Mondfieber 2.0

Screenshot aus dem Trailer zum "Google Lunar XPRIZE". Bild: ESA

Reisen zum Erdtrabanten und darüber hinaus

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Der Mond ist der Schlüssel für alles, was wir im Weltraum machen wollen.

Ben Bova: Moonrise (1996)

Demnächst wollen die Menschen wieder zum Mond reisen - in der Vorbereitung neuer bemannter Mondmissionen durch private amerikanische Unternehmen. In der Phantasie und in der Literatur reisen die Menschen bereits seit langem wieder zum Mond. Warum ist der Erdtrabant so interessant für uns? Reicht die Erde als Ort der Beschreibung menschlicher Träume und Fantasien nicht mehr aus? Sind der Mars und die anderen Planeten im Sonnensystem oder gar die neu gesichteten Exoplaneten keine Reiseziele mehr?

Warum steht der öde und leblose Begleiter der Erde wieder im Fokus der Visionäre aus dem privaten Unternehmertum, die sich bei Wissenschaft und Technik bedienen und zu den neuen Geschichtenerzählern werden?

Der Mond hat die Menschheit seit Jahrtausenden berührt und ihnen das Fürchten und die Sehnsucht gelehrt. Die "Himmelsscheibe von Nebra" ist wohl das schönste der alten Relikte einer künstlerischen Darstellung von Mond und Sternen, ihr Alter wird auf 3.700 bis 4.100 Jahre geschätzt. Die älteste bekannte Darstellung des Mondes findet sich auf einer 5.000 Jahre alten Mondkarte in Irlands Knowth. Jules Verne war einer der ersten Schriftsteller, die sich mit der Reise zum Mond beschäftigt hatten, in seinen beiden Klassikern "Von der Erde zum Mond" (1873) und "Reise um den Mond" (1873).

Himmelsscheibe von Nebra. Bild: Dbachmann / CC-BY-SA-3.0

Der erste Science-Fiction-Film ist nach allgemeiner Einschätzung der Film "Die Reise zum Mond" des französischen Filmpioniers Georges Melies aus dem Jahre 1902. Der Mond war immer auch eines der frühen Reiseziele der Science-Fiction-Klassiker, beispielsweise in mehreren Werken von Robert Heinlein: "The man who sold the moon" (1950, deutsch: Der Mann, der den Mond verkaufte, Heyne, 1971), "Destination Moon" (1950), "The Moon is a Harsh Mistress" (1966, deutsch: Der Mond ist eine herbe Geliebte, Bastei-Lübbe, 1994).

Der Hollywood-Blockbuster "Apollo 13" aus dem Jahre 1995 schildert die Beinahe-Katastrophe der Mondmission gleichen Namens und ist für seine emotionale Darstellung der Lösung fast auswegloser technischer Probleme in einer engen Raumkapsel in der Umlaufbahn des Mondes berühmt und somit ein gutes Beispiel für die menschliche Haltung, nicht aufzugeben. Als Höhepunkt aller Mond-Missionen gilt die Landung der Besatzungsmitglieder Neil Armstrong und Edwin Aldrin der Mission Apollo 11 am 21. Juli 1969 um 3:56 MEZ im Meer der Ruhe auf dem Mond. Die Liveübertragung der Fernsehbilder wurde von 600 Millionen Menschen auf der Erde verfolgt und bei CBS News von Walter Cronkite und Walter Schirra moderiert. In Deutschland übertrugen ARD und ZDF die komplette Live-Schaltung, Dr. Günter Siefart kommentierte 28 Stunden lang aus dem eigens gebauten "Apollo-Studio", im ZDF moderierte Heinrich Schiemann.

Zeichnung von Georges Melies zum Film "Le voyage dans la lune". Bild: Public Domain

Nach den ersten Worten von Neil Armstrong auf dem Mond: "That's one small step for man, one giant leap for mankind" bedeutete diese Landung von Menschen auf dem Mond einen Riesenschritt technischer Entwicklung für die gesamte Menschheit und die Öffnung neuer Horizonte im unendlichen All.

