"Moderne Atomkraftwerke"

Block 2 sowie im Bau befindlicher Block 3 des französischen Kernkraftwerks Flamanville (2010). Bild: Schölla Schwarz / CC-BY-3.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Von sagenhaften Temperaturen, Erdgas-Plänen der Bundesregierung, französischen Baustellen und argentinischen Widerstand gegen neue Ölfelder

Das neue Jahr beginnt, wie das alte geendet hat. Nach einer Rekord-Serie von desaströsen Tornados, die Mitte Dezember halbe Städte in Kentucky und benachbarten US-Bundesstaaten wegrasiertenTelepolis berichtete und erklärte den Zusammenhang mit dem Klimawandel – nun das: neue Temperaturrekorde im Süden der USA zu Jahresanfang, gleichzeitig ein verheerender Waldbrand im Bundesstaat Colorado und wenige Tage später ein schwerer Schneesturm an der südöstlichen Atlantikküste.

Letzteres ist ungefähr das, was Meteorologen erwarten, wenn warme, feuchte Luft – das Meer vor der US-Ostküste ist für die Jahreszeit viel zu warm – auf kalte Festlandsluft trifft. Der Nachrichtensender CNN berichtet von Verkehrschaos, Autofahrern, die bei sinkenden Temperaturen viele stundenlang auf den Autobahnen feststeckten, und von Stromausfällen. 400.000 Haushalte entlang der Ostküste seien ohne Strom gewesen, davon 300.000 allein in Virginia.

Was die Feuer in Boulder County, also in einem Teil der Vororte von Colorados Hauptstadt Denver angeht, so schreibt der Nachrichtensender NBC, dass in der Gegend gewöhnlich keine Feuer im Winter vorkommen, da dort der Boden in der Region am Fuße der Rocky Mountains zu dieser Jahreszeit feucht von Schnee zu sein pflegt.

Die Brände hätten sich jedoch beängstigend schnell ausgebreitet. Einer der vielen Gründe dafür, heißt es beim US-Wetterdienst, sei eine Rekord-Trockenheit. Das zweite Halbjahr 2021 (genauer: die Zeit vom 1. Juli bis zum 29. Dezember) sei zum Beispiel in Colorados Hauptstadt Denver das trockenste je beobachtete Halbjahr gewesen.

Brandexperten warnen davor, dass solche Feuer künftig aufgrund des Klimawandels öfter auftreten könnten, meint NBS. In Boulder würde es von September bis Dezember für gewöhnlich 30 Zoll (76,2 Zentimeter) Niederschlag geben, 2021 sei es hingegen nur ein Zoll gewesen (2,54 Zentimeter).

Starke Winde haben dafür gesorgt, dass die Feuer schnell auf dichte Stadtrandsiedlungen übergriffen und dort bis zu 1.000 Häuser zerstört haben. Der erste stärkere Schneefall dieses Winters half am Silvesterabend, das Feuer unter Kontrolle zu bekommen.

Die Washington Post berichtet von der schlimmsten Feuerkatastrophe in der Geschichte des Bundesstaates. Für gewöhnlich dauere die Saison für Buschbrände von Mai bis September.

Boulder ist übrigens auch Sitz einer wichtigen Universität, die zu den ersten Adressen der US-Klimaforschung und der dortigen Geowissenschaften im Allgemeinen gehört. Auch verschiedene Institute und Einrichtungen der US-Behörde für Ozeane und Atmosphäre sind dort angesiedelt.

Hierzulande hat derweil der Deutsche Wetterdienst "sagenhafte" Temperaturabweichungen vom langjährigen Mittelwerten und einem der wärmsten Jahreswechsel in der Wettergeschichte registriert. Kein Vergleich jedenfalls zu der – im anderen Sinne extremen – Witterung, die dem Autor dieser Zeilen einst ein paar zusätzlich Ferientage bescherte.

Doch natürlich sind hierzulande auch in einem global wärmeren Klima winterliche Kälteeinbrüche und schwere Schneestürme, wie sie Dänemark und Norddeutschland im Winter 1978/79 erlebten, noch möglich. Die Zeiten, in denen es, wie in den 1960er und 1970er-Jahren auch im Flachland zuverlässig Schnee gab, sind allerdings passé.

Nachhaltig unnachhaltig

In Brüssel, bei der EU-Kommission, hat man derweil Überstunden geschoben. Ausgerechnet in der Silvesternacht, dem in vielen Teilen Westeuropas wärmsten Silvester seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen, hat sie den Entwurf für eine sogenannten Taxonomie verschickt, der bereits im Vorfeld für einige Aufregung gesorgt hatte.

