Merkels Ex-Berater warnt: Zollkrieg mit China könnte nach hinten losgehen

Hongqi S9 – Supercar mit 1400 PS aus China. Bild: D.serra1/ Shutterstock.com

Handelsstreit zwischen EU und China eskaliert. Lars-Hendrik Röller plädiert gegen Zölle auf E-Autos. Kann der drohende Wirtschaftskrieg noch abwendet werden?

Unmittelbar vor der Einführung neuer Zölle der Europäischen Union auf chinesische Elektrofahrzeuge hat Lars-Hendrik Röller, ehemaliger Wirtschaftsberater von Angela Merkel, zu einer gütlichen Einigung aufgerufen. Die geplanten Zölle könnten chinesische E-Autos mit bis zu 35,3 Prozent belasten und für fünf Jahre bestehen bleiben.

Röller, der von 2011 bis 2022 Direktor für Wirtschafts- und Finanzpolitik im Kanzleramt war, plädierte für eine "gegenseitig vorteilhafte" Lösung, bevor die neuen Abgaben in Kraft treten, wie die in Hongkong erscheinende South China Morning Post berichtet.

Europäische Entscheidungsträger werfen Peking vor, den Markt durch Subventionen für große EV-Hersteller und dadurch bedingte Überkapazitäten zu verzerren. Dies führe zu einer Flut billigerer Modelle auf dem Markt. China weist diese Vorwürfe zurück.

Die 27 EU-Mitgliedstaaten stehen vor einer entscheidenden Abstimmung am Freitag über die zusätzlichen Pflichten. Röller, der auch Gründer und Vorsitzender des Berlin Global Dialogue ist, setzt auf Diplomatie und betont die Notwendigkeit von multilateralen Lösungen und Kooperation zur Problemlösung. "Lasst uns reden, die Probleme lösen und nicht eskalieren, denn am Ende verlieren wir alle", so Röller in einem Interview mit dem Handelsblatt. Sein Vorschlag:

Multilaterale Zusammenarbeit! Das ist auch die Idee, auf der der Berlin Global Dialogue aufsetzt: miteinander reden und versuchen, gemeinsame Ansätze zu finden. Denn viele globale Probleme, wie beispielsweise den Klimawandel, können wir nur gemeinsam lösen. Wenn wir hier die Zusammenarbeit aufgeben, verlieren alle Regionen der Welt. Klar ist jedoch auch: Der Multilateralismus wird sich ändern müssen. Nationale Sicherheitsfragen sind wichtiger geworden. Auch Europa und Deutschland müssen aufpassen, nicht in zu starke Abhängigkeiten zu geraten, sowohl ökonomisch als auch politisch.

Röller erinnerte an seine Zeit in der Regierung, als Bedenken hinsichtlich der Überkapazitäten im Zusammenhang mit China bereits seit "einigen Jahren" bestanden. Damals habe die G20 versucht, einen multilateralen Ansatz für Stahl zu finden. China habe in der Vergangenheit "einige Angebote" gemacht.

Die handelspolitischen Streitigkeiten zwischen China und der EU haben sich seit dem letzten Jahr verschärft, nachdem die EU eine Untersuchung zu Subventionen für bestimmte Hersteller eingeleitet hatte. Es kam zu einem Muster aus Aktion und Reaktion, wobei der Druck aus Peking zunahm, als die EU restriktive Maßnahmen ergriff.

Zwischen Juni und September startete China eine Anti-Dumping-Untersuchung mit Blick auf den Handel mit Schweinefleisch, verstärkte seine Prüfungen von europäischem Weinbrand und leitete eine eigene Anti-Subventionsuntersuchung in der Milchwirtschaft ein. Es gab aber auch friedfertige Signale. So bot die chinesische Regierung angestimmte Regulierungen für den Handel mit Elektroautos an.

In Bezug auf wiederholte Aufrufe der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, nach diplomatischem und wirtschaftlichem Risikoausgleich, meinte Röller an anderer Stelle, dass Sicherheits- und Abhängigkeitsprobleme behandelt werden sollten, aber "nationalistische Lösungen" vermieden werden müssten.

Neben der EU versucht auch die USA, den Zustrom chinesischer Elektroautos einzudämmen, mit angekündigten Zöllen von 100 Prozent im Mai. Auch Kanada folgte im August mit identischen EV-Steuern, die am 1. Oktober in Kraft traten, und 25-prozentigen Abgaben auf Chinas Aluminium und Stahl ab dem 15. Oktober.

Chinas Handelsminister Wang Wentao wird mit seiner US-amerikanischen Amtskollegin Gina Raimondo über US-Beschränkungen für Elektrofahrzeuge sprechen, so die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Ein Datum für die Unterredung wurde nicht genannt.

Mit Blick auf eine mögliche Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus nach der US-Präsidentschaftswahl im November mahnte Röller europäische Akteure nach Angaben der South China Morning Post, ihre "Hausaufgaben zu machen", um an den regionalen Herausforderungen zu arbeiten. "[Trump] wird Zölle erheben, wie er bereits gesagt hat. Und das ist keine gute Sache, für uns, für irgendjemanden."