Kehrtwende bei Energie: Wie nah ist das Ende des Öl-Zeitalters wirklich?

Bild: Alisdare Hickson / CC BY-SA 2.0 Deed

Wegen Furcht vor Rechtsruck? UK und andere Länder treten vom Gaspedal bei Klimapolitik. Zugleich steigen die Ölpreise. Wer davon profitiert.

Das Öl-Zeitalter endet. Noch in diesem Jahrzehnt. Das ließ jüngst der Direktor der International Energy Agency (IEA), Fatih Birol, verlauten. Gleichzeitig tritt Großbritannien zusammen mit Schweden beim Klimaschutz auf die Bremse und erlaubt neue Ölbohrungen in der Nordsee. Wie passt das zusammen?

Gegen die "Diktatoren"-Energie

Rishi Sunak macht sich unter den Fürsprechern der grünen Transformation derzeit keine Freunde. Schon Ende 2022 hatte Großbritanniens Premier Umweltaktivisten mit dem Vorhaben verstimmt, das erste Kohlebergwerk seit 30 Jahren zu errichten.

Deren geballten Zorn erntete er schließlich, als er die Vergabe von mehr als 100 Lizenzen für neue Ölbohrungen in der Nordsee ankündigte. Ein Großprojekt mit dem Namen Rosebank bekam kürzlich "grünes Licht" von der britischen Aufsichtsbehörde.

Ein paar weitere Öl-Flecken drohten Sunaks Anzug zu besudeln, als bekannt wurde, dass Infosys, die einflussreiche IT-Firma seines Schwiegervaters, einen Milliarden-Deal mit dem Energie-Riesen British Petrol abgeschlossen hat.

Sunak wehrte sich jedoch gegen alle für haltlos gehaltenen Vorwürfe und beteuerte, es gehe ihm schlicht darum, seine Heimat mit heimischen Energiequellen zu versorgen ("power britain from britain"), statt dabei auf "ausländische Diktatoren" angewiesen zu sein.

Im Übrigen sei sein Handeln konsistent mit den Klimazielen (Stichwort: Net Zero), die sich das Vereinigte Königreich für 2050 gesetzt habe.

Kehrtwende gegen den Rechtsruck?

Nicht nur das Vereinigte Königreich, auch die Vereinigten Staaten haben in den vergangenen Jahren ihre Ölproduktion deutlich angekurbelt – zuletzt durch das umstrittene Willow-Projekt – und erzielen dabei beachtliche Rekorde. Ein Jahr nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs haben die USA sogar Russland als größten Öl-Versorger der Europäischen Union abgelöst.

Dennoch reicht die Fördermenge nicht, um Präsident Joe Biden von den hohen Benzinpreisen zu verschonen, die der Weltmarkt an die Heimatfront spült. Bidens Wiederwahl steht auch deshalb auf dem Spiel, weil die Republikaner seine "grüne" Politik für die Misere verantwortlich machen.

Die Angst vor einem entsprechenden (Rechts-)Ruck in der Bevölkerung, glauben viele Kommentatoren, steht ebenso hinter Sunaks jüngsten Entscheidungen.

Zuletzt machte der Tory-Premier Schlagzeilen damit, dass er die Verbrenner-Deadline von 2030 auf 2035 verschieben und eine Wärmewende nicht forcieren möchte – wenngleich weiterhin großzügig fördern.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat vor kurzem ähnliche Ankündigungen gemacht. Auch er beteuerte, weiter an den Klimazielen festzuhalten.

Analog zu der Situation in den USA lesen mediale Beobachter das Verhalten der beiden Regierungsführer als Zugeständnis an den ökonomisch belasteten Wähler. Und ganz von der Hand weisen lassen sich jene Befürchtungen nicht.

Neben Schweden, wo die Regierung auf Druck der rechtskonservativen Schwedendemokraten zuletzt von den Klimazielen abgerückt ist, gilt vor allem Deutschland als abschreckendes Beispiel im Hinblick auf einen politischen Rechtsruck, der die Klimaziele in ihrer Gesamtheit gefährden könne.

Wie das Handelsblatt vergangene Woche festhielt, gilt Deutschland zugleich als abschreckendes Beispiel in Bezug auf einen drohenden Ausverkauf der heimischen Industrie (Stichwort: Viessmann). Der französische Präsident verfolgt dagegen eher eine protektionistische, um nicht zu sagen: nationalistische Linie für den Energiesektor.

Investitionen in Öl

Der Ausrufung eines historischen Wendepunkts durch die IEA stehen Aussagen entgegen, wonach der fossile Energiemarkt so bald nicht austrocknen wird, sondern angesichts des wachsenden Bedarfs vor allem in den Schwellenländern vielmehr mit einem Angebots-Defizit zu rechnen ist.

Und auch andere Signale deuten darauf hin, dass das Ende des Öl-Zeitalters zumindest nicht so unmittelbar vor der Tür steht, wie die IEA überzeugt ist.

Ein Investor von geringerem Renommee wäre vielleicht kein guter Gradmesser. Wenn aber Szene-Legende Warren Buffet, der den Klimaschutz eigentlich mit einer "Kriegsstrategie" durchzusetzen gedenkt, in Öl investiert, kann das schon eher stutzig machen.

Buffetts Firma Berkshire Hathaway ist seit vergangenem Jahr größter Aktionär von Occidental und Chevron, einem der "Big Five" in der US-Öl-Industrie. Entsprechend stutzte man im Wall Street Journal (WSJ) vom Mai:

Die Art und Weise, wie sie (Berkshire Hathaway) in das Energiegeschäft eingestiegen sind (...), man könnte meinen, dass eine Boom-Ära im Gange ist", sagte Cole Smead, CEO und Portfoliomanager bei Smead Capital Management, der Berkshire-Aktien besitzt. (...)

Der Investor (Buffett) scheint der festen Überzeugung zu sein, dass die Welt auch dann noch Öl braucht, wenn sich immer mehr Unternehmen ehrgeizige Ziele zur Reduzierung ihrer Kohlenstoffemissionen setzen. Sehr viel Öl.

Das sollte es zu einem Rohstoff machen, von dessen Verkauf Unternehmen wie Occidental und Chevron noch jahrelang profitieren können.

Wall Street Journal

Buffetts Argumentation bedienten sich auch BP – immerhin Erfinder des "CO2-Fußabdrucks" – und andere angloamerikanische Big-Oil-Firmen im Zusammenhang mit deren Abrücken von den Klimazielen.

Dazu wurde gegenüber dem WSJ ebenfalls Stellung genommen, und zwar von Jason Bordoff, Gründungsdirektor des Center on Global Energy Policy der Columbia University:

Prof. Bordoff verweist auf Prognosen, wonach die Ölnachfrage weiter steigen wird. Wenn die Aktien eines Unternehmens bei einer unerwarteten Nachricht über eine erhöhte Produktion fossiler Brennstoffe sprunghaft ansteigen, so Bordoff, "sollte das für uns alle ein Signal sein, dass wir nicht auf dem richtigen Weg sind".

Wall Street Journal

Dämmert da ein neues "Ölzeitalter" herauf?