7.770 MW offshore installiert. Diese lieferten 112 TWh onshore und 29,1 TWh offshore. Daraus geht hervor, dass 1 MW installierte Leistung offshore den 1,87-fachen Ertrag bringt wie onshore.

Wenn wir die Stromerzeugung vollständig und den Pkw-Verkehr zu 90 Prozent auf erneuerbaren Strom umstellen wollen, müssen wir etwa 250 TWh Windstrom jährlich zusätzlich erzeugen. Das bedeutet einen Zubau von etwa 100 GW Leistung onshore und 14 GW offshore. Offshore sind das zwei GW mehr, als die bis 2030 als Ausbauziel vorgegebenen 20 GW. Die Investitionskosten dürften dabei um die 3,5 Mio. Euro pro MW installierte Leistung liegen, für 14 GW bis 2030 also insgesamt etwa 50 Mrd. Euro.

Onshore kann man mit Investitionskosten von 1,2 bis 1,5 Mio. Euro pro installiertem Megawatt rechnen. Damit ergeben sich Gesamtinvestitionskosten für die benötigten Windräder onshore von 120 bis 150 Milliarden. Jährlich sind zum Ausbau der Windstromerzeugung also etwa 20 bis 23 Milliarden Euro Investitionen nötig.

Hinzu kommen die Kosten für die Akkuspeicher. Wenn wir mit dem derzeit günstigsten Akkupreis von 250 Euro/kWh (VW, ID3) rechnen und alle 42 Millionen Haushalte in Deutschland mit je 7,2 kWh ausrüsten wollen, benötigen wir für 300 GWh etwa zehn Milliarden Investitionen jährlich. Allerdings kann es sein, dass die Preise für Akkus weiter fallen.

Daraus ergibt sich mit heutigen Preisen für den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung ohne Netzausbaukosten bis 2030 ein jährlicher Investitionsbedarf von 42 bis 45 Milliarden. Dazu kommen die Kosten für den Umstieg auf die E-Mobilität sowie später die Umrüstung der Heizsysteme.

Mit diesen Maßnahmen lassen sich bis 2030 rund 400 Mio. Tonnen CO2 sicher einsparen. Von den verbleibenden 410 Mio. Tonnen entfallen ca. 120 Millionen auf den Flug-, Schiffs- und Güterverkehr sowie die Restemissionen der Pkw, 114 Millionen Tonnen auf die Industrie, ca. 118 Mio. Tonnen auf den Gebäudebereich und 70 Mio. Tonnen auf die Landwirtschaft. Wahrscheinlich lassen sich durch Verkehrsreduzierung hier nochmals 30 bis 60 Mio. Tonnen CO2 einsparen, aber das lässt sich schlecht abschätzen.

Die verbleibenden Emissionen der Industrie (Emissionen der Petrolchemie wurden dem Verkehr zugerechnet) lassen sich meist nur durch Technologiewechsel verringern bzw. vermeiden. Der Löwenanteil von 67 Mio. Tonnen entfällt auf die Stahlerzeugung. Man sollte hier hinterfragen, ob es sinnvoll ist, in Zukunft weiterhin importiertes Eisenerz in Deutschland zu verhütten und dazu eine irrsinnige Wasserstoffelektrolyse samt dazu notwendiger regenerativer Energieerzeugung aufzubauen. Viel besser könnte es sein, als Rohstoff Schrott einzusetzen und diesen im Lichtbogenofen einzuschmelzen. Da benötigen wir nur einen Bruchteil des Stroms und ob wir Eisenerz oder Schrott importieren, sollte sich ziemlich gleich bleiben.

Zementindustrie: CO2 unvermeidbar, aber sinnvoll zu nutzen

Ein weiterer großer CO2-Produzent ist die Zementindustrie. Sie erzeugt in Deutschland jährlich rund 20 Mio. Tonnen CO2. Beim Kalkbrennen wird der Kalkstein (Calziumcarbonat) thermisch in Calziumoxid und Kohlendioxid gespalten, das heißt, der größte Teil des anfallenden CO2 stammt hier nicht aus fossilen Brennstoffen, sondern dem eingesetzten Rohstoff und lässt sich deshalb nicht vermeiden. Wir können aber die Zementproduktion deshalb auch nicht drosseln oder einstellen, denn die Baustoffe werden gebraucht. Und importieren ist auch keine Lösung, dann wird das CO2 nur irgendwo anders freigesetzt. Damit, dass bei der Zementproduktion CO2 emittiert wird, müssen wir leben. Wenn die CO2-Emissionen hier schon nicht vermeidbar sind, sollten wir das CO2 zumindest sinnvoll nutzen.