Seitdem ist wenig passiert bei der weiteren Erforschung des Mondes, jedenfalls nichts wesentlich Neues durch einen direkten Kontakt von Menschen. Warum also auf einmal die erneute Beschäftigung mit dem öden Erdtrabanten, auf dem es weder literarisch noch wissenschaftlich etwas Neues zu holen gibt, seitdem Norman Mailer seine berühmten drei Berichte im Life-Magazine über die Landung von Apollo 11 geschrieben hatte?1

Die deutsche Ausgabe erschien in der Nachauflage als prachtvoll mit Fotografien und Dokumentationen ausgestatteter Band "Moonfire. Die legendäre Reise der Apollo 11" bei Taschen im Jahre 2014, noch rechtzeitig vor dem 50-jährigen Jubiläum der ersten Mondlandung durch Menschen am 21. Juni 2019. Dieses Buch verbindet die literarische Arbeit eines berühmten Schriftstellers der USA mit Berichten und Dokumentationen der NASA und illustriert auf wunderbare Weise die größte technische Meisterleistung der Menschheit. Wenn man dieses Buch liest, fragt man sich unwillkürlich: Und was kam dann?

Mondfieber 1.0: Die Erfolgsgeschichte der NASA

Der Start in das Weltraumzeitalter der Menschheit kann auf den 12. September 1962 gelegt werden, als der amerikanische Präsident John F. Kennedy im Rice Stadium seine berühmte Mond-Rede hielt, mit der er die NASA verpflichtete, bis zum Ende der Dekade einen Menschen zum Mond und zurück zu bringen:

We choose to go to the moon. We choose to go to the moon in this decade and do the other things, not because they are easy, but because they are hard, because that goal will serve to organize and measure the best of our energies and skills, because that challenge is one that we are willing to accept, one we are unwilling to postpone, and one which we intend to win, and the others, too.

John F. Kennedy

"Wir haben uns entschieden, zum Mond zu gehen. Wir haben uns entschieden, in dieser Dekade zum Mond zu gehen und die anderen Dinge zu machen, nicht, weil sie einfach sind, sondern weil sie schwierig sind, denn dieses Ziel wird dazu dienen, das beste aus unseren Energien und Fähigkeiten zu organisieren und zu bemessen. Diese Herausforderung ist eine, die wir bereit sind anzunehmen, eine Herausforderung, die wir nicht hinausschieben wollen, und eine Herausforderung, die wir gewinnen wollen, ebenso wie die anderen Dinge auch."

Apollo 11: Buzz Aldrin aufgenommen von Neil Armstrong. Bild: NASA

Kennedy reagierte damit auf den Schock, den der sowjetische Sputnik 1 in den USA ausgelöst hatte, als dieser am 4. Oktober 1957 als erster künstlicher Erdtrabant die technischen Möglichkeiten der Amerikaner in der Weltraumfahrt als rückständig blamiert hatte. Der ideologische und politische Wettkampf der Systeme Kapitalismus vs. Kommunismus sowie der Rüstungswettlauf zwischen den USA und der Sowjetunion war in seine heißen Phase getreten und ermöglichte deshalb die Freisetzung immenser Finanzmittel für das Apolloprogramm.

Das gesamte Apollo-Programm, das von Februar 1966 bis zum Dezember 1972 lief, kostete 23,9 Milliarden US-Dollar, was nach heutigen Maßstäben etwa 120 Milliarden US-Dollar entspräche. Im Programm waren 400.000 Menschen beschäftigt, die NASA als planendes und ausführendes staatliches Raumfahrt-Unternehmen trug dazu bei, die entscheidenden naturwissenschaftlich-technischen Kapazitäten der Vereinigten Staaten von Amerika zu bündeln und zu entwickeln. Das Ergebnis war etwas wirklich Neues, noch nie Dagewesenes und für viele Menschen auch kaum Vorstellbares - die Landung von Menschen auf dem Mond.

