Mit dem Masketragen verbundene psychische Folgen
Seite 3: Ich kann Dein Lächeln nicht mehr erkennen
- Mit dem Masketragen verbundene psychische Folgen
- Wir können uns nicht mehr spiegeln
- Ich kann Dein Lächeln nicht mehr erkennen
- Möglicherweise ein historischer Vorläufer
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"Ein Lächeln ist oft das Wesentliche. Man wird mit einem Lächeln bezahlt. Man wir mit einem Lächeln belohnt. Man wird durch ein Lächeln belebt," schreibt Antoine de Saint-Exupery in "Bekenntnis einer Freundschaft". So sehr jeder Mensch sicherlich die Bedeutung des Lächelns und dessen Kraft kennt, so wenig ist vermutlich bekannt, welch zentrale Rolle das Lächeln in der Geschichte der Menschheit spielt, genauer gesagt in der Geschichte der Kooperation, die die menschliche Evolution auszeichnet. Dacher Keltner bemerkt hierzu: "In der evolutionären Werkzeugkiste der Anpassungen, die die Zusammenarbeit fördern, ist das Lächeln vielleicht das wirkungsvollste Werkzeug. (...) Das Lächeln entstand, um kooperative und affiliative Nähe zu erleichtern."
Der Anthropologe und Psychologe Paul Ekman unterscheidet beim Lächeln zwei Formen: Das Lächeln, das die Aktivierung des Jochbeinmuskels (Mundwinkel) und des Augenringmuskels einschließt, als Duchenne- oder D-Lächeln (D smile) bezeichnet (man könnte es auch der Einfachheit halber als ein echtes Lächeln bezeichnen). Andere Formen des Lächelns sind für Ekman Nicht-D-Lächeln (non D smile). Dacher Keltner macht den Unterschied an einem einfachen Beispiel klar: "Wenn sich einem zehn Monate alten Kleinkind seine Mutter nähert, leuchtet das Gesicht des Kleinkindes mit dem D-Lächeln auf; wenn sich ein Fremder nähert, begrüßt dasselbe Kleinkind den Erwachsenen mit einem vorsichtigen Nicht-D-Lächeln."
Die Bedeutung des D-Lächelns für den Menschen kann kaum überschätzt werden, insbesondere wenn man Kleinkinder betrachtet. Die bereits zitierte "Still face procedure" hat hierzu bemerkenswerte Ergebnisse. Die Mutter wird gebeten, sich einfach in der Gegenwart ihres etwa neun Monate alten Säuglings aufzuhalten, aber keinerlei Gesichtsausdrücke zu zeigen, insbesondere nicht zu lächeln. Während das Kleinkind durch die Laborumgebung krabbelt, sucht das Kind im Gesicht seiner Mutter nach Informationen darüber, was sicher und lustig ist und was nicht. Die Mutter sendet aber keinerlei Signal. In einer Umgebung ohne Lächeln erkundet das Kleinkind die Umgebung nicht mehr, nähert sich nicht mehr neuen Spielzeugen an. Das Kind wird schnell unruhig und verzweifelt, oft wild, wölbt sich den Rücken und schreit auf.
Ein weiteres Experiment, das die kommunikative Kraft des Lächelns belegt: Wenn einjährige Säuglinge am Rand einer visuellen Klippe sitzen, die eine Glasfläche über einem steilen Abhang bildet, mit der Mutter auf der anderen Seite, schaut der Säugling sofort zur Mutter, um Informationen über diese wenig eindeutige Szene zu erhalten. Wenn die Mutter Angst zeigt, wird kein einziges Kind über die Glasfläche krabbeln. Wenn die Mutter lächelt, krabbeln hingegen etwa 80 Prozent der Kleinkinder eifrig über die Oberfläche und riskieren dabei potentiellen Schaden, um in der warmen, beruhigenden Mitte des Lächelns ihrer Mutter zu sein.
Messbare Effekte des D-Lächelns lassen sich auch bei Erwachsenen belegen. In der zuvor erwähnten Studie von Ulf Dimberg werden für jeweils nur eine halbe Sekunde auf einem Bildschirm Portraits menschlicher Gesichter gezeigt. Menschen, die so unbewusst ein D-Lächeln gesehen haben, lächeln nicht nur unwillkürlich selber, sondern berichten auch von größerer Zufriedenheit und Wohlbefinden. Tatsächlich setzt ein erlebtes D-Lächeln den Neurotransmitter Dopamin aus, was eine freundliche Annäherung und Zugehörigkeit erleichtert. Ebenso führt es zur Freisetzung des sogenannten Kuschelhormons Oxytocin.
Die existentielle Bedeutung des Lächelns für den Menschen und den bedeutenden Unterschied zwischen einem D-Lächeln, einem echten Lächeln, und einem künstlichen ist enorm. Problematisch aber und im Hinblick auf die Nebenwirkungen der Schutzmaske entscheidend: Ein D-Lächeln kann deutlich schlechter wahrgenommen und von einem künstlichen Lächeln unterschieden werden, wenn die betreffende Person eine Maske trägt. Zwar ist die beteiligte Augenpartie sichtbar, die aber ebenso am D-Lächeln beteiligte Mundpartie jedoch nicht. Es ist also unmöglich zu sehen, ob sich die Lippen und die Mundwinkel bei einem Lächeln in natürlicherweise verziehen oder nicht. In einem weiteren Punkt, erschwert also die Schutzmaske das intuitive und natürliche Verständnis zwischen den Menschen.
Ich sehe nicht, dass Du errötest
Ein weiterer Gefühlsausdruck, der dem Menschen eigen ist, kann wegen der Schutzmaske nicht mehr gelesen werden: das Erröten. Tatsächlich ist der Mensch die einzige Spezies im gesamten Tierreich, die errötet. Charles Darwin nannte daher dieses Phänomen "die eigentümlichste und menschlichste aller Ausdrucksformen." Das Erröten hat eine ganz besondere Funktion in der menschlichen Kommunikation, und sie hat nichts mit der Märchenprinzessin zu tun, wenn sie in einem Hollywoodstreifen ihrem Prince Charming begegnet.
Dacher Keltner resümiert die Bedeutung des Errötens: "Es ist der Ausdruck der Beschämung, die versöhnt, die Menschen in Kontexten von Distanz und wahrscheinlicher Aggression zusammenbringt." Kurz gesagt: Das Erröten ist ein Friedenssignal, da der Mensch seine eigene Verlegenheit und Beschämung zeigt. Aber durch die Maske kann dieses Zeichen nicht mehr wahrgenommen werden.
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