"Mission: See Everything"

Bild: Raytheon

Das Pentagon testet in der Nähe von Washington zwei Prallluftschiffe zur weitreichenden Dauerüberwachung - Probleme mit dem Datenschutz sieht man nicht

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Kriege sind nicht nur immer ein Mittel, um Interessen zu wahren, eine Nation zusammenzuhalten, schärfere Sicherheitsgesetze durchzusetzen und der Rüstungsindustrie zu helfen. In ihnen werden auch neue Techniken ausprobiert, die dann für den Export, aber auch für den Einsatz im Inland interessant werden können. Es kehren also nicht nur die Soldaten und Söldner heim, sondern auch Techniken.

Joint Land Attack Cruise Missile Defense Elevated Netted Sensor System (JLENS). Bild: Raytheon

Die Wunderwaffe des Irak- und Afghanistankriegs sind zweifellos die Drohnen, vor allem die bewaffneten Drohnen, neben Israel sind die USA hier marktbeherrschend geworden. Um deren Verkauf und Einsatz auch im zivilen Luftraum zu ermöglichen, wird in den USA fieberhaft daran gearbeitet, sie möglichst schnell zu genehmigen. Anwendungen gibt es viele – und wenn in den USA Drohnen aller Art im zivilen Luftraum fliegen dürfen, werden andere Staaten nachziehen und es eröffnet sich ein großer Markt.

Aber neben Drohnen wurde in den Kriegen auch andere Überwachungstechnik erprobt. Dazu gehören mit Technik vollgestopfte Prallluftschiffe (Blimps), die in der Luft schwebend unterbrechungslos ein großes Gebiet überwachen können (Luftschiffe für die Dauerüberwachung). Mehr als 7 Milliarden hatte das Pentagon in die Entwicklung solcher Blimps gesteckt und unterschiedliche Typen in Afghanistan und im Irak mit gemischtem Erfolg eingesetzt. Erst letztes Jahr musste die vom Rüstungskonzern Northrop Grumman betriebene Entwicklung von Long Endurance Multi-Intelligence Vehicles (LEMV) eingestellt werden (Marktwert der militärischen Luftschifftechnologie). Ab Oktober sollen nun zwei 74m lange Blimps über Maryland getestet werden, was bereits letztes Jahr angekündigt worden war (Überwachungs-Luftschiffe über Washington). Sie tragen den Namen Joint Land Attack Cruise Missile Defense Elevated Netted Sensor System (JLENS) und wurden vom Rüstungskonzern Raytheon entwickelt. Das Pentagon steckte allein in diese Blimps 2,7 Milliarden US-Dollar, die nun nicht ganz verloren sein sollen. Ursprünglich sollten 16 Luftschiffe gebaut werden, das Pentagon will es nun aber bei den zwei fertiggestellten belassen. Die Hersteller sehen viele Anwendungsbereiche für eine permanente Überwachung aus der Luft, aber die Frage wird sein, ob das massive Eindringen in die Privatsphäre von vielen Menschen und das anlasslose Abgreifen von Informationen politisch durchsetzbar sein wird.

Die Blimps schweben in 3 km Höhe über Land, das der Army gehört, und sind am Boden festgekettet. Durch ein Kabel werden die Daten zur Bodenstation geleitet. Mit ihren Radarsystemen können sie bis zu 550 km rundum sehen, um etwaige feindliche Raketen oder Flugzeuge zu entdecken, bevor sie nach Washington vordringen, oder andere Bedrohungen erkennen. Die Ballone sollen also angeblich primär das mit gigantischen Kosten entwickelte Raketenabwehrsystem ergänzen.

Angeblich werden die Blimps nicht mit Kameras und anderen Sensoren ausgestattet, wie das in den Kriegsgebieten der Fall war. Damit lassen sich dann auch Fahrzeuge und Menschen über eine Entfernung von vielen Kilometern identifizieren und verfolgen. Und natürlich kann damit auch die Kommunikation abgehört werden. Es sind also schöne Mittel der permanenten und weitreichenden Überwachung, die in die Privatsphäre von Hunderttausenden oder Millionen von Menschen eindringen können. Das Pentagon wies solche Befürchtungen in Briefen an die Washington Post zurück. Es gehe nur darum zu testen, ob damit die Raketenabwehr für tieffliegende Raketen verbessert werden könne, versichert man. Es sei auch keine Datenschutzüberprüfung notwendig gewesen, weil man keine persönlichen Daten sammle, mit denen sich Einzelne identifizieren ließen: "Die erste Aufgabe ist die Verfolgung von Luftobjekten. Die zweite Aufgabe ist die Verfolgung von Objekten, die sich auf dem Boden bewegen wie Fahrzeuge oder Schiffe. Die Fähigkeit, Bodenobjekte zu verfolgen, erstreckt sich nicht auf Menschen."

Zweifel, wie von Bürgerrechtlern wie der Electronic Frontier Foundation geäußert, wird man damit nicht aus der Welt schaffen, auch wenn die Erkennung von Kfz-Schildern oder Gesichtern nach Experten, so die Washington Post, nur sehr bedingt aus dieser Kameraperspektive von oben möglich ist. Auch ohne Identifizierung reicht aber schon die Lokalisierung, beispielsweise über das Handy oder durch andere Informationen aus, um einzelne Fahrzeuge oder Menschen verfolgen zu können, wie das schließlich auch mit den bewaffneten Drohnen gemacht wird. Man muss nur die Daten zusammenführen. Fahrzeuge können immerhin bis zu einer Entfernung von 220 km entdeckt werden.

Überwachungssystem. Bild: Raytheon

In Utah, wo die Blimps zuvor getestet wurden, waren sie von Raytheon auch mit dem MTS-B-System mit optischen und Infrarot-Sensoren (Multi-Spectral Targeting System) ausgestattet gewesen. Bei den Predator-Drohnen werden damit Gegner verfolgt und für die Hellfire-Raketen durch Laser markiert. Was diese Systeme genau leisten können, unterliegt der Geheimhaltung, angeblich können Menschen bis zu einer Entfernung von 30 km erkannt werden. Raytheon pries das System an, weil so mit JLNS selbst durch Rauch in einer Übung verfolgt werden konnte, wie ein Mensch, der einen Terroristen spielte, eine Straßenbombe platzierte. Ansonsten habe man in Echtzeit LKWs, Züge und Fahrzeuge bis zu einer Entfernung von Dutzenden von Meilen beobachten können.

Raytheon verspricht:

Mission: See Everything

Seeing through walls. Hearing in 3D. Feeling footsteps. From handheld radars to satellite cameras, Raytheon makes its customers all-knowing and all-seeing.