Menschenmaterial für den deutschen Arbeitsmarkt

Seite 2: Handlungsfeld 2: "Gezielte Weiterbildung"

Warum es die braucht, gibt die Regierung kund:

Die Digitalisierung, der Klimawandel und der demografische Wandel verändern den Arbeitsmarkt maßgeblich. In Zukunft wird der Bedarf an beruflicher Umorientierung und an Job- und Branchenwechsel weiter steigen.

BMAS 1

Digitalisierung und Klimawandel erscheinen in der Darstellung des Ministeriums als schicksalhafte Ereignisse. Dabei steht Digitalisierung für eine umfassende Rationalisierung in Betrieben und Verwaltungen, die viele Arbeitsplätze überflüssig machen wird. Das hat dann die Folge, dass diejenigen, die es trifft, mit dem Arbeitsplatz nicht nur ihre Einkommensquelle verlieren, sondern dass über sie ein Negativurteil gefällt wird: Sie zählen zum Kontingent der Unbrauchbaren, weil ihre Qualifikation nicht mehr gefragt ist.

Der Klimawandel ist auch nicht vom Himmel gefallen, sondern das Ergebnis einer jahrhundertelangen Industriepolitik, die es dem Kapital erlaubt hat, die Umwelt großzügig zur Entsorgung seiner Abgase und Abfälle zu benutzen. Umgesteuert wird nun von der Politik – aber nicht bei der weiteren Expansion der Produktion, sondern im Hinblick auf Energiepolitik. Sie soll Deutschland unabhängig machen von Energielieferungen aus anderen Staaten, diese umgekehrt in eine Abhängigkeit von deutscher Technologieführerschaft bringen.

Die als Transformation bezeichnete Veränderung der Energiepolitik macht ebenfalls viele Arbeitsplätze unsicher und Menschen letztendlich arbeitslos. Auf sie kommt ein Zwang zu, der von der Regierung als deren persönlicher Bedarf gefasst wird – nämlich als Notwendigkeit, sich beruflich umzuorientieren und eine neuen Job zu suchen, womöglich in einer anderen Branche mit ganz anderen Qualifikationsanforderungen:

Der Strukturwandel wird sich auf Branchen und Regionen unterschiedlich auswirken. In vielen Bereichen des verarbeitenden Gewerbes ist mit erheblichem Anpassungsbedarf zu rechnen, ebenso in energieintensiven Industrien sowie in den weiteren klimapolitisch zentralen Transformationsfeldern Energiewirtschaft, Bau- und Automobilwirtschaft.

Eine zentrale Herausforderung in diesen Transformationsprozessen besteht darin, Arbeitskräfte in den betroffenen Branchen und Regionen beim Übergang in neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu unterstützen und durch den Strukturwandel bedingte Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Zugleich besteht ein Ziel darin, Fachkräfte in den Unternehmen zu halten und dort für neue Aufgaben weiter zu qualifizieren.

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung – Das Arbeit-von-Morgen-Gesetz, Bundestags-Drucksache 19/17740

Die unterschiedlichen Rationalisierungsbemühungen der Wirtschaft, um ihren – hier als Strukturwandel beschriebenen – Erfolg auf dem Weltmarkt zu sichern, werden massenhaft Leute auf die Straße setzen; da ist sich die Regierung sicher und an diesem "Naturgesetz" will sie auch nichts ändern.

Dennoch sollen die Betreffenden nicht der Agentur für Arbeit dauerhaft zur Last fallen. Das Ideal ist, dass sie sich neu qualifizieren, bevor sie überhaupt arbeitslos geworden sind. Arbeitgeber sollen bereits die neuen Qualifikationen vorfinden, wenn sie entsprechend ihrer Kalkulation andere Arbeitskräfte benötigen.

Eine Sicherheit will die Regierung Arbeitnehmern allerdings nicht versprechen, wenn sie vom lebenslangen Lernen spricht. Die immer wieder aufgelegte bildungspolitische Parole bedeutet nämlich nichts anderes, als dass das Einkommen durch Arbeit per se eine unsichere Angelegenheit ist und bleibt, dass also die Betroffenen ständig gezwungen sind, ihre Verkäuflichkeit an sich (wieder-)herzustellen. An diesem Daseinskampf will und kann auch der hochgelobte deutsche Sozialstaat nichts ändern (vgl. Renate Dillmann und Arian Schiffer-Nasserie, "Der Soziale Staat").