Militärische Supermacht Iran: Die Fähigkeiten, das Potenzial und der Konflikt mit den USA

Drohnen, Raketen, Proxy-Truppen: Nicht erst seit den jüngsten Anschlägen auf US-Militärbasen in Syrien rückt das Land immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Spätestens seit den Lieferungen der Suizid-Drohne Shahed-136 an Russland ist klar: Der Iran ist zu einer militärischen Supermacht herangereift.

Um Macht weit über die Grenzen des Iran hinaus zu projizieren, kann sich der ölreiche Staat nicht nur eines großen Arsenals an Drohnen bedienen, sondern der Iran verfügt auch über eine beachtliche Anzahl an weitreichenden Raketen. Und befreundete Proxytruppen.

Über 170 Angriffe auf Militäreinrichtungen in Syrien, Jordanien und Irak haben diese mit iranischen Waffen seit dem 17. Oktober bereits verübt.

Reaktion auf Sanktionen: Forschung und Entwicklung

Waren seine militärischen Möglichkeiten nach dem Ende des Golfkrieges aufgrund der schweren Verluste noch sehr begrenzt, hat der Iran seitdem entschieden in Forschung und Entwicklung von heimischer Militärtechnologie investiert.

Denn das Land steht seit Jahrzehnten unter einem wechselnd strengen Sanktionsregime, die ersten Sanktionen wurden bereits während der islamischen Revolution 1979 verhängt.

Die heute geltenden Sanktionen gehen im Wesentlichen auf das Jahr 2018 zurück.

Waffenimporte wie noch zu Zeiten des Schah, damals fast ausschließlich aus den USA, sind schon lange nicht mehr möglich. So war und ist der Iran gezwungen, auf eine eigene Rüstungsindustrie zu vertrauen.

Iranisches Waffen-Arsenal (8 Bilder)

Bavar-373: Feuerleitradare und Rakete. Bild: Hamed Ataei/Mizan News Agency / Public Domain

Autark in der Rüstungsproduktion

Bereits im Jahre 2012 erklärte der Iran sich hinsichtlich seiner Rüstungsproduktion als autark. Getragen wurde der iranische Aufstieg zu einer militärischen Supermacht vor allem von zwei Faktoren: den natürlichen und menschlichen Ressourcen.

Iran ist das an Rohstoffen fünftreichste Land der Welt, noch vor China, – das Land ist nicht auf umfangreiche Importe von Rohstoffen angewiesen, sondern kann buchstäblich aus dem Vollen schöpfen.

Alle wesentlichen Schlüsselressourcen sind im Land vorhanden, außer Öl und Gas sind das beispielsweise Eisen, Kohle, Kupfer, Aluminium, Silber, Gold, Mangan, Seltene Erden.

Riesiges Heer an Ingenieuren

Und diese Fülle an Rohstoffen trifft auf ein riesiges Heer an Ingenieuren. Das Erstaunliche: Iran liegt in der Ausbildung von Ingenieuren an der Weltspitze.

Nach Russland und fast gleichauf mit den USA liegt der Iran auf dem 3. Platz. Seit Jahren kursiert dazu die überraschende Information, dass 70 Prozent der ausgebildeten Ingenieure Frauen sind.

Im Jahr 2007 hatte der Iran ein Verhältnis von Studierenden zu Erwerbstätigen von 10,2 Prozent. Das Land gehört mit diesem Wert zu der Ländergruppe mit der höchsten Akademikerquote. Das Land ist mit knapp 88 Millionen Einwohnern mittlerweile bevölkerungsreicher als Deutschland.

Der Iran hat also alle Möglichkeiten, eine heimische Rüstungsindustrie aufzubauen. Und das Land hat die Zeit seit dem Ende der Golfkriege genutzt, um genau das zu tun.

Dabei hat man in der Vergangenheit militärisch kluge Forschungs- und Rüstungsschwerpunkte gesetzt, die sich jetzt auszahlen. Anscheinend hat man die zwei US-Angriffskriege gegen den Irak genaustens studiert, denn der Iran hat drei Rüstungsschwerpunkte gesetzt: Luftverteidigung, Drohnen und Raketen.

Luftverteidigung

Im ersten und zweiten Golfkrieg war es vor allem die US-Luftwaffe, die dem irakischen Militär damals entscheidende Schläge versetzen konnte.

Auch heute noch ist die Erlangung der Luftüberlegenheit das zentrale Ziel jeder militärischen Operation der Nato, die Architektur der Streitkräfte, ihre strategische Ausrichtung ist auf die Luftstreitkräfte und die Erlangung der Luftherrschaft ausgerichtet.

Darauf hat man im Iran mit einem massiven Aufbauprogramm einer schlagkräftigen Luftverteidigung reagiert.

Moderne Luftabwehrsysteme mit großer Reichweite

Als eines der wenigen Länder weltweit kann der Iran moderne Luftabwehrsysteme mit großer Reichweite herstellen. Besonders das Bavar-373 System sticht heraus. Der Langstecken-Luftabwehrkomplex soll nach iranischen Angaben ähnliche Fähigkeiten haben wie das russische S-400 System und somit dem US-Patriot-System überlegen sein.

Die Reichweite beträgt je nach Version mindestens 200 Kilometer, das letzte Upgrade schafft bis zu 300 Kilometer. Zum Vergleich dazu hat das Patriot-System eine Reichweite von bis zu 160 Kilometer.

Erst 2019 wurde mit Khordad ein weiteres modernes Langstrecken-Luftverteidigungssystem in Dienst gestellt. Es hat eine Reichweite von 120 Kilometern. Das 2017 in Dienst gestellte Talsh-3 schafft 150 Kilometer.

All diese Systeme sollen über moderne Phased-Array-Radare verfügen und auch Stealth-Flugzeuge aufklären können.

Mehr Luftabwehrkapazitäten als Europa

Der Iran hat noch eine Reihe weiterer Luftabwehrsysteme in den Streitkräften. Insgesamt verfügt das Land über mehr Luftabwehrkapazitäten als das gesamte US-dominierte Europa zusammengenommen.

Sowohl im Irak als auch im Jemen konnten vom Iran unterstützte Milizen mit iranischen Flugabwehrsystemen Reaper-Drohnen abschießen.

Das markiert das Ende der bisherigen Drohnenübermacht der USA im Mittleren und Nahen Osten über informelle Militäreinheiten.

Denn bisher waren die großen US-Drohnen für die meisten aufständischen Kampfgruppen nicht zu erreichen. Durch Weitergabe von iranischen Luftabwehrsystemen an befreundete Proxytruppen hat sich das nun geändert.