In Zukunft darf unsere chemische Industrie nicht mehr auf fossilen Brennstoffen als Rohstoffen zur Erzeugung von großtonnagigen Massenprodukten basieren. Aber man wird auch in Zukunft kleintonnagige, höher veredelte Produkte der organischen chemischen Industrie benötigen. Und als Kohlenstoffquelle für diese Chemie könnte man dann CO2 nutzen.

Natürlich ist die Idee, dafür CO2 aus der Luft zu filtern, viel zu kompliziert. Das können die Pflanzen besser. Aber wenn wir beim Kalkbrennen große Mengen CO2 in hoher Konzentration erzeugen, sollten wir überlegen, ob wir diese nicht als Rohstoff nutzen können, anstatt sie in die Luft zu blasen.

Aus den 20 Mio. Tonnen CO2, die jährlich anfallen, lassen sich etwa 15 Mio. Tonnen Methanol herstellen. Allerdings benötigt man dazu knapp drei Millionen Tonnen Wasserstoff. Für dessen Erzeugung werden etwa 50 kWh/kg benötigt. Also würde man für die vollständige Umwandlung des CO2 in Methanol etwa 150 TWh Elektroenergie benötigen.

Das wird, wenn überhaupt, frühestens in zehn Jahren aktuell, denn bis dahin haben wir keinen überschüssigen Strom für die Wasserstofferzeugung, weil wir mit dem erzeugten grünen Strom an anderen Stellen mehr CO2 einsparen können.

Dieses Beispiel zeigt auch sehr gut, dass eine große Wasserstoffindustrie eine Sackgasse ist, weil die benötigten Strommengen einfach zu groß sind. Auch die Gebäudeheizung und Warmwasserbereitung muss natürlich perspektivisch auf erneuerbare Energie umgestellt werden. Aber wenn wir das tun, müssen wir auch garantieren, dass jederzeit genug Strom dafür da ist. Das ist sehr riskant, da im Winter die Photovoltaik fast nichts liefert und wenn dann eine Flaute mit starkem Frost zusammenfällt, wird es sehr kritisch. Einerseits wird wenig Strom erzeugt, andererseits steigt der Verbrauch sprunghaft an.

Deshalb sollten wir eine generelle Umstellung der Gebäudeheizung zunächst zurückstellen, bis die für die Umstellung der Stromerzeugung und des Pkw-Verkehrs notwendigen Ökostromerzeugungskapazitäten und Speicher zugebaut sind. Bis dahin sollten wir die alten Heizsysteme weiter betreiben und nur bei Neubauten entsprechende Wärmedämmung, Wärmepumpenheizungen, Aufdach-Photovoltaikanlagen und Akkuspeicher vorschreiben. Da im Jahr ein bis zwei Prozent des Gebäudebestands neu gebaut werden, kann man so bis 2030 etwa 10-15 Prozent des im Gebäudebereich anfallenden CO2, also zwischen 12 und 20 Mio. t einsparen.

Faustregel für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft

Auch das in der Landwirtschaft anfallende Klimagas muss reduziert werden. Ein großer Teil der 70 Millionen Tonnen sind hier aber nicht CO2, sondern CO2-Äquivalente, in der Hauptsache Methan, das bei der Massentierhaltung anfällt.

Hier hilft nur ein radikales Umsteuern in der gesamten Landwirtschaft, hin zu einer ökologisch nachhaltigen Produktionsweise. Die Viehbestände müssen auf ein für Deutschland notwendiges und umweltverträgliches Maß reduziert werden. Als Faustregel sollte man durchsetzen, dass nur so viel Vieh gehalten werden darf, wie Futter vor Ort angebaut wird. Futterimporte und riesige Exporte tierischer Produkte müssen unterbleiben.

Und im Ackerbau muss der übermäßige Einsatz von Düngemitteln, Insektiziden, Herbiziden und Pestiziden nicht nur verboten werden, die Verbote müssen auch durchgesetzt werden, ebenso wie die Tierschutzgesetzgebung in der Viehhaltung.

Dazu müssen dann allerdings auch die gesamten Förderbedingungen geändert werden, damit die ökologisch produzierenden Betriebe existieren können, während die nicht ökologischen keinen Cent Fördermittel bekommen dürfen. Zusammenfassend können wir also bis 2030 etwa 400 bis 500 Millionen Tonnen CO2 jährlich einsparen, müssen dafür aber 350 TWh/a mehr regenerativen Strom erzeugen als heute.