Gericht stoppt Öl- und Gasprojekte in der Nordsee
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(Bild: Igor Hotinsky / Shutterstock.com)
Britisches Gericht kippt Genehmigung für zwei große Öl- und Gasfelder. Umweltgruppen feiern Erfolg. Doch was bedeutet das Urteil für die Zukunft der Projekte?
In einem wegweisenden Urteil hat ein schottisches Gericht die Genehmigung für zwei riesige Öl- und Gasfelder in der Nordsee aufgehoben. Das Gericht in Edinburgh entschied, dass die Entscheidung der britischen Regierung, grünes Licht für die Projekte Jackdaw und Rosebank zu geben, rechtswidrig war. Der Grund: Bei der Genehmigung wurden die Auswirkungen auf das Klima nicht ausreichend berücksichtigt.
Umweltgruppen feiern "historischen Sieg"
Geklagt hatten die Umweltorganisationen Greenpeace und Uplift. Sie argumentierten, dass bei der Bewilligung die sogenannten "Scope-3-Emissionen" ignoriert wurden. Damit sind die Treibhausgase gemeint, die bei der späteren Verbrennung des geförderten Erdöls und Erdgases entstehen.
Das Gericht folgte dieser Argumentation. "Das öffentliche Interesse an rechtmäßig handelnden Behörden und das Interesse der Öffentlichkeit am Klimawandel überwiegen das private Interesse der Entwickler", argumentierte Richter Andrew Stewart laut Reuters in dem schriftlichen Urteil.
Greenpeace feierte das Urteil als "historischen Sieg". Der Leiter der Kampagne von Greenpeace, Philip Evans, erklärte: "Die Zeiten, in denen Regierungen neue Bohrstellen genehmigten, indem sie deren Klimaauswirkungen ignorierten, sind vorbei."
Die britische Regierung zeigte sich nach dem Urteil gelassen. Man habe bereits Konsultationen zu überarbeiteten Umweltrichtlinien durchgeführt, erklärte laut Bloomberg ein Sprecher des Ministeriums für Energiesicherheit. "Wir werden so schnell wie möglich auf diese Konsultation reagieren und die Entwickler werden in der Lage sein, im Rahmen dieses überarbeiteten Systems Genehmigungen zu beantragen."
Energieriesen dürfen weiter an Projekten arbeiten
Hinter den Projekten stehen Energiegiganten wie Shell, Equinor und Ithaca Energy. Sie entwickeln die Felder Jackdaw und Rosebank, die zusammen über Hunderte Millionen Barrel Öl und Gas verfügen sollen.
Rosebank liegt etwa 130 Kilometer nordwestlich der schottischen Shetlandinseln. Die Energiekonzerne Equinor und Ithaca Energy wollen hier rund 70.000 Barrel Öl und etwa 600.000 Kubikmeter Erdgas am Tag fördern. Damit wäre es eines der größten Felder in Großbritannien, aber im globalen Vergleich eher ein Zwerg.
Das Gasfeld Jackdaw wird von Shell erschlossen. Laut Reuters gab das Unternehmen an, dass mit der Ausbeute rund 1,4 Millionen Haushalte geheizt werden könnten.
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Doch das Gerichtsurteil bedeutet nicht das endgültige Aus für die Projekte. Die Unternehmen dürfen weiter daran arbeiten, während die Regierung neue Umweltrichtlinien erarbeitet. Allerdings darf vor einer neuen Genehmigung kein Öl oder Gas gefördert werden.
Die Firmen zeigten sich zuversichtlich. Ein Shell-Sprecher sagte: "Die Regierung muss schnell handeln, damit wir und andere Betreiber in der Nordsee Entscheidungen über die lebenswichtige Energieinfrastruktur im Vereinigten Königreich treffen können."
Equinor erklärte, man sei "mit dem Ergebnis zufrieden, das es uns ermöglicht, das Rosebank-Projekt weiter voranzutreiben, während wir auf neue Genehmigungen warten".
Prüfstein für neue Labour-Regierung
Das Urteil stellt die neue Labour-Regierung unter Premierminister Keir Starmer vor eine Zerreißprobe. Einerseits hat sie sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt und will bis 2050 Netto-Null-Emissionen erreichen. Andererseits möchte sie Investitionen anlocken und das Wirtschaftswachstum ankurbeln.
Die Regierung muss nun entscheiden, ob sie die Projekte unter strengeren Auflagen neu genehmigt oder ganz stoppt. Letzteres könnte Arbeitsplätze und Steuereinnahmen kosten, warnen Experten. Zudem habe Großbritannien dann einen höheren Importbedarf an Öl und Gas, was per Saldo zu mehr Emissionen führen könnte.
Die Entscheidung dürfte auch eine Signalwirkung für künftige Öl- und Gasprojekte in der alternden Nordsee haben. Klar ist: Der Druck von Klimaschützern, die Förderung fossiler Brennstoffe zu reduzieren, wird nicht nachlassen.