Milliarden für die Sicherheitsforschung
Nach dem Vorbild der USA will die EU viel Geld in die Forschung und Entwicklung von Sicherheitstechnologien stecken, allen voran von Informations- und Kommunikationtechnologien
Seit dem 11.9. wird in den USA auf- und nachgerüstet. Dabei fließt viel Geld nicht nur in die Verteidigungstechnologie, sondern auch in die Sicherheits- und Überwachungstechnologie für das neu geschaffene "Heimatschutz"-Ministerium. Noch ist die EU bei dieser Art von Wissenschafts- und Technologieförderung für innen- und außen-, aber auch wirtschaftspolitische Zwecke weit abgeschlagen, zumal sich die erweiterte Staatengemeinschaft mit einer gemeinsamen Verteidigungs- und Außenpolitik noch schwer tut. Geht es nach der EU-Kommission, könnte sich das bald ändern. Nach deren Plänen würde die EU ab 2007 jährlich bis zu zwei Milliarden Euro in die Rüstungs- und Sicherheitsforschung stecken.
Bewilligt wurden bereits 15 Millionen Euro, um im Rahmen einer "vorbereitenden Maßnahme" ein "Programm zur Erhöhung der Sicherheit in Europa durch Forschung und Technologie" auszuarbeiten. Angekündigt wird dies unter dem Titel "Sicherheitsforschung: EU-Maßnahme zur Verbesserung des Schutzes der Bürger". Insgesamt sind dafür 65 Millionen Euro für die Vorbereitungsphase geplant. Aufgrund der hier vorgeschlagenen Schritte und Ziele soll dann nach 2006 ein "Programm der europäischen Sicherheitsforschung" beschlossen werden. Die EU benötigt "die modernsten Mittel, um neue Sicherheitsrisiken zu antizipieren und ihnen so zu begegnen, dass dies ihren Interessen dient und ihren Werten entspricht".
Vorgenommen hat man sich viel an Investitionen in die "Sicherheitskultur". Bislang habe man sich um die Verbindung der Sicherheitsindustrie mit der Wissenschaft kaum gekümmert, was sich jetzt mit dem "umfassenden Programm" ändern soll. Hintergrund des Plans ist die europäische Sicherheitsstrategie, die im Dezember des letzten Jahres beschlossen wurde und - schon im Titel A Secure Europe in a Better World - nach dem Vorbild der USA formuliert wurde. Man will sich auf die "neuen Bedrohungen" einstellen, den Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bekämpfen, und auch, falls notwendig, präventiv militärisch gegen gefährliche Staaten vorgehen. Regionale Konflikte wie in Kaschmir, in Korea oder im Nahen Osten würden die EU unmittelbar betreffen, sie fördern Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Bedrohlich seien auch zusammenbrechende Staaten und organisiertes Verbrechen. Die EU-25 mit einem Verteidigungsgesamthaushalt aller Länder von 160 Milliarden Euro soll zu einem "globalen Akteur" werden, der global auch mehrere Einsätze gleichzeitig ausführen können muss.
Um der neuen Sicherheitsstrategie entsprechen zu können, würden neue technische Mittel benötigt, aber man müsse auch einige Probleme beseitigen, beispielsweise die Verdopplung oder Fragmentierung von Forschungsprogrammen. Wichtig seien etwa die Interoperabilität der Technologien und die "Kosteneffizienz der Sicherheitssysteme und Infrastrukturen". Ausgeschöpft werden müsse auch das Potenzial der "gegenseitigen Befruchtung der Ideen und Ergebnisse zwischen zivilen und nicht-zivilen sicherheitsbezogenen Forschungsbereichen". Ganz allgemein werde hier im Vergleich zu anderen Regionen zu wenig investiert. Bis zum Jahr 2010, so die Kommission, müsse ereicht werden, dass 3 Prozent des Bruttosozialprodukts in die Forschung und Entwicklung der Sicherheitstechnologie investiert würden.
