Gefährlicher Schlaf: Wie Melatonin zum Risiko wird
Melatonin gilt als harmlose Einschlafhilfe. Millionen Menschen nehmen das Hormon als Nahrungsergänzung. Doch die vermeintlich sanfte Lösung birgt Risiken.
Menschen mit Schlafproblemen greifen häufig zu Nahrungsergänzungsmitteln mit Melatonin, die in Drogerien, Supermärkten und Online-Shops angeboten werden. Doch Melatonin ist laut Britta Nagl, Ernährungswissenschaftlerin am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), keine "sanfte Einschlafhilfe". Die Expertin widerspricht damit ausdrücklich der Bewerbung auf vielen Verpackungen entsprechender Produkte.
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Im Podcast "Risiko" des BfR erklärt Nagl, dass sich in Arzneimittelstudien immer wieder unerwünschte Wirkungen von Melatonin zeigten – vor allem am Folgetag. Sie bestätiht damit Experten, die schon länger warnen: Müdigkeit, Kopfschmerzen und eine verminderte Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit. Das muss man beachten, wenn man etwa Maschinen bedient oder Auto fährt.
Endlich durchschlafen: Was Melatonin kann – aber nicht immer
Melatonin beeinflusst als Hormon maßgeblich den Schlaf-Wach-Rhythmus und wird daher auch in verschreibungspflichtigen Medikamenten bei bestimmten Schlafstörungen eingesetzt. "Melatonin als Wirkstoff verkürzt die Einschlafzeit und verlängert die Durchschlafzeit", allerdings nur unmerklich, sagt Nagl. Theoretisch – denn in der Praxis funktioniert das aber nicht immer wie erhofft.
Gefährliche Wechselwirkungen mit Medikamenten
Auch Wechselwirkungen mit Medikamenten wie Antibiotika, Antidepressiva und Östrogenen wurden beobachtet. Problematisch ist auch, dass frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel teilweise deutlich höhere Mengen an Melatonin enthalten als verschreibungspflichtige Arzneimittel, was den körpereigenen Hormonhaushalt und den Schlaf-Wach-Rhythmus stören kann.
Empfehlung: Schlafhormon nur nach ärztlichem Rat
Insgesamt rät das BfR, bei Schlafstörungen zunächst ärztlichen Rat einzuholen, statt unkontrolliert Melatoninprodukte einzunehmen. Insbesondere Kinder, Jugendliche, Schwangere, Stillende und Menschen mit Vorerkrankungen sollten darauf verzichten.
Häufige Ursachen für Einschlafprobleme sind nach Expertenmeinung Stress und psychische Belastungen wie Sorgen und Grübeln, ein unregelmäßiger Schlafrhythmus (etwa durch Schichtarbeit), äußere Störfaktoren wie Lärm, Licht oder falsche Raumtemperatur, abendlicher Konsum von Drogen sowie körperliche Beschwerden wie Schmerzen oder Schlafapnoe.
Ideale Behandlung von Schlafproblemen ist individuell
Unbehandelte Schlafstörungen können langfristig zu Folgen wie Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit bis hin zu gesundheitlichen Problemen führen. Eine Behandlung sollte die individuellen Ursachen berücksichtigen und kann Maßnahmen wie Stressreduktion, Schlafhygiene, kognitive Verhaltenstherapie oder in bestimmten Fällen auch Medikamente umfassen.
Werbung suggeriert eine sanfte und verträgliche Wirkung, da Melatonin ein vom Körper selbst produziertes Hormon ist. Doch Experten warnen vor unkontrollierter Einnahme. Dr. Britta Nagl, Ernährungswissenschaftlerin beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), betont, dass Melatonin ein Hormon sei, das viele Körperfunktionen beeinflussen könne.
Melatonin steuert maßgeblich den Schlaf-Wach-Rhythmus, indem es dem Körper signalisiert, wann es Zeit zum Schlafen ist. Die Wirkung wird durch die Zirbeldrüse im Gehirn reguliert, die Melatonin in den Blutkreislauf abgibt. Dennoch können Melatoninpräparate unerwünschte Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen und verringerte Aufmerksamkeit verursachen. Besonders bedenklich ist die potenzielle Beeinträchtigung des Blutzuckerspiegels, was insbesondere Menschen mit einem Risiko für Typ-2-Diabetes betrifft.
Der Unterschied zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten ist bedeutend: Während Medikamente strenge Zulassungsverfahren durchlaufen, unterliegen Nahrungsergänzungsmittel lediglich einer Anzeigepflicht beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Eine einheitliche Dosierung für Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel ist nicht vorgeschrieben, was zu Schwankungen in der Konzentration führen kann:
Die Dosis schwankt so zwischen 0,5 Milligramm bis 3 Milligramm. In verschreibungspflichtigen Medikamenten liegt sie bei zwei Milligramm. Und im Onlinehandel finde ich auch Produkte bis zu zehn Milligramm, die verkauft werden. Und damit ist die Konzentration höher.
Britta Nagl im BfR-Podcast
Nagl rät, bei Schlafstörungen ärztlichen Rat einzuholen und auf eine unkontrollierte Einnahme von Melatonin zu verzichten. Besonders Kinder, Schwangere und Menschen mit Vorerkrankungen sollten vorsichtig sein. Derzeit wird geprüft, ob Melatoninprodukte weiterhin als Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden dürfen.
Redaktionelle Anmerkung: In einer früheren Version waren der Expertin Nagl falsche Zitate zugeschrieben worden. Wir haben diese Stellen überprüft und korrigiert.