"Medienvertrauen so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr"

Medienwissenschaftler der Universität Würzburg ermitteln selbst an den "politischen Rändern" eine Tendenz zu mehr Vertrauen in Medien

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Das Vertrauen der Deutschen in die Medien ist im vergangenen Jahr gewachsen, ermittelt haben diese etwas überraschende Erkenntnis Kim Otto, Professor für Wirtschaftsjournalismus Universität Würzburg, und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Andreas Köhler. Sie haben "Sekundärdaten" von Umfragen des Eurobarometers der Europäischen Kommission vom November 2016 ausgewertet.

Bislang, bis zum Abend des 31. März, liegen die Ergebnis nur in Form einer Pressemitteilung und einer Meldung des BR vor. In der Pressemitteilung findet sich eine bemerkenswerte Aussage, die bei manchen für verblüfftes Staunen sorgen könnte:

Noch nie seit über 15 Jahren war das Vertrauen in die Presse so hoch wie heute. Den deutschen Medien ist es gelungen, das in sie gesetzte Vertrauen zu stärken und weiter auszubauen.

Kim Otto

Das liest sich so, wie von Medien gewünscht, herbeigesehnt und bestellt. Nun ist Kim Otto bislang aber nicht gerade als unkritischer Beobachter aufgefallen. Im Herbst vergangenen Jahres sorgte seine Studie zum Medienvertrauen, die zu einem entgegengesetzten Ergebnis kam, für größeres Aufsehen (siehe Vertrauensverlust in die Berichterstattung).

Seine zuvor veröffentlichte Studie zur Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen über die Griechenland-Krise trug ihm stärkere Kritik von ARD und ZDF ein, gegen die er sich zur Wehr zu setzen wusste. Otto hatte eine beträchtliche Schlagseite der beiden Sender ausgemacht (siehe "Über Mitglieder der griechischen Regierung wurde mehrheitlich negativ berichtet").

Wachsendes Vertrauen

Mit ihrer neuen Datenauswertung dürften Kim Otto und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Andreas Köhler allerdings auf positive Resonanz bei den Medien stoßen. Die Umfrage-Eckdaten melden einen tendenziellen Vertrauenszuwachs: "55,7 Prozent der Deutschen vertrauen der Presse - gemeint sind Radio, TV und Printmedien - , nur 38,8 Prozent misstrauen ihr", zitiert die BR-Meldung aus der Pressemitteilung, die öffentlich noch nicht via Netz zugänglich ist. Wobei angemerkt sein soll, dass "nur" mit knapp 39 Prozent einen relativ hohen Anteil beschreibt.

Aber der Vergleich macht's: In der Auswertungsstudie für das Jahr 2015 misstrauten 49 Prozent den Medien. Seit dem Jahr 2000 würde das Eurobarometer danach, der oben genannte Wert von 55,7 Prozent, die der "Presse" vertrauen, sei seither noch nicht erreicht worden. Gegenüber dem Vorjahr sei dies eine Steigerung von 10 Prozent, notiert die Pressemitteilung der Universität Würzburg.

Am besten schneidet das Radio ab. 67,8 Prozent der Menschen in Deutschland würden diesem Medium vertrauen. Die Steigerung gegenüber dem Vorjahr liege bei 7 Prozentpunkten. Das Fernsehen hat 6 Prozentpunkte hinzugewonnen. 2016 vertrauten "dem Fernsehen" 60,5 Prozent. Wie die Werte bei den Printmedien aussehen, wird als einzelne Größe leider nicht aufgeführt.

Ohnehin sind die Prozentzahlen an pauschalen Größen, die keine wirklichen Konturen haben, festgemacht. Man wüsste gerne, ob die öffentlich-rechtlichen Sender an Vertrauen gewonnen haben oder sind es private? Wie sieht es bei den Printmedien aus, wird nach online-Medien gar nicht gefragt? Gibt es Unterschiede?