Apollo 17 (10 Bilder)

Start

Start von Apollo 17 in der Nacht (Bild: NASA)

Noch heute glauben nicht wenige Menschen, dass es sich bei diesem Unternehmen ohnehin nur um ein gigantisches Fernseh-Fake gehandelt habe, um die Mutter der Verschwörungstheorien sozusagen. Weniger verbreitet sind die augenzwinkernden Verschwörungs-Satiren, wie dies beispielsweise Peter Hyams in seinem Film "Unternehmen Capricorn" aus dem Jahre 1978 mit einer vorgetäuschten Reise zum Mars vorgeführt hat. Dieser Film ist auch deshalb erwähnenswert, weil die NASA-Verantwortlichen hier durch diese vorgetäuschte Reise zum Mars die Finanzierung der NASA retten wollen.

Aus einer ideologischen Notlage heraus konnte die Führung in den USA in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts riesige Finanzmittel für ein technisches Abenteuer bewilligen, das die Unterstützung der amerikanischen Öffentlichkeit und schließlich die Bewunderung der ganzen Welt fand. Das technisch Machbare allein zählte nicht, sondern das politisch Mögliche bestimmte die naturwissenschaftlich-technische Entwicklung.

Das Constellation-Programm: die Internationale Raumstation ISS und darüber hinaus

Der amerikanische Präsident George Bush verkündete am 14. Januar 2004 in einer Rede an die Nation eine Anweisung an die NASA, die als Constellation-Programm bekannt wurde. Der Auftrag lautete, die internationale Raumstation ISS bis zum Jahre 2010 fertig zu stellen und die Space Shuttles außer Dienst zu stellen. Es sollte anstelle der Shuttles ein neues Transportsystem, Crew Exploration Vehicle, CEW, entwickelt werden. Als weiteres Ziel wurde genannt, bis zum Jahre 2020 auf den Mond zurückzukehren. Als fernes Ziel war eine bemannte Reise zum Mars vorgesehen.

Studie zu einer Ares V Rakete. Bild: NASA

Die NASA fasste diese Politik im Jahre 2005 in dem sogenannten "NASA Authorization Act 2005" zusammen. Unter der Präsidentschaft von Barack Obama wurden keine weiteren Ideen oder Visionen formuliert, die Budgets wurden weiter reduziert und das Constellation-Programm wurde im Februar 2010 gekündigt, mit der Absicht, den kommerziellen Sektor der amerikanischen Raumfahrt stärken zu wollen. Die internationale Raumstation ISS wurde schließlich im März 2011 fertig gestellt und wird seitdem von russischen Sojus-Kapseln, dem europäischen Raumtransporter ATV (Automated Transfer Vehicle), dem japanischen HTV (H-II Transfer Vehicle) und den Transportraumschiffen Cygnus und Dragon der privaten Firmen Orbital Sciences Corporation (OSC) und Space-X versorgt.

Im Jahre 2017 ist die politische Konstellation auf der Erde eine völlig andere als in den 1960er Jahren des vorigen Jahrhunderts, obwohl die schlechten Beziehungen zwischen den USA und Russland heute fast schon wieder ähnlich paranoide Züge wie die Zeiten des Kalten Krieges aufweisen. Heute verfügt die NASA nicht einmal mehr über ein eigenes Shuttle-System, das ihre Astronauten zur Internationalen Space Station ISS bringt. Diese werden durch russische Raumsonden und die von privaten Unternehmen in den USA, durch Space-X-Dragons, zur ISS und zurück auf die Erde gebracht. Ironischerweise sind die Transportkosten der heutigen Transportsysteme höher als die seinerzeit schon überaus teuren Transportkosten der Space Shuttles, die mit 433 Millionen USD pro Versorgungsflug inklusive aller Wartungskosten beziffert wurden. 2

