Megatrend China: Staudammbau

Auch weiterhin hohes Tempo bei der Bändigung des Jangtse

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Die Konstruktion der 2309 Meter langen und 185 Meter hohen Staumauer des Drei-Schluchten-Staudamms ist gerade beendet, doch das gesamte Ausmaß dieser gigantischen Baumassnahme wird sich erst in einiger Zeit offenbaren. Aber schon stehen neue, nicht minder umstrittene Projekte auf der Tagesordnung - wie zum Beispiel ein Staudamm weiter stromaufwärts, in der Tigersprung-Schlucht.

Drei-Schluchten-Staudamm. Foto: China.org.cn

Ende Mai wurde die Hauptstaumauer des offiziell ca. 25 Milliarden US-Dollar teuren Drei-Schluchten-Staudamm-Projekts am Jangtsekiang fertig gestellt - neun Monate vor der Frist. Am 6. Juni wurde ein vor Ort verbliebener Kofferdamm gesprengt - nun strömt das Wasser ungehindert in das größte Wasserkraftwerk der Welt.. Im Juni 2003 begann das Anstauen des 660 Kilometer langen Reservoirs; in diesem Jahr wird der Wasserspiegel von 135 auf 156 Meter Höhe ansteigen.

Bei vollständiger Füllung sollen es dann 174 Meter sein, obwohl die Fachleute aufgrund der einsetzenden Versandung und der unregelmäßigen Geografie des Geländes noch nicht vorhersagen können, wie hoch das Wasser am Ende wirklich steigen wird. Während der jährlichen Hochwassersaison im Sommer wird der Wasserspiegel aus Sicherheitsgründen auf 145 Meter abgesenkt. Die Installation aller 26 Generatoren will man 2009 abgeschlossen haben; dann soll der Damm jährlich 84.7 Milliarden Kilowattstunden liefern.

Der 1993 begonnene Bau war aufgrund seiner hohen Kosten (inoffizielle Schätzungen belaufen sich auf 100 Milliarden US-Dollar) und der befürchteten negativen Auswirkungen auf Umwelt und Bevölkerung von Protesten begleitet. Mittlerweile ist der Staudamm selbst zur nationalen Touristenattraktion geworden - zu den traditionellen Maifeierlichkeiten kamen geschätzte 100.000 Chinesen, um das Bauwerk in Augenschein zu nehmen.

In diesem Jahr sollen mindestens weitere 80.000 Menschen aus denen von der Flutung betroffenen Gebieten evakuiert werden. Damit gehen bisher mindestens ca. 1,3 Millionen umgesiedelte Personen auf das Konto des weltgrößten hydroelektrischen Bauvorhabens. Beim Großteil der Betroffenen handelt es sich um Bauern, die in neuen Dörfern entlang des Stausees angesiedelt werden sollen.

Rund 45 % des Gesamtbudgets sollen für Umsiedlungen und Entschädigungen aufgewendet worden sein, doch ob das Geld tatsächlich vor Ort ankam, bleibt vielfach ungewiss. Im Dezember 2003 wurde Huang Faxiang, der ehemalige Leiter des Städtebaus im Stausee-Gebiet, hingerichtet - wegen Veruntreuung von umgerechnet rund 1.2 Millionen Euro, die für Umsiedlungsmaßnahmen bestimmt waren. Dass China hart gegen Kritiker vorgeht, musste der Bauer und Umweltaktivist Fu Xiancai erfahren. Er hatte in einem Interview für einen Tagesthemen-Bericht über den Drei-Schluchten-Damm im Mai kritisiert, dass er die versprochene Entschädigung für die Umsiedlung nie bekommen habe. Bald danach wurde er von Unbekannten zusammengeschlagen und schwer verletzt.

Doch der Drei-Schluchten-Staudamm ist nur ein Teil der chinesischen Wasserkraft-Anstrengungen - er allein wird die Energieprobleme des Landes nicht lösen. Ein weiteres Großprojekt wird 1.500 Kilometer weiter stromauf anvisiert: in einer der tiefsten und szenisch schönsten Schluchten der Welt, der Tigersprung-Schlucht in der Provinz Yunnan. (Der Sage nach soll ein Tiger durch einen Sprung an der engsten Stelle der Schlucht auf die andere, 30 Meter entfernte Seite seinen Jägern entkommen sein - allerdings wurden seit den 1950er Jahren in der Nähe der Schlucht keine Tiger mehr gesichtet). Ingenieure sehen dieses Projekt als entscheidend für den Erfolg des Drei-Schluchten-Staudamms an, denn dieser hat, verglichen mit der enormen Wasserführung des Flusses an dieser Stelle, ein nur relativ bescheidenes Staureservoir.

Hier ist die Errichtung eines neuen Staudamms in der Tigersprung-Schlucht geplant. Foto: Chinadaily.cn

Insgesamt sollen stromaufwärts des Drei-Schluchten-Staudamms 12 weitere Staustufen entstehen - am geplanten Staudamm an der Tigersprung-Schlucht soll das mit einer Ausdehnung von 200 Kilometern dabei größte Staureservoir gebildet werden. Der Bau der 280 Meter hohen Staumauer könnte schon 2008 beginnen. Der Hauptzweck: die drohende Versandung des Drei-Schluchten-Stausees soll durch vorgelagerte Staustufen verlangsamt werden. Außerdem soll Wasser aus der Tigersprung-Schlucht in den stark verschmutzten Dian Chi-See nahe Kunming umgeleitet werden, um den Durst der Provinzhauptstadt zu lindern.

Dabei ist die ca. 16 Kilometer lange Schlucht mehr als nur ein Touristenmagnet. Die Schutzzonen im Nationalpark der "Drei parallel verlaufenden Flüsse" gehören zum UNESCO-Welterbe. Ethnische Minderheiten wie die Naxi, die noch eine Piktogramm-Schrift (Dongba) nutzen, bebauen hier seit Jahrhunderten den fruchtbaren Uferbereich und die Steilhänge, die Gegend ist berühmt für ihren botanischen Artenreichtum. Wird der Damm gebaut, wird eine Umsiedlung von bis zu 100.000 Anliegern in nördlichere Gefilde in Tibet und das Verschwinden von 200 Tier- und Pflanzenarten erwartet. Die damit verbundenen Sorgen und Ängste der betroffenen Bevölkerung gehören allerdings nicht zu den primären Hauptanliegen der Huaneng-Gruppe, dem größten unabhängigen Energieerzeuger des Landes, die vom Sohn des früheren Premierministers Li Peng, Li Xiaopeng, geführt wird. Weitere Befürchtungen gelten dem geplanten Baustandort selbst: Er befindet sich inmitten einer seismisch aktiven Zone.

Noch stehen amtliche Entscheidungen zum geplanten Projekt aus, aber Teile der Einheimischen warten nicht erst auf deren Ausgang. Einige Bauern an der Tigersprung-Schlucht haben begonnen, ihre Häuser zu vergrößern - bei einer positiven Entscheidung über das Bauvorhaben sollen sie pro Quadratmeter Behausung 100 Yuan Entschädigung erhalten (umgerechnet etwa zehn Euro). Weiter stromauf haben sich Bauern geweigert, den Voraustrupps von Ingenieuren Zutritt zum Gebiet zu gewähren und vorbereitende Arbeiten behindert. Unterdessen hat Bai Enpei, Sekretär des Parteikomitees der Provinz Yunnan, den Ausbau der Wasserkraft in der Provinz als ökologisch unbedenklich erklärt.