Misstrauen in die Wahlcomputer: Zweifel am Ausgang der Wahl?
Zehn Prozent der kalifornischen Wähler werden mit Diebold-Touchscreen-Systemen abstimmen, die nach Meinung von Experten Sicherheitslücken aufweisen
Die Wahl in Kalifornien ist nicht nur deswegen spannend, ob tastsächlich wieder einmal ein Schauspieler lediglich durch seine Prominenz und wegen seiner Ferne zur Politik zum neuen Gouverneur des bevölkerungsreichsten und auch wirtschaftlich bedeutendsten US-Bundesstaats gewählt wird. Spannend könnte auch werden, inwieweit die Menschen dem Wahlausgang überhaupt Glauben schenken mögen. Die Kalifornier stimmen nicht nur mit dem seit Florida in Misskredit geratenen Lochkartenmaschinen, sondern auch mit Touchscreen-Computersystemen ab, die ebenfalls umstritten sind (Riskante Wahl-Entscheidungen).
Die Akzeptanz von Wahlen beruht bei den Bürgern im Wesentlichen auf dem Vertrauen, dass die abgegeben Stimmen richtig gezählt werden. Abgesehen davon, dass in den USA die Wahlbeteiligung gering ist und auch ein mehrheitlich gewählter Präsident wie George Bush, der nur durch Gerichtsentscheid die Wahl 2000 gewonnen hatte, keineswegs damit die faktische Mehrheit des Volkes repräsentiert, ist zumindest seit den letzten Präsidentschaftswahlen das Misstrauen in die Wahlverfahren und die Korrektheit der Auszählung größer geworden (George W. Bush ist rechtlich, aber wahrscheinlich nicht faktisch der von der Mehrheit gewählte US-Präsident).
Im Falle der kalifornischen Recall-Wahl müssen die Bürger im ersten Schritt darüber stimmen, ob sie wollen, dass der bisherige Gouverneur Davis im Amt bleibt oder sie ihm das Vertrauen entziehen. Im zweiten Schritt muss dann über den etwaigen Nachfolger abgestimmt werden, was gar nicht so einfach ist, da sich eine bunte Schar von 135 Bewerbern zur Wahl hat aufstellen lassen ("Ich atme"). Wie es das Gesetz vorsieht, dürfen die Bewerber nicht alphabetisch auf der Liste angeordnet werden, weil dies die ersten bevorzugen könnte. Daher wird in den verschiedenen Wahlbezirken die Anordnung nie dieselbe sein. Es werden erst einmal zufällig Buchstaben für eine erste Anordnung ausgewählt und dann rückt jeweils in der ansonsten gleichen Reihenfolge der letzte Buchstabe an die erste Stelle.
Die US-Regierung hat zwar mehrere Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt, damit die veralteten Wahlmaschinen durch "Direct Recording Electronic" (DRE) Systems, also durch Computer, ersetzt werden. Doch Diebold, einer der größten Hersteller von solchen Touschscrenn-Wahlcomputern, ist seit einiger Zeit in die Kritik geraten, weil sie unsicher sind und der Manipulation offen stehen. Wir hatten darüber schon ausführlich berichtet (US-Wahlcomputer mit vielen Manipulationsmöglichkeiten sowie Das Problem mit den elektronischen Wahlsystemen und der amerikanischen Demokratie). Nachdem nun immer mehr US-Bürger mit solchen Blackbox-Systemen abstimmen müssen, taucht das Gespenst von Wahlmanipulationen auf und wird das Problem des Vertrauens in die Wahlen und damit letztlich auch in die Legitimität der Regierung immer stärker werden.
Nun müssen die Kalifornier also nicht nur teilweise an den unzuverlässigen Lochkartensystemen abstimmen, im Alameda County und im Riverside County werden etwa 10 Prozent der insgesamt 15 Millionen Wahlberechtigten, just auf 4.000 von solchen Diebold-Systemen ihre Stimme abgeben - und womöglich nie sicher sein können, dass sie korrekt erfasst und ausgewertet wird. Wie Computerexperten festgestellt haben, ließen sich die abgegebenen Stimmen nachträglich so manipulieren, dass sich das nicht nachweisen oder überprüfen ließe. Kritiker fordern daher, dass die Stimmabgabe auch auf Papier ausgedruckt werden müsse, damit eine unabhängige Erfassung und Überprüfung möglich ist. In zwei anderen Counties werden Wahlcomputer von anderen Herstellern verwendet.
