Milliarden gegen Jugendarbeitslosigkeit?
Dass Jugendlichen ein Job oder eine Ausbildung innerhalb von vier Monaten garantiert werden soll, wurde auf die lange Bank geschoben
Frankreichs Staatschef François Hollande hatte am Dienstag 24 Staats- und Regierungschefs der EU in den Elysée-Palast geladen, um über das Problem der grassierenden Jugendarbeitslosigkeit zu reden. Endlich sollten auf dem Jugendbeschäftigungsgipfel Nägel mit Köpfen gemacht werden.
Hilfreich für ihn war, dass am frühen Morgen Vertreter der 28 EU-Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission ihren Haushaltsstreit beigelegt haben. Die Einigung in Brüssel sieht ein Budget im Umfang von 135,5 Milliarden Euro vor, in dem 3,9 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit vorgesehen sind. Damit soll nun mit der Umsetzung der "Jugendgarantie" begonnen werden. Auf einem eigens in Berlin von Bundeskanzlerin Angela Merkel einberufene EU-Gipfel zur Jugendarbeitslosigkeit (Angela Merkel betreibt Wahlkampf auf dem Rücken der europäischen Jugend) war diese im vergangenen Juni beschlossen worden: Kein Unter-25-Jähriger sollte länger als vier Monate auf eine Beschäftigung oder einen Ausbildungsplatz warten müssen.
Doch fünf Monate sind ins Land gegangen. Die Lage hat sich weiter verschärft und nun sind fast sechs Millionen junge Menschen in Europa ohne Job. Die Quote ist nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat in der Eurozone sogar im September auf 24,1 Prozent gestiegen. In Krisenländern wie Griechenland liegt sie über 57 Prozent, Spanien ist in absoluten Zahlen der Spitzenreiter und hat eine Quote, die nur knapp darunter liegt. In Portugal liegt sie bei 37 Prozent und ist im Jahresvergleich leicht gesunken. Dafür wird vor allem die massive Auswanderung aus dem kleinen armen Land am Rande Europas verantwortlich gemacht. Nach Angaben der Statistikbehörde (INE) in Lissabon verlassen monatlich etwa 10.000 Menschen das Land, etwa die Hälfte davon junge Menschen.
Ganz ähnlich ist die Lage in Irland, wo in den Krisenjahren fast 200.000 junge Menschen das Weite gesucht haben (Die große Irland-Erfolgsshow). Auch hier bewirkt diese Tatsache bei einer Gesamtbevölkerung von nur 4,5 Millionen, dass die Jugendarbeitslosigkeit im Jahresvergleich von knapp 30 Prozent auf zuletzt 28 Prozent gefallen ist. Dramatisch spitzt sich die Lage in Italien zu, wo die Quote im Jahresvergleich von 36 auf über 40 Prozent hochgeschnellt ist.
Gastgeber Hollande versuchte, sich als erfolgreicher Bekämpfer der Jugendarbeitslosigkeit darzustellen: "Die Kurve bei der Jugendarbeitslosigkeit hat sich in den letzten Monaten in Frankreich umgekehrt, und nun geht es darum, das gleiche in ganz Europa zu erreichen." Da hätte er zuvor besser einmal auf die Webseiten von Eurostat geschaut. Zwar ging die Arbeitslosigkeit in Frankreich im Sommer leicht zurück, doch die Quote stieg im Herbst wieder über die Marke von 26 Prozent an und es ist zu erwarten, dass dies die reale Entwicklung im Herbst und im Winter sein wird.
