Mieter in der Krise: "Wohnen wird für viele unbezahlbar"

Kündigungsschutz, wie der Bundesverband GdW vorschlägt, reicht dem Mieterbund nicht. Auch Raten müssen bei steigenden Nebenkosten bezahlt werden. Und es gibt noch den "schlafenden Riesen": die Indexmiete.

Der Briefumschlag mit den Nebenkostenabrechnungen wird von nicht wenigen Mietern in Deutschland mit nervösen Fingern geöffnet und nicht wenige werden sich ihren Index-Mietvertrag noch einmal sehr genau durchlesen.

Die Nebenkosten steigen exorbitant. Sie könnten sich in diesem Jahr verdoppeln, kündigte ein Bericht des reichweitenstarken Nachrichtenmagazins aus Hamburg Ende August an. Die Aussicht stützte sich auf eine Hochrechnung des Unternehmens Mineko, das nach eigenen Angaben Nebenkostenabrechnungen für Mieter von Wohnungen und Gewerbeflächen prüft.

Als Beispiel veröffentlichte der Spiegel folgende Prognose, die auf Hochrechnungen von 55.000 durch die Firma geprüfte Nebenkostenabrechnungen der vergangenen zwölf Monate basiert:

Für eine Durchschnittswohnung in Deutschland mit 92 Quadratmetern wurden laut Mineko 2019 und 2020 im Mittel 3200 Euro Nebenkosten fällig. Im aktuellen Jahr würden diese Kosten nach aktuellen Daten auf fast 7000 Euro steigen, prognostiziert Mineko.

Spiegel

Solche Prognosen mit horrenden Zahlen sind erfahrungsgemäß mit Fingerspitzengefühl zu behandeln. Abwarten. Aber, dass der Posten Heizung, inkl. Warmwasser, bei den kommenden Nebenkostenabrechnungen kräftig zu Buche schlagen wird, daran gibt es keinen Zweifel. Für viele geht es um existenzielle Sorgen. Wie wird darauf reagiert?

"Gestiegene Nebenkosten machen das Wohnen für viele unbezahlbar. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen verspricht nun einen Kündigungsschutz für säumige Mieter. Dem Deutschen Mieterbund reicht das nicht", meldet die Tagesschau heute.

Demnach versprach der Präsident des Bundesverbands GdW – "Deutschlands größter sowie politisch und gesellschaftlich wichtigster Zusammenschluss regionaler Wohnungsverbände und -unternehmen" –, Axel Gedaschko, gegenüber Medien: Keiner werde wegen krisenbedingter Zahlungsprobleme seine Wohnung verlieren. Man werde "keine Kündigungen aufgrund von Zahlungsverzug bei den Nebenkostenabrechnungen vornehmen".

Aber ums Bezahlen kommen die Mieter nicht herum: Gedaschko plädiert für Ratenzahlungen, die mit den Mieterinnen und Mietern verabredet werden.

Für Gaspreisdeckel

Die drückende Last bleibt also, wenn auch über Monate verteilt: Monate, in denen die Nebenkosten, wie es gerade aussieht, weiter anwachsen werden. Mit dem Mietrecht könne dieses Problem nicht gelöst werden, so der Chef des Verbandes, der 3.000 Wohnungsunternehmen vertritt, "in deren Wohnungen 13 Millionen Mieter leben" (Tagessschau).

Gedaschko appelliert an die Regierung, das Problem an der Wurzel zu fassen und einen Gaspreisdeckel einzuführen. Habeck zögert da, wie die Tageschau berichtet.

Kündigungsschutz

Zur Wort kommt in ihrem Beitrag auch der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten: "Was wir wirklich brauchen, ist ein Kündigungsmoratorium, wie es zu Beginn der Corona-Pandemie in Kraft getreten war." Das Moratorium war auf die Monate zwischen April und Juni 2020 beschränkt. Die jetzige Kostenlawine könnte sich länger auf die Haushalte herabwälzen.

So kommt zum Moratoriumsvorschlag noch ein ergänzender: die Ausweitung der Schonfrist für fristgerechte Kündigungen. Grund ist ein juristisches Problem: "Bei fristlosen Kündigungen haben Mieter die Chance, mit Nachzahlungen die Situation zu reparieren, bei fristgerechten Kündigungen aber nicht."

Bundesbauministerin Klara Geywitz ist wie Mieterbundpräsident Siebenkotten für eine Ausweitung der Schonfrist. Bei einem anderen Problem, das manche schon als den "schlafenden Riesen" bezeichnen, ist Geywitz noch am Prüfen.

Ministerin: "Kein Fan von Indexmieten"

Die Ministerin prüft die Indexmieten schon länger. Sie sei kein Fan, sagte sie Mitte Mai. Während Lukas Siebenkotten da schon dringend für eine Kappung der Indexmiete eintrat.

Bei den Index-Mietverträgen ist die Kaltmiete mit dem Verbraucherpreisindex (VPI) des Statistischen Bundesamts als Referenzwert verbunden. Der lag im eben vergangenen August bei 7,9 Prozent. Heute melden die amtlichen Statistiker, dass "die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte im August 2022 um 45,8 Prozent höher als im August 2021" waren, was weitere Preissteigerungen erwarten lässt.

Es sieht derzeit nicht danach aus, dass die Inflationsrate abnimmt. Der "Inflationsdruck" auch außerhalb des Energiekomplexes sei enorm, wird heute kommentiert.

Waren Indexmieten für private Wohnungen lange Zeit nicht üblich, so hat sich das seit einiger Zeit geändert. Solche Verträge seinen "klar auf dem Vormarsch", schätzt Gerold Happ, der als Jurist beim Eigentümerverband Haus und Grund Deutschland tätig ist, die Lage ein.

Während die Position der Linken zu Indexmieten eindeutig ist - sie forderte im Juli deren Abschaffung - und sich die Grünen zumindest in Hamburg für eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen bei Indexmieten einsetzen, will die SPD zwar im Prinzip gegensteuern, hat aber noch keinen spruchreifen Regulierungsvorschlag.

In unseren Überlegungen zu Maßnahmen und Instrumenten, die den Mietanstieg dämpfen beziehungsweise verhindern, werden wir prüfen, wie Index- und auch Staffelmieten ihrem eigentlichen Zweck gerecht werden können, ohne Mieter unfair zu belasten.

Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, SPD

Im Mai sprach sich die Bundesbauministerin noch für eine Deckelung aus und wollte prüfen. Der Koalitionskollege aus der FDP, "Bauexperte" Daniel Föst, hielt davon nichts.

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