Microsoft-Prozess: Knieschuss der Verteidigung

Ein als Beweisstück für die Unverzichtbarkeit des Internet-Explorers vorgeführtes Video bewies das genaue Gegenteil.

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Im Kartellprozess gegen Microsoft, der sich nach Abfeierung der Zeugen des Anklägers nur so dahinschleppte, kam es bei der Verhandlung am Dienstag zu einem Knalleffekt.

James Allchin, Angestellter von Microsoft und als technischer Experte von der Verteidigung nominiert, kam bei seinem Versuch, ein zentrales Argument der Anklage zu entkräften, gehörig unter Druck. Bei der Videodemonstrationging es um nichts weniger als um die ewig junge Frage, ob der Internet-Explorer nun essentieller Bestandteil des Betriebssystems sei oder eben nicht. Allchin versuchte die durch das unlängst demonstrierte sogenannte Felten-Programm - es soll den Explorer ohne negative Auswirkungen auf das Betriebssystem deinstallieren - aufgeworfenen Argumente zu entkräften. Ein Screenshot-Video, das die Probleme eines explorerlosen Windows98-Betriebssystems im Testversuch demonstrieren sollte, offenbarte freilich, dass einer der bedauernswert langsamen Rechner sehr wohl den Internet-Explorer enthielt. Das konnte weder der Zeuge selbst, der auch nicht ausschliessen wollte, dass sich bei den Testmaschinen um alte oder mit Programmen überladene Geräte handelte, noch die beim Prozess anwesende Delegation hinreichend erklären.

"Wir wissen jetzt", sagte der oberste Scharfmacher der Anklage, David Boies, der vorerst keine Absicht zu offenem Betrug unterstellen wollte, "dass dieses von Microsoft als Beweisstück eingebrachte Videoband nicht zuverlässig ist." Microsofts Generalanwalt William Neukomm fand für die Knieschuss-Aktion Worte wie "unschuldig" und "Fehler" und kündigte eine Untersuchung an. Der Prozess wird heute, Donnerstag fortgesetzt.