Medien und Bahnstreik: Signale stehn auf "Droht"

Seite 2: Anfang und Ende: Schlagseiten

Für einen journalistischen Beitrag sind Anfang und Ende die beiden markantesten Punkte: Die Überschrift (siehe oben) entscheidet darüber, wer seine Aufmerksamkeit diesem Beitrag widmet, und setzt zugleich den Ton.

Der Abschluss eines solchen Beitrages bedeutet jenen Aspekt, der am ehesten gemerkt werden kann: Hier kommt nun, Zufall oder nicht, Andreas Schulz zu Wort, Vertreter der "Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg". Seine Schlussworte, denn der gesamte Bericht endet genau mit diesem Zitat:

Die GDL ist aufgerufen, in Zukunft deutlich mehr gesamtwirtschaftliche Verantwortung an den Tag zu legen.

Andreas Schulz

Da kann der Leitartikel der Berliner Zeitung tief drinnen im Blatt auf Seite 18 dann noch so sehr behaupten, der Streik sei gerechtfertigt: Dieser Zug ist leider schon abgefahren.

Um aber hier noch kurz auf zwei weitere Züge mit Schlagseite aufzuspringen:

1. Ähnlich wie oben beim angeblich alle betreffenden "Befürchten" stehen auch an anderer Stelle alle Signale auf "Rot", pardon: auf "Droht": Gebetsmühlenartig heißt es in weiten Teilen der Medienlandschaft, "ein Streik droht" (oder hier).

"Drohen" kann nur etwas sehr negatives, schlimmes, oft katastrophales. Dabei bedarf es lediglich ein wenig Nachdenkens, um zu erkennen: Ein wie auch immer "drohender" Streik kann nicht nur für die jeweiligen Beschäftigten, sondern auch gesamtgesellschaftlich durchaus Sinnvolles bewirken.

Stichworte seien hier allgemeines Einkommensniveau, Rentensteigerungen, Arbeitszeitverkürzung. Das alles aber soll immer und komplett nur "drohen"?

Und selbst wenn Gewerkschafts-Leute selber sagten: "Wir drohen mit Streik!", dann sollte das als Zitat der jeweiligen Person wiedergegeben werden, die damit womöglich gewisse taktische und strategische Absichten verbindet. Doch nachrichtliche Sachlichkeit verbietet es, Streiks fast immer mit dem Verb "drohen" zu verbinden.

2. An der allerletzten Bahnsteig-Kante hier - oder eben echt ganz hinten auf dem Abstellgleis - steht natürlich Claus Weselsky, der GDL-Vorsitzende. Man muss das CDU-Mitglied aus Sachsen nicht mögen.

Aber was viele Medien seit Jahren im Hinblick auf ihn so auffahren und abfahren lassen – der Mann trägt in der leitmedialen Öffentlichkeit ganz klar "die rote Laterne", ist das absolute Schlusslicht in vieler Hinsicht.

Und medial scheint immer noch eine Schippe draufgelegt zu werden: "Der Lahmleger" titelt aktuell der Stern. Weselsky treibe, na klar, "seit Jahren" die gesamte Deutsche Bahn vor sich her.

Der Mann ist anscheinend Super-Batman, denn er allein schafft es laut der Illustrierten sogar, ganz Deutschland regelmäßig lahmzulegen.

Medien der Funke-Gruppe texten, Weselsky stehe "derzeit so sehr in der Kritik wie nie zuvor". Und fast hätte man gedacht, etwas weniger als beim vorigen Mal. Aber Scherz beiseite, in der Logik medialer Aufmerksamkeits-Optimierung muss natürlich der Nachrichtenfaktor "Negativismus" stets von Neuem auf die (Zug-)Spitze getrieben werden.

Folgerichtig daher die Behauptung, diesmal scheine "in der Bevölkerung jeder Funke Verständnis für den Streik zu fehlen". Echt? Jeder Funke? Funke-Medien?

Hier wäre es in der Tat schon ein Erfolg, wenigstens "Bahnhof" zu verstehen. Der Zug "Verständnis" scheint allerdings bei vielen Medienschaffenden, die sich ja leider oft auch prekär verdingen müssen, schon deshalb abgefahren, weil Weselsky und die Gewerkschaft GDL sich immer wieder trauen, deutliche Forderungen zu erheben – und man sich selber als Journalist dann doch eher mit einem gewissen Neid auf der anderen Seite dieser Schranke sieht.

Anstatt zumindest mal (laut) zu denken: "Es wäre doch höchste Eisenbahn auch für uns - für uns alle!"