Im Vorfeld sollen erst einmal die Sicherheitsprobleme analysiert und technische und politische Antworten aufgezeigt werden. Dabei soll es neben der Stimulierung der Wirtschaft und Forschung auch um die Einführung von Standards für die Interoperabilität und die Vernetzung von Institutionen gehen oder um bessere Kenntnis der "menschlichen Faktoren", was die Ausbildung oder die "sozialen und ethischen Werte" betrifft.
Priorität haben neben der Schaffung einer Umgebung, die ganz allgemein die sicherheitsorientierte Forschung fördert, folgende Projekte:
- Verbesserung der Aufklärung
- Optimierung der Sicherheit und des Schutzes von vernetzten Systemen
- Schutz vor Terrorismus (einschließlich Bioterrorismus und Vorfälle mit biologischen, chemischen und anderen Substanzen)
- Verbesserung des Krisenmanagements (einschließlich Evakuierungs-, Such- und Rettungsmaßnahmen, Eindämmung aktiver Stoffe und Sanierung)
- Interoperabilität und integrierte Informations- und Kommunikationssysteme
Bislang steht weniger die Verteidigungstechnologie, als die Kontroll- und Sicherheits- sowie die Informations- und Kommunikationstechnologie im Vordergrund. "Die Informations- und Kommunikationstechnologien machen einen erheblichen Teil der europäischen Rüstungsforschung aus und sind von grundlegender Bedeutung für die Sicherung einer wettbewerbsfähigen technologischen und industriellen Basis", erklärte der für Unternehmen und die Informationsgesellschaft zuständige EU-Kommissar Erkki Liikanen.
Mit der Erweiterung ist das EU-Territorium um 36 Prozent größer geworden, wodurch man nun auch "direkte Grenzen mit weniger stabilen Regionen" besitze. Angezielt werden insbesondere bessere Überwachungsmöglichkeiten der Land- und Meergrenzen und von Regionen eines "globalen Interesses". Es geht also um eine europaweite Abdichtung der Grenzen, vor allem auch bei den neu hinzukommenden Ländern. Dabei sollen statische und mobile Sensoren entwickelt werden, um die Möglichkeiten zu verbessern, "die Bewegung von mobilen Gegenständen, Gütern und Personen lokalisieren, erkennen und verfolgen zu können". Gedacht wird u.a. an Chips mit GPS-Lokalisierung, biometrische Erkennungsverfahren oder Techniken der Datenanalyse wie Fernsteuerung oder Zugang zu Systemen.
In dem von den EU-Kommissaren Philippe Busquin, zuständig für Forschung, und Erkki Liikanen vorgelegten Bericht wird versichert, dass die "Hauptverantwortung für die äußere Sicherheit für die voraussehbare Zukunft bei den Mitgliedsstaaten" liegen werde. Gleichwohl könnten die nationalen Regierungen die neuen Sicherheitsprobleme nur lösen, wenn sie ihre Bemühungen koordinieren. Die beiden Kommissare erklären überdies, dass sie zur Abfassung eines Berichts über die langfristige Politik der Sicherheitsforschung eine nicht näher benannte, dafür aber hochrangige "Gruppe von Persönlichkeit" leiten werden. Dazu würden Vorstände von Unternehmen und Forschungsinstituten, hochrangige europäische Politiker, Mitglieder des EU-Parlaments und Beobachter von länderübergreifenden Institutionen gehören.
Kritiker wie Tony Bunyan von der Bürgerrechtsorganisation Statewatch schlagen hingegen Alarm. Er sieht eine allgemeine Überwachung auf die EU-Bürger zukommen und bezeichnet die erwähnte Gruppe als "Gruppe von Dr. Strangeloves":
For the people of the EU (and, in time, of the USA) the price of "security" is that they will be asked to sacrifice their privacy and democratic culture (of diversity, pluralism, tolerance and multiculturalism) in the interests of security, of the "interests of the state". All phones and internet usage, all travel by air, sea and road, all clothes and goods, and every peoples' movement - to the shop, work, friends and school etc - will be tracked and logged in the name of preserving "democracy". Moreover, the idea that we should all feel "safe" because a "Group of Personalities" - perhaps better named as a "Group of Dr Strangeloves" - are going to oversee the process is an insult to peoples' intelligence. The EU clearly has no idea of the resistance it is going to face from its own citizens if it goes down this road