Mondfieber 2.0 (12 Bilder)

Astronauten neben dem Landemodul LSAM auf dem Mond. Bild: NASA

Bernd Leitenberger kommt in seinem Buch zu dem Fazit, dass der Bau und der Betrieb der Internationalen Raumstation ISS letztlich die erneute bemannte Landung auf dem Mond und die Reise zum Mars verhindert:

Das Constellation Programm zeigt noch eine andere Problematik: Ohne einen Wettlauf der politischen Systeme gibt es nicht die Mittel für die bemannte Raumfahrt, die notwendig sind, um gleichzeitig zwei große Projekte durchzuführen. Die Raumstation und die Rückkehr zum Mond sind nach den Ergebnissen der Augustine-Kommission nicht parallel zu finanzieren. Das gleiche dürfte für ein Mond- und parallel durchgeführtes Marsprogramm gelten. Die ISS ist nicht nur nicht nötig für den Schritt zu fernen Himmelskörpern - sie bindet auch die Finanzmittel, die dazu notwendig sind.

Die Kosten der ISS werden je nach Quelle zwischen 31,5 und 100 Milliarden Dollar für den US-Teil und von der ESA auf rund 100 Milliarden Euro (140 Milliarden Dollar) für alle Partner geschätzt.

Bernd Leitenberger

Mondfiber 2.0: Der Beginn der privaten Weltraumfahrt

Im Jahre 2017 bereitet sich das Unternehmen Space-X von Elon Musk nicht nur darauf vor, eine bemannte Reise zum Mars zu organisieren, sondern auch darauf, den Mond wieder zurück zu erobern.

Wir sind begeistert, ankündigen zu können, dass SpaceX angesprochen worden ist, im nächsten Jahr zwei Bürger um den Mond herumzufliegen. Die beiden Interessenten haben bereits eine bedeutende Summe für eine Mondmission bereitgestellt. Wie die Apollo-Astronauten zuvor, werden diese Individuen in den Weltraum reisen mit den Hoffnungen und Träumen der ganzen Menschheit, getrieben von dem universellen menschlichen Entdeckergeist. Wir erwarten die Durchführung von Gesundheits- und Fitness-Tests sowie von ersten Trainings am Ende des Jahres 2017. Andere Flug-Teams haben ebenfalls ihr starkes Interesse bekundet und wir erwarten weitere Angebote. Weitere Informationen werden von uns dann veröffentlicht werden, wenn die ersten Gesundheits- und Fitness-Tests vorliegen.

Space-X

Erwähnenswert ist auch die Auslobung des "Google Lunar X-Prize" der X-Prize-Foundation des Gründers Peter Diamandis, der vom amerikanischen Konzern Google finanziert wird. Mit diesem Preis soll derjenige ausgezeichnet werden, der als Erster in der Lage ist, eine Sonde sicher auf dem Mond zu landen und mit einem Rover mindestens 500 Meter Distanz auf der Oberfläche des Mondes zurück zu legen. Dafür sind 20 Millionen Dollar ausgelobt worden. Es gibt mehrere Preiskategorien mit insgesamt 40 Millionen Dollar Budget.

Prototyp der Dragon V2 von SpaceX für den Transport bis zu sieben Astronauten. Bild NASA/Dmitri Gerondidakis

Der Wettbewerb sollte ursprünglich bis Ende 2014 laufen, wurde aber bis zum 31. Dezember 2017 verlängert. Im Januar 2015 erhielten fünf Teams sogenannte Meilenstein-Prämien: zur Entwicklung von Schlüsseltechnologien, zur Bildbearbeitung, zur Mobilität und zur Entwicklung von Landesystemen:

  • US Team Astrobotic (1,75 Millionen US-Dollar),
  • Hakuto aus Japan (0,5 Millionen US-Dollar),
  • Moon Express aus den USA (1,25 Millionen US-Dollar),
  • die Part-Time Scientists (0,75 Millionen US-Dollar)
  • und das indische Team Indus (1 Million US-Dollar).

