Mörderische Hitze

Foto: USEPA Environmental-Protection-Agency / gemeinfrei

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Stürmen und Fluten, Hitze und Dürre, Ernteausfällen und einem Nager, dem der Klimawandel ganz gut gefällt

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Dieser Sommer begann an diversen Orten der nördlichem Hemisphäre mit extremen Wetter und es hat ganz den Anschein, dass es auch so weiter gehen soll. Über die dramatischen Niederschläge und Überschwemmungen im Westen Japans hatten wir an dieser Stelle bereits letzte Woche geschrieben.

Zwischenzeitlich ist dort die Zahl der Todesopfer auf über 200 angestiegen. Derweil bildet sich südöstlich von Taiwan gerade der nächste Taifun heraus, der in den nächsten Tagen erst Okinawa und dann das chinesische Festland treffen wird. Für China wird das dann der dritte Tropensturm binnen zweier Wochen.

Die Weltmeteorologieorganisation WMO berichtet außerdem über extreme Hitze in verschiedenen Teilen der Welt.

Nachts nicht unter 42,6 Grad

In Quriyat im Süden der arabischen Halbinsel in Oman sank am 28. Juni das Thermometer nicht unter 42,6 Grad Celsius. Das heißt, selbst nachts war es dort noch so warm.

Die WMO meint dazu, dass bisher zwar keine Rekordtabellen für die höchste Tagesminimumtemperatur geführt werden, man aber annehme, dass diese Messung vermutlich den Spitzenplatz in einer solchen Rangliste einnehmen würde.

Im Innern Algeriens, im Wüstenort Ouargla, wurden am 5. Juli gar 51 Grad Celsius gemessen. Das sei vermutlich der höchste je vertrauenswürdig für Algerien registrierte Wert. Aus dem benachbarten Tunesien gibt es aus dem Juli 1931 eine Meldung von 55 Grad Celsius, die als höchster je in Afrika gemessener Wert gilt. Allerdings gebe es offene Fragen zur Güte der Temperaturdaten aus dem kolonialen Afrika.

53 Grad und es geht noch weiter

Die höchste je auf der Erde gemessene Lufttemperatur in zwei Meter Höhe über dem Boden mit einem gegen die Sonne abgeschirmten und von der Außenluft umströmten Thermometer ist 56,7 Grad Celsius und wurde am 10. Juli 1913 im US-Bundesstaat Kalifornien registriert. Der Ort wird entsprechend Furnace Creek genannt. Am 8. Juli wurden dort 53 Grad Celsius gemessen.

Auch in anderen Teilen Kaliforniens herrscht weiter starke Hitze. In der Innenstadt von Los Angeles betrug die nächtliche Minimumtemperatur am 7. Juli 26,1 Grad, was nach Angaben der Meteorologen für die Stadt und den Monat Juli einen neuen Höchstrekord darstellt.

Mit 48,9 Grad Celsius sah Chino in der Nähe Los Angeles am gleichen Tag einen neuen Allzeitrekord. Auch weitere Orte stellten ähnliche Rekorde mit Temperaturen von 45 bis über 47 Grad Celsius auf. Zur gleich Zeit starben im kanadischen Quebec mehrere Dutzend meist älterer Menschen an den Folgen einer Hitzewelle, die mit hoher Luftfeuchtigkeit einherging.

Temperatur-Anomalie am 17. Juli. Abweichung der lokalen Tagesmitteltemperatur vom Durchschnitt der Jahre 1979 bis 2000. In der Sahara sowie in weiteren Teilen Westasiens ist es zurzeit extrem heiß. Die dort in dieser Jahreszeit ohnehin hohen Durchschnittstemperaturen werden noch übertroffen. Bild: ClimateReanalyzer.org

Hohe Temperaturen, Dürre und große Waldbrände werden außerdem aus Sibirien gemeldet, während die innere Arktis im Juni unterdurchschnittliche Temperaturen aufwies. Das Meereis zieht sich dort dennoch rasch zurück.

Schließlich leiden auch Teile Europas seit Wochen unter heißem Wetter. Besonders betroffen sind die britischen Inseln, Südskandinavien und Nord- und Ostdeutschland. Selbst im Norden Finnlands klettert derzeit das Thermometer am Tag auf 28 Grad Celsius. Streckenweise herrschen bereits Dürre-Bedingungen und zum Teil höchste Warnstufen für Waldbrände.

Erhebliche Ernteeinbußen

Nach einem in Ostdeutschland viel zu trockenem und ganz außergewöhnlich warmen Mai müssen viele Landwirte inzwischen mit erheblichen Ernteeinbußen rechnen. Noch scheint es keinen rechten Überblick über die Schäden zu geben, aber ein Blick auf Felder und Wiesen lässt keinen Zweifel aufkommen, dass erneut eine äußerst magere Ernte bevorsteht.