Zu hoffen ist, dass demnächst ausführlichere, detaillierte Ergebnisse veröffentlicht werden. Das Vertrauen oder das Misstrauen in die Berichterstattung ist, wie man an den vielen Diskussionsforen nicht nur bei Telepolis sehen kann, sondern auch bei anderen Medien, eine Frage von großer politischer Relevanz. Unübersehbar ist das auch an der fake-news-Debatte und den staatlichen Bestrebungen, dagegen mit Ideen eines Wahrheitsministeriums und zensurähnlichen Gegenmaßnahmen vorzugehen.

Die Altersgruppen und das rechte Spektrum

Die Pressemitteilung hat demgegenüber vor allem Trends im Blick, die nur gelegentlich ein kleines Stück festeren Bodens zum Vergleich mitliefern. So zum Beispiel bei der Aufschlüsselung der Altersgruppen. Stellte die Vorgängeruntersuchung der Daten des Eurobarometers noch fest, dass "keine andere Altersgruppe der Presse so stark misstraue", wie die Personen in der Altersgruppe zwischen 25 und 34 Jahre, so gibt es jetzt einen anderen Befund:

Das Medienvertrauen wuchs im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr in fast allen Alters-gruppen an. Auch in der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen konnte die Presse einen Vertrauenszuwachs verzeichnen: um zehn Prozent auf 50 Prozent bei den 25- bis 34-Jährigen. In dieser Gruppe war das Medienvertrauen im Vorjahr stark zurückgegangen. Am stärksten wuchs das Medienvertrauen bei den älteren Menschen über 75 Jahre. Hier steigerte sich das Vertrauen in die Presse um 20 Prozentpunkte auf 66 Prozent.

Pressemitteilung der Universität Würzburg

Getoppt wird die beruhigende Botschaft für die angegriffenen Medien noch von weiteren Resultaten der Sekundärdaten des Eurobarometers1: So meldet die Analyse des Jahres 2016:

Überraschend ist, dass das Medienvertrauen besonders bei Menschen an den Rändern des politischen Spektrums in Deutschland zugenommen hat. Besonders stark war der Zuwachs im rechten Spektrum: 51 Prozent der Menschen, die sich selbst auf der rechten Seite des politischen Spektrums eingeordnet haben, vertrauen der Presse. Das sind 18 Prozentpunkte mehr als noch im Vorjahr. Auch Fernsehen und Radio konnten im rechten Teil des politischen Spektrums in hohem Maße Vertrauen zurückgewinnen.

Pressemitteilung der Universität Würzburg

Laut mitgeteilten Zahlen betrug hier der Vertrauenszuwachs ins Fernsehen 12 Prozentpunkte. 56 Prozent haben Vertrauen ins "Fernsehen", in welche Sender oder Sendungen genau wird nicht bekanntgegeben. Beim "Radio" gibt es einen Vertrauenszuwachs um 13 Prozentpunkte auf 62 Prozent der Menschen "im rechten Spektrum". Wie dieses genau ermittelt wird, geht ebenso nicht hervor.

Interpretationen

In der Pressemitteilung wird dafür eine Interpretation mitgeliefert. Demnach sei es den Medien "offenbar zuletzt immer besser "gelungen, "dem von rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen vertretenen Eindruck entgegenzutreten, ihre Berichterstattung sei politisch gefärbt und von oben gesteuert".

Der für die Auswertung verantwortliche Professor Kim Otto wird mit einer Erklärung zitiert, wonach die öffentliche Diskussion über die Berichterstattung, ihre Bedeutung und die Rolle der Medien deren Relevanz und das in sie gesetzte Vertrauen gesteigert habe. Auch die Art, wie in anderen Ländern Pressefreiheit gehandhabt wird, nimmt er als Bezugsgrößen für das neuerlangte Vertrauen:

Die Diskussionen über Fake-News und die Einschränkungen der Pressefreiheit in der Türkei haben sicherlich auch einen Anteil daran, dass die Menschen in Deutschland Presse und Rundfunk stärker wertschätzen.

Kim Otto

Das ist einige Nachfragen wert.