Gefährlicher Schlaf: Wie Melatonin zum Risiko wird

Symbolbild: Schlafende Person unter einer Decke, nur Füße sichtbar

Schneller einschlafen und öfter durchschlafen: Nach vielen unruhigen Nächten kann dieser Wunsch unvorsichtig machen. Symbolbild: Pixabay Licence

Melatonin gilt als harmlose Einschlafhilfe. Millionen Menschen nehmen das Hormon als Nahrungsergänzung. Doch die vermeintlich sanfte Lösung birgt Risiken.

Menschen mit Schlafproblemen greifen häufig zu Nahrungsergänzungsmitteln mit Melatonin, die in Drogerien, Supermärkten und Online-Shops angeboten werden. Doch Melatonin ist laut Britta Nagl, Ernährungswissenschaftlerin am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), keine "sanfte Einschlafhilfe". Die Expertin widerspricht damit ausdrücklich der Bewerbung auf vielen Verpackungen entsprechender Produkte.

Im Podcast "Risiko" des BfR erklärt Nagl, dass sich in Arzneimittelstudien immer wieder unerwünschte Wirkungen von Melatonin zeigten – vor allem am Folgetag: "Müdigkeit, Kopfschmerzen und eine verminderte Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit. Das muss man beachten, wenn man etwa Maschinen bedient oder Auto fährt."

Endlich durchschlafen: Was Melatonin kann – aber nicht immer

Melatonin beeinflusst als Hormon maßgeblich den Schlaf-Wach-Rhythmus und wird daher auch in verschreibungspflichtigen Medikamenten bei bestimmten Schlafstörungen eingesetzt. "Melatonin als Wirkstoff verkürzt die Einschlafzeit und verlängert die Durchschlafzeit", sagt Nagl. Theoretisch – denn in der Praxis funktioniert das aber nicht immer wie erhofft.

Gefährliche Wechselwirkungen mit Medikamenten

Auch Wechselwirkungen mit Medikamenten wie Antibiotika, Antidepressiva und Östrogenen wurden beobachtet. Problematisch ist auch, dass frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel teilweise deutlich höhere Mengen an Melatonin enthalten als verschreibungspflichtige Arzneimittel, was den körpereigenen Hormonhaushalt und den Schlaf-Wach-Rhythmus stören kann.

Empfehlung: Schlafhormon nur nach ärztlichem Rat

Insgesamt rät das BfR, bei Schlafstörungen zunächst ärztlichen Rat einzuholen, statt unkontrolliert Melatoninprodukte einzunehmen. Insbesondere Kinder, Jugendliche, Schwangere, Stillende und Menschen mit Vorerkrankungen sollten darauf verzichten.

Häufige Ursachen für Einschlafprobleme sind nach Expertenmeinung Stress und psychische Belastungen wie Sorgen und Grübeln, ein unregelmäßiger Schlafrhythmus (etwa durch Schichtarbeit), äußere Störfaktoren wie Lärm, Licht oder falsche Raumtemperatur, abendlicher Konsum von Drogen sowie körperliche Beschwerden wie Schmerzen oder Schlafapnoe.

Ideale Behandlung von Schlafproblemen ist individuell

Unbehandelte Schlafstörungen können langfristig zu Folgen wie Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit bis hin zu gesundheitlichen Problemen führen. Eine Behandlung sollte die individuellen Ursachen berücksichtigen und kann Maßnahmen wie Stressreduktion, Schlafhygiene, kognitive Verhaltenstherapie oder in bestimmten Fällen auch Medikamente umfassen.

Nagl betont, dass die Einnahme von Melatonin in Nahrungsergänzungsmitteln ohne ärztliche Beratung nicht empfehlenswert ist: "Viele Menschen unterschätzen die Risiken und Nebenwirkungen von Melatonin. Sie denken, weil es frei verkäuflich ist, sei es harmlos. Das ist aber ein Trugschluss."

Stattdessen rät die Expertin, bei anhaltenden Schlafproblemen zunächst die Schlafgewohnheiten und den Lebensstil zu überprüfen. Oft helfen schon einfache Maßnahmen wie regelmäßige Schlafenszeiten, eine ruhige Schlafumgebung, Entspannungsübungen oder der Verzicht auf Bildschirmgeräte vor dem Schlafengehen.

Psychotherapie manchmal sinnvoller als Medikamente

"Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, sollte man unbedingt einen Arzt aufsuchen", sagt Nagl. "Nur so können die Ursachen der Schlafstörungen abgeklärt und gezielt behandelt werden." In manchen Fällen können auch psychotherapeutische Verfahren oder vorübergehend Medikamente sinnvoll sein – allerdings immer unter ärztlicher Aufsicht.

Das BfR warnt auch vor dem unkontrollierten Kauf von Melatoninprodukten im Internet. "Online werden teilweise Präparate mit extrem hohen Dosierungen angeboten, die in Deutschland nicht zugelassen sind", erklärt Nagl. "Hier besteht die Gefahr einer Überdosierung mit unabsehbaren Folgen." Insgesamt zeigt sich: Melatonin ist keine Wunderwaffe gegen Schlafprobleme und sollte nur nach Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden.

Wer auf eigene Faust zu Nahrungsergänzungsmitteln greift, riskiert unerwünschte Nebenwirkungen und verschleiert möglicherweise ernsthafte Ursachen der Schlafstörung. Der beste Weg zu einem erholsamen Schlaf führt oft über eine Änderung der Schlafgewohnheiten und des Lebensstils – und gegebenenfalls über ärztlichen Rat.