468 Arzneimittel aktuell in Deutschland nicht lieferbar
Bei 468 Medikamenten herrscht in Deutschland akute Knappheit. Noch immer kommen 70 Prozent der Wirkstoffe aus China. Doch nun steht ein radikaler Plan im Raum.
Ob Antibiotika, Diabetes-, Krebs- oder Herzmedikamente: Viele lebenswichtige Arzneimittel sind momentan nicht selbstverständlich verfügbar. Apotheken schlagen Alarm – und in der Lieferengpass-Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind aktuell 468 Arzneimittel aufgelistet.
Über die Gründe solcher Mangelsituationen wird bereits seit der Corona-Krise diskutiert. Ein wesentlicher Grund: Deutsche Pharma-Unternehmen haben teils Jahre oder Jahrzehnte zuvor ihre Produktion in großem Stil in ferne Niedriglohnländer mit weniger Umwelt-Auflagen verlegt. Nicht zuletzt ins aufstrebende China.
Rund 70 Prozent Medikamente mit Wirkstoffen aus China
Zu Beginn dieses Jahrzehnts wurden rund 40 Prozent der weltweit produzierten Medikamenten-Wirkstoffe in der Volksrepublik hergestellt, wie das Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Daxue Consulting mitteilte. Rund 70 Prozent aller in Europa und Japan produzierten Medikamente enthielten demnach Wirkstoffe aus China.
Eine echte Trendwende ist trotz der schlechten Erfahrungen und geopolitischen Spannungen bisher nicht in Sicht: Auch das letzte Werk für die Produktion des Schmerzmittels Novalgin in Europa wird geschlossen. Wie die Frankfurter Rundschau am 21. Juni berichtete, soll 2025 nach mehr als 100 Jahren die Herstellung des Medikaments in Frankfurt-Höchst beendet und nach China verlagert werden.
Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen
Versuche, diese Abhängigkeit in Deutschland zu reduzieren, gingen bisher nur langsam voran. Noch-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) räumt diese Abhängigkeit bis heute ein. Das von ihm auf den Weg gebrachte Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz ist bereits im Juli 2023 in Kraft getreten, zeigt aber nur langsam und mäßig Wirkung.
Es umfasst unter anderem die Pflicht, bei Ausschreibungen für Antibiotika Firmen mit Wirkstoffproduktion in der EU zu berücksichtigen. Außerdem wurde das Frühwarnsystem gestärkt, indem das BfArM zusätzliche Informationsrechte erhielt. Um kurzfristige Störungen der Lieferkette auszugleichen, wurde außerdem eine Pflicht zur mehrmonatigen Lagerung rabattierter Medikamente auf Vorrat eingeführt.
Medizinforschungsgesetz soll Entwicklung beschleunigen
Ein Medizinforschungsgesetz aus Lauterbachs Ressort wurde bereits vom Ampel-Kabinett gebilligt und im Bundestag beschlossen. Im September passierte es auch den Bundesrat, 2025 soll es vollständig in Kraft treten.
Das Gesetz soll die Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln in Deutschland erleichtern, indem klinische Prüfungen vereinfacht und Zulassungsverfahren beschleunigt werden. Dazu soll auch eine bundesweite Ethikkommission eingerichtet werden.
Lauterbach setzte auf Anreize, Linke macht radikalen Vorschlag
Versichert wurde in diesem Zusammenhang, dass hohe Sicherheitsstandards erhalten blieben. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Hersteller, die nachweislich in Deutschland forschen und entwickeln, von Zusatzrabatten und Preisdeckeln befreit werden. Dafür soll mindestens ein fünfprozentiger deutscher Anteil an internationalen Studienprogrammen nachgewiesen werden.
Ob das vorzeitige Aus der Ampel-Koalition spürbare Auswirkungen auf die Umsetzung der beschlossenen Gesetze und die weitere Gesetzgebung haben wird, ist noch unklar.
Während Lauterbach auf Anreize für die Pharmaindustrie gesetzt hat, schlug die Bundestagsgruppe Die Linke im vergangenen Jahr radikalere Maßnahmen gegen Lieferengpässe vor: Die Arzneimittelproduktion gehöre in die öffentliche Hand, erklärte die damalige Parteichefin Janine Wissler im Herbst 2023, als Lauterbach der Bevölkerung davon abgeraten hatte, Medikamente zu horten.
Der Wiedereinzug der Linken in den Bundestag ist allerdings nicht sicher. Stärkste Kraft in den Umfragen sind aktuell die Unionsparteien, für die der Vorschlag indiskutabel bleiben dürfte.
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