Methan-Mysterium: Wie der Zusammenbruch der Sowjetunion die Emissionen beeinflusste
Post-UdSSR: Förderung von Erdgas ging zurück, aber mehr Methan gelangte in die Atmosphäre. Wissenschaftler haben Geheimnis gelüftet. Was lässt sich daraus lernen?
Der Zusammenbruch der Sowjetunion und der damit verbundene Zusammenbruch der Industrie in vielen Ländern des Ostblocks hat dazu beigetragen, dass die Emission von Treibhausgasen und die Umweltverschmutzung in diesen Ländern in den 1990er-Jahren massiv zurückgegangen sind. So lautet zumindest die gängige Erzählung.
Rückgang der Treibhausgasemissionen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion
In Europa trug diese Entwicklung maßgeblich dazu bei, dass die ersten internationalen Emissionsreduktionsziele des Kyoto-Protokolls von 1997 übertroffen werden konnten. Auch die Emissionen des äußerst potenten, wenn auch weniger langlebigen Treibhausgases Methan scheinen seit 1992 rückläufig zu sein. Zumindest wurde in diesem Jahr eine abrupte Verlangsamung des Anstiegs der Methankonzentration in der Atmosphäre festgestellt.
Nach Daten der NASA stieg die Methankonzentration von 1991 bis 1992 kaum noch an. Bis 2005 flacht die Kurve ab, danach steigt sie wieder deutlicher an. Dieses Phänomen wurde bisher mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Verbindung gebracht. Eine neue Studie der University of Washington unter Leitung des Atmosphärenforschers Alex Turner zeigt nun, dass zumindest in Turkmenistan das Gegenteil der Fall war.
Neue Studie hinterfragt Zusammenhang zwischen Zusammenbruch der Sowjetunion und Methanemissionen
"Bei Methan gibt es diese rätselhaften Trends, die wir nicht wirklich verstehen", sagt Turner. "Einer dieser Trends, der uns schon immer fasziniert hat, ist die Verlangsamung im Jahr 1992, als wir feststellten, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion überraschenderweise zu einem Anstieg der Methanemissionen führte."
Turner und seine Kollegen untersuchten anhand von Daten des NASA-Satelliten Landsat 5 aus den Jahren 1986 bis 2011 die Entwicklung von Methan-Emissionsfahnen über der ehemaligen Sowjetrepublik Turkmenistan. Dieses Gebiet wurde der Studie zufolge ausgewählt, weil wirtschaftliche Kennzahlen darauf hindeuteten, dass es für die Hälfte des Rückgangs der Emissionen aus der Öl- und Gasindustrie der ehemaligen UdSSR verantwortlich sein könnte.
776 Methanfahnen konnten in dem gewählten Zeitraum identifiziert werden, wobei sie nach 1991 an Größe und Häufigkeit zunahmen, so die Analyse. "Vor dem Zusammenbruch der UdSSR im Jahr 1991 beobachteten wir Methanfahnen in 0 bis 20 Prozent der Bilder mit klarem Himmel zwischen 1986 und 1991. Nach dem Zusammenbruch beobachteten wir Methanfahnen in 80 bis 100 Prozent der Bilder mit klarem Himmel zwischen 1992 und 1999", heißt es in der Studie.
Verstärkter Methanausstoß trotz sinkender Gasproduktion
Diese Beobachtungen korrelieren nicht mit der tatsächlichen Gasproduktion in dieser Zeit, denn diese ging zwischen 1992 und 1998 um 77 Prozent zurück. Die höchsten Emissionen konnten die Wissenschaftler für das Jahr 1994 nachweisen.
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"Das ist faszinierend, denn in diesem Jahr hat Russland Turkmenistan die Gaslieferungen durch seine Pipelines auf die europäischen Märkte verweigert. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Gasproduktion in Turkmenistan zwar noch recht hoch war, das Gas aber nicht verkauft werden konnte, sodass mehr Methan in die Atmosphäre gelangte", erklärt Turner.
Gesellschaftliche Umwälzungen als Ursache für erhöhte Methanemissionen
Insgesamt vermuten die Autoren, dass die gesellschaftlichen Umwälzungen dazu geführt haben, dass die Infrastruktur immer maroder wurde, Öl- und Gasquellen weniger überwacht wurden und durch den Rückgang der Exporte mehr Gas absichtlich oder unabsichtlich in die Umwelt entwich. Über die Ergebnisse der aktuellen Studie hinaus könnten ähnliche Trends auch in anderen ehemaligen Sowjetrepubliken zu beobachten sein, vermuten die Wissenschaftler.
Was die Studie nicht erklären kann, ist, warum die Methankonzentration in der Atmosphäre Anfang der 1990er-Jahre tatsächlich kaum zugenommen hat. Neben den anthropogenen Quellen, die laut NASA für rund 60 Prozent der Methanemissionen verantwortlich sind, spielen auch natürliche Quellen eine wichtige Rolle, vorwiegend Feuchtgebiete. Anthropogene Quellen sind fossile Energieträger, die Landwirtschaft und Mülldeponien.
Aktuelle Methanemissionsprobleme in der Gasförderung
Unnötig hohe Methanemissionen bei der Förderung und dem Transport von Erdgas sind bis heute ein Problem. So ergab eine Auswertung von Luftbildern der Gasförderstätten in den USA, dass die dortige Infrastruktur durchschnittlich 2,95 Prozent der Förderung als Methan in die Atmosphäre abgibt. Das sei etwa dreimal so viel wie von der US-Umweltbehörde EPA geschätzt, heißt es in der Studie, die im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht wurde. Die Schadenssumme beläuft sich auf 9,3 Milliarden US-Dollar.
Der größte Teil der Emissionen geht der Studie zufolge auf relativ wenige Quellen bei der Förderung oder entlang der Lieferkette zurück. So verursachen weniger als 2 Prozent der Bohrlöcher 50 bis 79 Prozent der Emissionen. Da die meisten Methanemissionen in der Luft nachweisbar sind, könnte ein regelmäßiges Monitoring dazu beitragen, die Emissionen einzudämmen – wenn die entsprechenden Lecks dann auch geschlossen werden.
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