Mörderische Hitze

Seite 2: Biber als Profiteure des Klimawandels

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Dass Hitze und ausbleibender Regen so dramatische Folgen haben hat natürlich auch damit zu tun, dass Mitteleuropa längst seine natürliche Vegetation, die Wälder, verloren hat. Aber die Landwirtschaft braucht natürlich ihren Platz.

Doch vielleicht wäre es dennoch sinnvoll hier und da mehr unberührte Plätze vorzuhalten, wo zum Beispiel die Biber ihre Dämme Bauen und Bäche aufstauen können. Das erhöht nämlich die Fähigkeit der Landschaft, Wasser zu speichern, erheblich.

Zum Glück breiten sich die großen Nager ja inzwischen wieder aus, nach dem sie einst fast vollständig verschwunden waren. Nicht immer sind die Landwirte glücklich über die absterbenden Bäume oder unverhofften Feuchtgebiete, die ihnen der Pelzträger beschert. Doch noch gilt er als vom Aussterben gefährdete und daher geschützte Art und darf nicht bejagt werden.

Waldschützer Biber

Auch seinem nordamerikanischer Vetter geht es wieder besser. Im 19. Jahrhundert war er zwischen Atlantik und Pazifik wegen seines begehrten Pelzes fast ausgerottet worden. Seit den 1920ern erleben Biber ein Revival und machen sich dabei durchaus nützlich.

Die Angewohnheit der Biber Dämme zu bilden und damit Bäche und kleine Flüsse aufzustauen, erhöht nicht nur lokal die biologische Vielfalt, sie führt auch dazu, dass der Grundwasserspiegel steigt. Mehr Wasser wird in der nassen Jahreszeit zurückgehalten, so dass die Flüsse dann in der Trockenzeit voller sind. Das kann Trockenperioden deutlich erträglicher machen.

Schon vor zehn Jahren haben Glynnis A. Hood und Suzanne E. Bayley von der Universität von Alberta (Kanada) beschrieben, wie die großen Nager damit kanadische Wälder schützen können, die durch die globale Erwärmung verstärkt unter Trockenstress geraten.

Wie auch hierzulande sorgen die haarigen "Ökosystem-Ingenieure" mit ihren Aktivitäten in besiedelten Gebieten für manchen Ärger, aber in den Wäldern im Westen Kanadas haben sie zumindest in einigen Regionen gezeigt, dass sie deren Gesundheit zuträglich sind.

Obwohl ihre Population bisher mit zehn bis 15 Millionen auf nicht einmal ein Zehntel ihrer ursprünglichen Größe angewachsen ist, breitet der Biber sich inzwischen auch in Gegenden aus, die ursprünglich nicht zu seinem Lebensraum gehörten.

Moderne Migranten

Neuestes Migrationsziel ist die bisher baumlose Tundra im Westen und Nordwesten Alaskas und im Nordwesten Kanadas. Die Gründe dafür sind unklar, Ausbreitungsdrang und Klimawandel könnten eine Rolle spielen.

Einst war die Arktis mit ihrer Baumlosigkeit und Gewässern, die fast bis zum Boden zufrieren äußerst unattraktiv. Doch im Zuge des Klimawandels hat sich die Arktis seit Ende des 19. Jahrhunderts um 1,8 Grad erwärmt, schreibt das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) in einer Pressemitteilung. Sie ist grüner geworden, entlang der Flüsse und Seen wachsen mehr und höhere Gehölze als früher, und das Eis auf dem Wasser wird weniger. Aus Biber-Sicht sind das alles gute Nachrichten.

Landschaftsgestalter Biber: 56 neue Seen angelegt

Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam hat untersucht, welche Folgen die von den Tieren verursachten Veränderungen ganzer Ökosysteme haben. Heraus kam, dass sie zum Auftauen des Dauerfrostbodens beitragen, schreiben die Forscher im Fachjournal Global Change Biology.

Ken Tape, Benjamin Jones und Christopher Arp von der University of Alaska in Fairbanks haben zusammen mit Ingmar Nitze und Guido Grosse vom AWI die Studie durchgeführt. Dafür wurde auf Satellitenaufnahmen eines Gebietes im Nordwesten Alaskas, das mit gut 18.000 Quadratkilometern fast so groß ist wie Sachsen, nach den Spuren der Nager gefahndet. Ergebnis: Die Tiere haben dort zwischen 1999 und 2014 insgesamt 56 neue Seen angelegt.

Anhand der Verteilung dieser Gewässer ließ sich auch abschätzen, wie schnell und auf welchen Routen die umtriebigen Landschaftsgestalter die Arktis erobern. Die Forscher nehmen an, dass sie in ihrem Untersuchungsgebiet vor allem entlang der Küsten und der größeren Flüsse vordringen und dabei im Schnitt etwa acht Kilometer pro Jahr vorankommen. "In 20 bis 40 Jahren könnten die Tiere geeignete Gewässer im ganzen arktischen Alaska besiedelt haben", meint Ingmar Nitze.

Das kann eine ganze Reihe von Folgen haben, heißt es beim AWI. Zum einen würden aus Fließgewässern abwechslungsreiche und dynamische Mosaike aus Seen, Flussabschnitten und Feuchtgebieten. Wie in anderen Regionen der Erde könnten davon wahrscheinlich viele andere Tiere und Pflanzen profitieren.

Zumal die aufgestauten Biber-Seen und auch die unterhalb davon gelegenen Flussabschnitte wärmer sind als andere Gewässer der Region. Auch das verbessert für viele Arten die Lebensbedingungen. So tauchen Lachse in etlichen arktischen Flüssen zwar ab und zu auf, können sich aber wegen der zu niedrigen Temperaturen von Wasser und Sediment dort nicht fortpflanzen. Die Forscher halten es durchaus für möglich, dass sich das durch die Aktivitäten der Biber künftig ändern wird.

Der Haken

Das wärmere Wasser der Seen erwärmt den Boden in der Nachbarschaft. Abgesehen von den obersten Zentimetern bleibt der normalerweise bis in Tiefen von etlichen hundert Metern dauerhaft gefroren. Mit Sorge beobachten Wissenschaftler, dass dieser sogenannte Permafrost im Zuge des Klimawandels verstärkt auftaut. Denn dabei kann der Boden vermehrt Treibhausgase freisetzen und instabil werden.

Einen solchen Effekt, so das Ergebnis der Studie, können offenbar auch die Biber auslösen. "Unter und neben ihren Seen wird der Permafrost verstärkt degradiert", berichtet Nitze. Das sei allerdings für ihn kein Grund, die Nager zu bekämpfen. "Das Hauptproblem der Arktis und ihrer Böden ist der Klimawandel", betont der Forscher. "Und nicht der Biber."