Anreize zur Mobilität
Doch damit hat Hollande sogar Glück im Unglück, denn die Milliarden, die besonders zur Bekämpfung für die Jugendarbeitslosigkeit ausgegeben werden sollen, kommen nun auch Frankreich zu Gute. Die etwa sechs Milliarden Euro, die nun insgesamt zur Verfügung stehen sollen, fließen vor allem in Länder, in denen die Quote wie in Frankreich über 25 Prozent liegt. Profitieren sollen indirekt aber auch Länder wie Deutschland, in denen Arbeitskräfte gesucht werden. Mit den Milliarden soll jungen Menschen nicht nur der Übergang von Schule in einen Beruf erleichtert werden, sondern es sollen auch Anreize zur Mobilität innerhalb Europas geschaffen werden, wie es die Bundesrepublik durchgesetzt hatte (Deutsche Förderbank soll mit 800 Millionen Euro spanische Klein- und Mittelbetriebe retten). Betriebe in Deutschland, Österreich oder Luxemburg, wo die Jugendarbeitslosigkeit niedrig ist, können Zuschüsse erhalten, wenn sie junge Menschen aus Krisenländern einstellen.
Große Hoffnungen auf viel Geld aus Brüssel macht sich Spanien. Die konservative Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy rechnet sich mit einem Geldsegen im Umfang von etwa 1,8 Milliarden Euro, um etwas gegen die dramatische Situation zu tun. Rajoy hatte vor dem Gipfel die Forderung angekündigt, Brüssel solle das Geld sofort freimachen. Denn das Land, das 2012 ein Rekorddefizit von 10,6 Prozent verzeichnete, braucht dringend Geld. Da bis 2020 insgesamt aus verschiedenen Töpfen 45 Milliarden zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ausgegeben werden sollen, hofft Spanien auch auf große Summen in der Zukunft.
Jobgarantie keine Garantie auf mehr Jobs
Doch auch die Kritik am Vorgehen ist groß. Sie bezieht sich nicht allein darauf, dass Brüssel, Berlin und Paris erst mit den massiven Kürzungs- und Sparprogrammen in den Krisenländern dafür gesorgt hätten, dass die Länder in die Rezession stürzten, womit vor allem Jugendarbeitslosigkeit erschreckende Ausmaße angenommen habe. Wie aus Paris schon vor dem Gipfel zu erfahren war, sollte die in Berlin im Juni festgelegte Route aber trotz der Zuspitzung nicht verändert werden. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte schon mit Bezug auf einen Berater von Präsident Hollande im Vorfeld gemeldet, dass keine "radikaleren Vorschläge beschlossen werden, um ein Problem zu bekämpfen, das soziale Unruhe und politischen Extremismus fördert".
So war es denn auch. Die versprochene Jobgarantie für junge Arbeitslose soll nach dem am Dienstag beschlossenen Zeitplan erst in zwei Jahren umgesetzt sein. Neue Mittel sollen nicht freigemacht werden. Merkel sprach trotz der von einer "Ermutigung", auch wenn keine neuen Gelder oder Instrumente beschlossen wurden. "Die Zukunftsfähigkeit des Kontinents entscheidet sich an der Frage, welche Perspektive wir den jungen Menschen geben können", sagte Merkel. Demnach hat Europa frühestens in zwei Jahren wieder eine Zukunft, falls die Programme umgesetzt werden und erfolgreich sind.
Daran darf ohnehin gezweifelt werden. Und auch in Ländern wie In Dänemark, Finnland und Schweden gibt es solche Jugendgarantien schon, doch auch hier steigt die Jugendarbeitslosigkeit. Dass sie in Schweden bei 22% liegt, in Finnland über 20% und auch Dänemark mit 13,5% noch über dem Durchschnitt liegt, lässt eher vermuten, dass ein nutzloses Instrument geschaffen wird, über das Milliarden wenig produktiv innerhalb der EU verschoben werden. Fakt ist, dass Jugendarbeitslosigkeit kein Problem ist, das von der allgemeinen Arbeitslosigkeit zu trennen ist. Sie ist der zugespitzte Ausdruck der allgemeinen Beschäftigungslage.
Im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) spricht man auch nur von einer Show. Das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach kritisierte, derlei Gipfel würden zum Politikersatz. Sie hält die Jugendgarantie für eine "Nullnummer, solange sie weiter so unverbindlich ist", erklärte sie dem Berliner Tagesspiegel. Sie forderte "schnellstens ein Zukunftsinvestitionsprogramm", denn allgemein werde zu wenig getan, erinnerte sie daran, dass in Berlin zehn Prozent aller Jugendlichen arbeitslos seien.