Mehr Geheimhaltung

Eine neue Anordnung von US-Präsident Bush verzögert und erschwert die automatische Freigabe von Dokumenten, die von der Clinton-Regierung vorgesehen wurde

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Die 90er Jahre nach Desert Storm und der darauf folgenden Wahlniederlage der konservativen Bush-Regierung waren auch die Epoche des Internet. Die Visionen der globalen und freien Informations- und Kommunikationsflüsse ließen Hoffnungen auf größere Transparenz durch möglichst uneingeschränkten Zugang zur Information entstehen. Die Clinton-Regierung ging einige wesentliche Schritte in diese Richtung und hat etwa den Freedom for Information Act (FOIA), der den Zugang zu staatlichen Dokumenten regelt, noch einmal erweitert. Die Bush-Regierung setzt wieder mehr auf Geheimnis und nimmt nun die von Clinton angeordnete automatische Freigabe geheimer Dokumente, die älter als 25 Jahre sind, teilweise zurück.

Schon kurz nach dem 11.9. 2001 und dem ausgerufenen Krieg gegen den Terrorismus sah man in der Bush-Regierung die Chance oder die Notwendigkeit, die der Öffentlichkeit zugänglichen Informationen - vor allem auch im Internet - einzuschränken. Innenminister Ashcroft ordnete in einem Memo alle Behörden an, FOIA-Anträge, die möglicherweise sensible Informationen betreffen, hinauszuzögern. Die Webseiten der Behörden und Ministerien wurden überprüft.

Präsident Bush erließ im November 2001 eine Anordnung, die es ihm und den früheren Präsidenten bzw. Vizepräsidenten erlaubt, an sich nach dem Ablauf von 12 Jahren zur Freigabe vorgesehene Dokumente weiterhin für die Veröffentlichung zu sperren (Verdächtige Geheimniskrämerei). Insbesondere ermöglicht die Anordnung dem im Amt befindlichen Präsidenten auch dann Dokumente eines früheren Präsidenten oder Vizepräsidenten zurückzuhalten, wenn dieser selbst nichts gegen eine Veröffentlichung einzuwenden hat. Grund dieser Anordnung waren Dokumente aus der Präsidentschaft Ronald Reagans.

Gestern hat Präsident Bush eine weitere Anordnung unterzeichnet, die eine Freigabe von zahlreichen Dokumenten um drei Jahre verzögert, um sie erneut zu überprüfen. Sie ermöglicht es aber auch, bereits freigegebene Dokumente erneut als geheim einzustufen. Damit nahm Bush eine Anordnung von Clinton aus dem Jahr 1995 teilweise zurück, nach der automatisch am 17 April Millionen von als geheim eingestuften Dokumente,n die die nationale Sicherheit betreffen und älter als 25 Jahre sind, freigegeben werden sollen, wenn nicht schwerwiegende Bedenken dagegen vorliegen.

In der Anordnung von Clinton wird zwar betont, dass manche Dokumente geheim bleiben müssen, aber dass unter den gegenwärtigen politischen Umständen nun die Zeit einer größeren Offenheit gekommen sei. Die Demokratie erfordere, dass die Bürger auf staatliche Informationen zugreifen dürfen: "Der Fortschritt unserer Nation hängt vom freien Informationsfluss ab." In der nun von Bush überarbeiteten Version wird denn auch gleich die neue Haltung deutlich. Die meisten Formulierungen werden zwar weitgehend übernommen, doch am Schluss steht nicht mehr die "Verpflichtung zu einer offenen Regierung", sondern der Satz: "Der Schutz von Informationen, die für unsere Nation wichtig sind, ist eine Priorität."

Als geheim klassifiziert werden können Dokumente, die militärische Pläne oder Waffen, Geheimdienstaktivitäten- oder -methoden, außenpolitische Informationen, wissenschaftliche, technische oder ökonomische Dinge sowie Verletzlichkeiten oder Kapazitäten von Systemen, Plänen etc., die mit der nationalen Sicherheit zusammen hängen, oder die Massenvernichtungswaffen betreffen. Der CIA werden überdies besondere Möglichkeiten gewährt, Dokumente nicht veröffentlichen zu müssen. Thomas Blanton vom National Security Archive kritisiert insbesondere die Klassifizierung von Informationen, die von anderen Regierungen kommen. Das würde "uns auf die Offenheitsnormen von Usbekistan herunterbringen".

In der Anordnung werden zwar Vorkehrungen von Clinton übernommen, dass beispielsweise keine Dokumente als geheim eingestuft werden dürfen, um eine Gesetzesübertretung oder Irrtümer von Behörden zu vertuschen. Gleichwohl ist die Streichung des zentralen Satzes von Clinton ein Hinweis, dass es um Rücknahme von Offenheit geht: "Wenn es einen wichtigen Zweifel an der Notwendigkeit gibt, Informationen geheim zu halten, dann sollen diese nicht klassifiziert werden." Clinton hatte mit diesem Satz eine Anordnung von Reagan verändert, der bei Zweifel eine Geheimhaltung forderte. In diese Richtung geht nun auch wieder US-Präsident Bush, selbst wenn die automatische Freigabe mit den erwähnten Einschränkungen beibehalten, aber erst einmal auf 2006 verschoben wird, um die Dokumente zu überprüfen.