Nachdem im letzten Jahr Regen zur Unzeit für schlechte Ernten sorgte, ist in diesem Jahr die Trockenheit der Übeltäter. Die Ausbeute bei Getreide ist spärlich, und meist musste die dürftige Ernte verfrüht eingefahren werden, damit die Körner nicht schon auf dem Feld aus den Ähren fallen.

Die Lage sei vielerorts dramatisch und treffe die Landwirtschaft hart, zitiert Agrarheute den agrarpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Friedrich Ostendorff:

Die Zunahme von Trockenereignissen in den vergangenen Jahren ist charakteristisch für eine anhaltende Entwicklung. Die Vegetationszeit wird immer länger und Wetterextreme, wie Trockenheit oder Starkregen nehmen immer mehr zu. Der Anbau von Sommerkulturen wird immer schwieriger. Das Risiko für die Landwirtschaft steigt.

Friedrich Ostendorff, Bündnis 90/Die Grünen

Ostendorff fordert in einer Stellungnahme von der Bundesregierung Liquiditätshilfen für die in Not geratenen Bauern. Außerdem weist er daraufhin, dass Umstellungen in der Landwirtschaft diese besser an die Klimaveränderungen anpassen könnten. Humusbildung erhöhe auch die Fähigkeit des Bodens, Wasser zu speichern.

Spärliches von Klöckner

Das Bundesministerium schweigt in seiner Pressemitteilung über die Trockenheit zu den Forderungen der Grünen nach Soforthilfen oder denen der FDP nach einem langfristigen Risikomanagement. Ministerin Julia Klöckner (CDU) lässt nur mitteilen, dass sie die Ernteausfälle bei Getreide und Raps bitter findet, ihr von Problemen beim Obst nichts bekannt ist und sie sich zunächst einen Überblick verschaffen will.

Laut Agrarheute verortet die Bundesregierung die Verantwortung eher bei den Ländern. Aus Brandenburg meldet der Sender immerhin Zusagen der Landesregierung an die Bauern. Brandenburg und Berlin würden derzeit die schlimmste Dürre seit mindestens 55 Jahren erleben.

Vor steigenden Brotpreise muss indes bisher keiner Angst haben. Der Anteil des Getreides am Preis der Backwaren liegt unter zehn Prozent, schreibt das Handelsblatt. Beim heimischen Obst ist die Situation durchwachsen.

In der Zeit der Obstblüte herrschten meist optimale Bedingungen, sodass in Ostdeutschland die Kirschbäume prallvoll hingen und meist bereits vorzeitig abgeerntet sind. Apfel- und Pflaumenbäume werden jedoch in Brandenburg dort, wo nicht bewässert werden kann, weniger tragen. Deshalb ist in diesem Segment vermutlich mit Knappheit zu rechnen.

Biber als Profiteure des Klimawandels

Dass Hitze und ausbleibender Regen so dramatische Folgen haben hat natürlich auch damit zu tun, dass Mitteleuropa längst seine natürliche Vegetation, die Wälder, verloren hat. Aber die Landwirtschaft braucht natürlich ihren Platz.

Doch vielleicht wäre es dennoch sinnvoll hier und da mehr unberührte Plätze vorzuhalten, wo zum Beispiel die Biber ihre Dämme Bauen und Bäche aufstauen können. Das erhöht nämlich die Fähigkeit der Landschaft, Wasser zu speichern, erheblich.

Zum Glück breiten sich die großen Nager ja inzwischen wieder aus, nach dem sie einst fast vollständig verschwunden waren. Nicht immer sind die Landwirte glücklich über die absterbenden Bäume oder unverhofften Feuchtgebiete, die ihnen der Pelzträger beschert. Doch noch gilt er als vom Aussterben gefährdete und daher geschützte Art und darf nicht bejagt werden.

Waldschützer Biber

Auch seinem nordamerikanischer Vetter geht es wieder besser. Im 19. Jahrhundert war er zwischen Atlantik und Pazifik wegen seines begehrten Pelzes fast ausgerottet worden. Seit den 1920ern erleben Biber ein Revival und machen sich dabei durchaus nützlich.

Die Angewohnheit der Biber Dämme zu bilden und damit Bäche und kleine Flüsse aufzustauen, erhöht nicht nur lokal die biologische Vielfalt, sie führt auch dazu, dass der Grundwasserspiegel steigt. Mehr Wasser wird in der nassen Jahreszeit zurückgehalten, so dass die Flüsse dann in der Trockenzeit voller sind. Das kann Trockenperioden deutlich erträglicher machen.

Schon vor zehn Jahren haben Glynnis A. Hood und Suzanne E. Bayley von der Universität von Alberta (Kanada) beschrieben, wie die großen Nager damit kanadische Wälder schützen können, die durch die globale Erwärmung verstärkt unter Trockenstress geraten.