In diesem Dokument, dem die Regierungen der Mitgliedsstaaten noch zustimmen müssen, wird definiert, welche Technologien als nachhaltig anzusehen sind. Das soll der Finanzwirtschaft als Orientierung dienen und könnte auch Auswirkungen auf die nationalen Förderungspolitiken haben.

Für viel Kritik sorgt bei Umweltschützern die Tatsache, dass sowohl Atomkraft als auch Erdgasinfrastruktur als nachhaltig eingestuft werden sollen. Das Münchner Umweltinstitut verweist zum Beispiel darauf, dass neue Atomkraftwerke "viel zu teuer und vor allem viel zu langsam" seien. Für die Planungs- und Bauzeit sei mit zwei Jahrzehnten zu rechnen.

Das bestätigen die beiden Baustellen des Europäischen Druckwasserreaktor EPR, der in den 1990ern einst als die große Zukunft der Atomkraft angepriesen worden war. Im finnischen Olkiluoto wurde 2005 und im französischen Flammanville 2007 mit dem Bau begonnen. In Finnland wollte man bereits 2009 fertig sein, inzwischen sieht es so aus, als ob der Reaktor 2022 ans Netz gehen wird.

In Flammanville war die Fertigstellung für 2014 geplant und inzwischen scheint man tatsächlich mehr oder weniger fertig, doch eine Genehmigung zum Anfahren gibt es nicht. Dafür müssten erst die Vorgänge im chinesischen Taishan in der Nähe Hongkongs aufgeklärt werden, schreibt das Neue Deutschland.

Dort hatte man zwar schneller gebaut, aber ob das auch sicherer ist, muss sich erst noch zeigen. Wie berichtet musste der dort stehende weltweit einzige in Betrieb befindliche EPR im August '21 heruntergefahren werden. Offenbar hatte ein Konstruktionsfehler zu einer Beschädigung der Brennstäbe und einem Gasaustritt geführt.

Vor diesem Hintergrund hat es schon ein gewisses Geschmäckle, dass ein Sprecher in der ARD-Tagesschausprecher am 3. Januar meinte, der EU-Kommission gehe es mit dem Nachhaltigkeits-Etikett um die Förderung "moderner Atomkraftwerke".

Beredtes Schweigen

Derweil bleibt abzuwarten, ob die Regierungen den Vorschlag der Kommission annehmen. Trotz der ungewöhnlichen Terminierung seiner Veröffentlichung, die mehr nach einer Nacht- und Nebel-Aktion aussieht, kam der Vorstoß nicht überraschend. Die Diskussion wird bereits seit Wochen halb-öffentlich geführt und Telepolis hatte mehrfach darüber geschrieben.

Unter anderem hatten wir schon Ende November über einen Entwurf der Kommission und die Pläne der österreichischen Regierung berichtet, gegen die Bevorzugung der Atomkraft zu klagen. Dort hatte 1978 ein Volksentscheid die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf verhindert, des einzigen in der Alpenrepublik je gebauten Atomkraftwerks.

Wie die Bundesregierung sich verhalten wird, ist noch offen. Aus den Reihen der Grünen kam viel Kritik an dem Vorstoß in Sachen Atomkraft, doch zum Thema Erdgas ist bisher wenig zu hören. Das ist durchaus erstaunlich, denn schließlich ist Erdgas auch ein fossiler Brennstoff, bei dessen Verbrauch das Treibhausgas Kohlendioxid emittiert wird.

Zusätzlich ist bei Erdgas auch Förderung und Transport problematisch. Insbesondere beim sogenannten Fracking werden größere Mengen Gas freigesetzt. Diese besteht hauptsächlich aus Methan, das ein stark wirkendes Treibhausgas ist.

Dennoch hat ein Sprecher der Bundesregierung zu Beginn der Woche ausdrücklich die Einstufung des Erdgas als nachhaltig begrüßt. Die Ampel-Koalition setzt auf den Neubau von Gaskraftwerken als Ergänzung zu Windkraft und Sonnenenergie.

Das ist durchaus auch aus Sicht des Klimaschutzes sinnvoll, solange diese mit Wasserstoff betrieben werden können. Der könnte bei einem massiven Ausbau der Erneuerbaren per Elektrolyse erzeugt werden, wenn viel Wind- oder Sonnenstrom zur Verfügung steht und gespeichert werden muss.

Allerdings ist auch der Bau von Erdgasterminals für Flüssiggas aus den USA geplant (vgl. EU-Taxonomie: Ein abgekarteter Handel).

Das wäre die besonders schädliche Erdgasvariante, da per Fracking gefördert. Die Terminals werden sich aber, wie die neue Ostseepipeline aus Russland nur rentieren, wenn sie einige Jahrzehnte genutzt werden, wenn also Erdgas bis 2050 oder darüber hinaus verbrannt wird. Da aber wäre mit einem ernsthaften Klimaschutz nicht im Geringsten zu vereinbaren.