Millionen von Stimmen gingen während der letzten US-Präsidentschaftswahlen verloren
Ein Bericht fordert die technische Modernisierung, sieht jedoch Internetwahlen bestenfalls in weiter Ferne
Nach dem Bericht Voting: What Is, What Could Be, den das California Institute of Technology zusammen mit dem MIT veröffentlicht hat, geht es nicht, wie schon der Titel deutlich werden lässt, um politische oder soziologische Fragestellungen. Und auch nicht darum, wie legitim George W. Bush zum Präsidenten der USA geworden ist. Überprüft wurden die technischen Mittel und Wahlverfahren, wobei sich herausstellte, dass bei den Präsidentschaftswahlen wahrscheinlich zwischen vier und sechs Millionen Wähler umsonst zur Wahl gegangen sind.
Was diese gewählt haben, stand bei diesem Bericht nicht zur Debatte. Die letzten Präsidentschaftswahlen gingen bekanntlich äußerst knapp aus. Und bei den Nachzählungen ergaben sich immer wieder neue Überraschungen. Die eingesetzten Wahlverfahren erwiesen sich just in dem Land, das wirtschaftlich und technisch den Takt angibt, als veraltet und höchst unzuverlässig. Hämisch wird daher gesagt, dass angesichts des desolaten technischen Zustands bis zu sechs Millionen Wahlberechtigte gar nicht zur Wahl hätten gehen brauchen, weil sie nur verlorene Stimmen produziert haben. "Diese Studie zeigt", so Caltech-Präsident David Baltimore, "dass das Wahlproblem viel schlimmer als erwartet ist."
Dafür wird von den Wissenschaftlern der beiden Universitäten eine Lösung des Problems favorisiert, die eigentlich zu dem Problem geführt hat, aber dennoch oder deswegen gerade typisch ist: man muss einfach neue Techniken einführen - und ansonsten die Wählerregistrierung verbessern, was gleichfalls ein Datenbankproblem ist. Drei Millionen Wähler hätten angegeben, dass sie bei den Präsidentschaftswahlen wegen Registrierungsproblemen nicht gewählt hätten, eine Million wäre wegen langer Schlagen oder anderer Mängel gar nicht in die Wahllokale gegangen.
Um die Wahlverfahren zu modernisieren, wurden aber gerade anstelle des Papiers und Bleistifts in den USA die Mechanisierung schon früh vorangetrieben. Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Lochkarten und mechanischen, reichlich komplizierten Hebelmaschinen eingeführt, die automatisch die Stimmen zählen. Vor allem diese alten, einst fortschrittlichen Techniken erwiesen sich als Fehlerteufel (Warum die Amerikaner sich bei den Wahlen verzählen), aber auch einige der jüngeren elektronischen Wahlmaschinen (direct recording electronic) sollen für zahlreiche Fehler verantwortlich sein. Nur die mit der Hand gezählten Stimmzettel, verschwindend gering eingesetzt, und die optischen Scan-Verfahren seien weniger fehlerfreundlich.
Die Informatiker, Ingenieure und Politologen aus den Hightech-Universitäten raten nun nicht dazu, wieder zu Stimmzetteln zurückzukehren, sondern sie fordern vehement die Einführung neuer Technologien, damit jede abgegebene Stimme auch wirklich und richtig gezählt wird. Eingesetzt werden sollen Maschinen, die optisch angekreuzte Stimmzettel lesen können, weil diese am genauesten seien. Das könnte bis zu 1,5 Millionen Stimmen retten, während die landesweite Verfügbarkeit der Registrierungsdaten noch einmal 2 Millionen Stimmen bewahrt. Alle Wahllokale sollten beispielsweise mit einem Laptop ausgestattet sein, um alle erforderlichen Registrierungsdaten abfragen zu können. Gäbe man nur 3 Dollar pro registrierten Wähler aus, so könnte man diese Reform nach Ansicht der Wissenschaftler für insgesamt 400 Millionen realisieren. Das sei doch ein kleiner Preis, um als Versicherung gegen eine Wiederholung der Präsidentschaftswahlen zu dienen.
Briefwahlen lehnen die Wissenschaftler rundweg ab und fordern, dass diese wenn schon nicht abgeschafft, dann doch reduziert werden sollen. Nahe gelegen hätte natürlich angesichts des Glaubens an die bessere Technik auch der Übergang zu Internetwahlen. Doch Internetwahlen hätten nicht nur alle Nachteile von Briefwahlen, sondern zusätzlich auch noch viele Sicherheitsprobleme. Mindestens noch ein Jahrzehnt an Forschung seien notwendig, um die Computer sicher genug zu machen, so dass Wahlen nicht durch Hacken gefälscht oder gestört werden können. Und langfristig soll auch nach weiteren elektronischen Verfahren der Stimmabgabe und -zählung geforscht werden. Ob allerdings die technische Perfektionierung alleine das geforderte "Vertrauen in unser Wahlsystem" wiederherstellen kann, bleibt doch fraglich.