Erst letzten Monat wurde von Maryland ein Bericht über die Wahlcomputer von Diebold veröffentlicht, der eine ganze Reihe von Sicherheitslücken auf vielen Ebenen aufführt und vor einem hohen Risiko der Manipulierbarkeit warnt:
This Risk Assessment has identified several high-risk vulnerabilities in the implementation of the managerial, operational, and technical controls for AccuVote-TS voting system. If these vulnerabilities are exploited, significant impact could occur on the accuracy, integrity, and availability of election results.
Nach Informationen, die Wired News über eine Trainingssitzung für Wahlhelfer im Alameda County erhalten hat, gibt es auch dort neben den nicht ausreichend geschulten Personal zahlreiche Sicherheitslücken, die eine Manipulation erlauben würden und die beispielsweise auch im Maryland-Bericht oder auch in einem Bericht erwähnt werden, den eine von der kalifornischen Regierung einberufene Ad Hoc Touch Screen Task Force schon Anfang Juli veröffentlicht hatte.
So würden die Wahlcomputer schon Tage vor der Wahl mit dem Wahlprogramm an die Wahllokale gebracht und dort kaum gesichert untergestellt. Man könnte das Programm verändern, so dass die Stimmen für den einen Kandidaten beispielsweise auf einen anderen entfallen, oder die Speicherkarte im vorneherein manipulieren. Wahlleiter und die Wahlhelfer, bei denen keine Hintergrundüberprüfungen gemacht würfen, haben Schlüssel zum Wahllokal, mit denen sie auch auf alle Computer zugreifen können. Auch der Umgang mit den Kennwörtern ist lax. In den Diebold-Handbüchern, die die Wahlhelfer mit nach Hause nehmen konnten, steht das Kennwort, mit dem am Ende des Wahltags die Abstimmung beendet wird.
Möglichkeiten der Manipulation böte auch die Versendung der Daten von den Wahllokalen über eine Telefonleitung - auch wenn vermutlich nicht über das Internet - an die Zentrale. Da vermutlich, wie Analysen der Diebold-Software herausgefunden haben, die Daten nicht verschlüsselt werden, könnte sie unterwegs abgefangen und verändert werden. Die Software hatte Diebold eine Zeitlang frei zugänglich im Internet präsentiert, so dass jeder das nötige Wissen haben könnte. Angeblich werde bei den Alameda-Computern die Softwareversion 4.3.1.1 verwendet, die von Experten untersuchte Softwareversion war 4.3. Es dürfte sich also nicht allzuviel verändert haben.
Das Alameda County hat allerdings bereits eine Sicherung dafür eingebaut. So werden die eingegebenen Stimmen nicht nur auf der Speicherkarte, sondern zusätzlich auf der Festplatte gespeichert. Eine Manipulation bei der Übertragung ließe sich so nachprüfen.
Mark Radke von Diebold versichert, dass es bislang noch keine Vorfälle bei den 50.000 Wahlcomputern gegeben habe. Beamte des Riverside County sagen, sie hätten "totales Vertrauen" in die Maschinen. Mischelle Townsend, zuständig für Registrierung der Stimmen, erklärt: "Es hat niemals auch nur einen einzigen Fall für das gegeben, was die Wissenschaftler befürchten." Nach der Wahl würde noch eine zusätzliche Überprüfung durchgeführt. Es werden in jedem Wahlbezirk ein Prozent der abgegebenen Stimmen ausgedruckt und mit den digital gespeicherten verglichen.
Doch das Misstrauen lässt sich nicht so einfach vertreiben. David Hill, ein Computerwissenschaftler von der Stanford University, hatte schon vor einiger Zeit eine Petition verfasst. Sie wurde von einigen hundert Computerexperten mitunterzeichnet, die darin verlangen, dass keine DRE-Systeme eingeführt werden sollten, wenn keine Papierausgabe möglich ist, um eine unabhängige Überprüfung zu ermöglichen. Er empfahl den Wählern in den vier Counties, die DRE-Systeme verwenden, ihre Abstimmung über Briefwahl vorzunehmen.
Auch die Bürgerrechtsorganisation ACLU will ein scharfes Auge auf die Wahl haben. Daneben hat sich eine California Voter Foundation etabliert. Und natürlich verfolgt man auch bei Black Box Voring alles aufmerksam. Die Seite wird von Bev Harris betrieben, die das Problem mit den Diebold-Wahlcomputern publik gemacht und kürzlich darüber ein Buch veröffentlicht hat. Für die Beobachtung der kalifornischen Wahlen hat sie eine eigene Webseite eröffnet.