Wie auch hierzulande sorgen die haarigen "Ökosystem-Ingenieure" mit ihren Aktivitäten in besiedelten Gebieten für manchen Ärger, aber in den Wäldern im Westen Kanadas haben sie zumindest in einigen Regionen gezeigt, dass sie deren Gesundheit zuträglich sind.

Obwohl ihre Population bisher mit zehn bis 15 Millionen auf nicht einmal ein Zehntel ihrer ursprünglichen Größe angewachsen ist, breitet der Biber sich inzwischen auch in Gegenden aus, die ursprünglich nicht zu seinem Lebensraum gehörten.

Moderne Migranten

Neuestes Migrationsziel ist die bisher baumlose Tundra im Westen und Nordwesten Alaskas und im Nordwesten Kanadas. Die Gründe dafür sind unklar, Ausbreitungsdrang und Klimawandel könnten eine Rolle spielen.

Einst war die Arktis mit ihrer Baumlosigkeit und Gewässern, die fast bis zum Boden zufrieren äußerst unattraktiv. Doch im Zuge des Klimawandels hat sich die Arktis seit Ende des 19. Jahrhunderts um 1,8 Grad erwärmt, schreibt das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) in einer Pressemitteilung. Sie ist grüner geworden, entlang der Flüsse und Seen wachsen mehr und höhere Gehölze als früher, und das Eis auf dem Wasser wird weniger. Aus Biber-Sicht sind das alles gute Nachrichten.

Landschaftsgestalter Biber: 56 neue Seen angelegt

Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam hat untersucht, welche Folgen die von den Tieren verursachten Veränderungen ganzer Ökosysteme haben. Heraus kam, dass sie zum Auftauen des Dauerfrostbodens beitragen, schreiben die Forscher im Fachjournal Global Change Biology.

Ken Tape, Benjamin Jones und Christopher Arp von der University of Alaska in Fairbanks haben zusammen mit Ingmar Nitze und Guido Grosse vom AWI die Studie durchgeführt. Dafür wurde auf Satellitenaufnahmen eines Gebietes im Nordwesten Alaskas, das mit gut 18.000 Quadratkilometern fast so groß ist wie Sachsen, nach den Spuren der Nager gefahndet. Ergebnis: Die Tiere haben dort zwischen 1999 und 2014 insgesamt 56 neue Seen angelegt.

Anhand der Verteilung dieser Gewässer ließ sich auch abschätzen, wie schnell und auf welchen Routen die umtriebigen Landschaftsgestalter die Arktis erobern. Die Forscher nehmen an, dass sie in ihrem Untersuchungsgebiet vor allem entlang der Küsten und der größeren Flüsse vordringen und dabei im Schnitt etwa acht Kilometer pro Jahr vorankommen. "In 20 bis 40 Jahren könnten die Tiere geeignete Gewässer im ganzen arktischen Alaska besiedelt haben", meint Ingmar Nitze.

Das kann eine ganze Reihe von Folgen haben, heißt es beim AWI. Zum einen würden aus Fließgewässern abwechslungsreiche und dynamische Mosaike aus Seen, Flussabschnitten und Feuchtgebieten. Wie in anderen Regionen der Erde könnten davon wahrscheinlich viele andere Tiere und Pflanzen profitieren.

Zumal die aufgestauten Biber-Seen und auch die unterhalb davon gelegenen Flussabschnitte wärmer sind als andere Gewässer der Region. Auch das verbessert für viele Arten die Lebensbedingungen. So tauchen Lachse in etlichen arktischen Flüssen zwar ab und zu auf, können sich aber wegen der zu niedrigen Temperaturen von Wasser und Sediment dort nicht fortpflanzen. Die Forscher halten es durchaus für möglich, dass sich das durch die Aktivitäten der Biber künftig ändern wird.

Der Haken

Das wärmere Wasser der Seen erwärmt den Boden in der Nachbarschaft. Abgesehen von den obersten Zentimetern bleibt der normalerweise bis in Tiefen von etlichen hundert Metern dauerhaft gefroren. Mit Sorge beobachten Wissenschaftler, dass dieser sogenannte Permafrost im Zuge des Klimawandels verstärkt auftaut. Denn dabei kann der Boden vermehrt Treibhausgase freisetzen und instabil werden.

Einen solchen Effekt, so das Ergebnis der Studie, können offenbar auch die Biber auslösen. "Unter und neben ihren Seen wird der Permafrost verstärkt degradiert", berichtet Nitze. Das sei allerdings für ihn kein Grund, die Nager zu bekämpfen. "Das Hauptproblem der Arktis und ihrer Böden ist der Klimawandel", betont der Forscher. "Und nicht der Biber."