Der Beginn der privaten Weltraumfahrt ist geboren aus einer finanziellen Notlage der NASA und dem dadurch bedingten Verlust ihrer technischen Innovationskraft verbunden mit dem gleichzeitigen Aufstieg privater Unternehmen, die durch Privatpersonen mit verrückten Visionen gesteuert und finanziert werden. Elon Musk, der Chef von Space-X, ist das beste Beispiel für einen wagemutigen Unternehmer mit hoher Risikobereitschaft, den Mond wieder und den Mars neu in seine Reisepläne aufzunehmen.

Musk bestätigt sich in Branchen wie Raumfahrt und Automobil, die in den USA fast schon aufgegeben schienen, und lässt sie als etwas Neues und Begeisterndes wieder aufleben.

Ashlee Vance

Dafür hat Elon Musk aus seinem Vermögen 100 Millionen Dollar in SpaceX investiert, 70 Millionen Dollar in Tesla und 30 Millionen Dollar in SolarCity. Musk ist aber nur einer der herausragenden neuen Pioniere oder Förderer der privaten Raumfahrt, wenn auch aktuell vermutlich der aggressivste und innovativste. Seit dem Niedergang der Innovationskraft der NASA gibt es noch zahlreiche weitere Pioniere der privaten Raumfahrt, wie in dem Buch "Rocketeers - How a visionary band of business leaders, engineers and pilots is boldly privatizing space" von Michael Belfiore (2007) ausgeführt wird. Sie haben das vorbereitet, was Elon Musk mit SpaceX möglich gemacht hat und was früher nur in schlechten Science-Fiction Romanen über verrückte Wissenschaftler seinen Platz fand: das "Homebuilt Space-ship", also das in der Garage oder im Heimwerkerkeller zusammengeschraubte Raumschiff, das tatsächlich in den Weltraum und wieder heil auf die Erde zurück kommt und Aufgaben erledigt wie beispielsweise die Versorgung der ISS.

SpaceX Interplanetary Transport System (15 Bilder)

Elon Musk träumt von einer Kolonie auf dem Mars. Das erste Schiff soll die "Heart of Gold" sein, benannt nach dem Hitchhiker's Guide to the Galaxy.
(Bild: SpaceX)

Private Unternehmen haben sich eine privat finanzierte Technik und die Ergebnisse der Wissenschaft zu eigen gemacht und Erfolge verzeichnet, die mit denjenigen früherer industriell-militärischer Komplexe und den Forschungsvorhaben ganzer Staaten vergleichbar sind.

Der Mond als Reiseziel in der Literatur

Es gibt zahlreiche Erzählungen über den Mond in den alten Märchen und Mythen aller frühen Kulturen auf der Erde. Die Anfänge der Science Fiction zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart hinein sind mit Erzählungen über die Besiedlung des Mondes voll. Monderkundungen durch private Unternehmen wie Space-X sind neu und spannend, weil sie den menschlichen Entdeckergeist wieder aufleben lassen.

Der Mond war in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhundert der Sehnsuchtsort der Weltraumtechniker der NASA um Wernher von Braun, die beweisen wollten, dass man Menschen auf den öden Erdtrabanten schicken konnte, einfach, weil er da war und eine technische Herausforderung darstellte. Das globale Wettrennen der politischen Systeme ermöglichte es ihnen, dies auch zu tun. Die erste Erforschung des Mondes ist also dem Wettrüsten und der ideologischen Auseinandersetzung zwischen Kapitalismus und Kommunismus geschuldet.

Iron Sky - Wir kommen in Frieden. Bild: Condor Films

Einen literarischen und sehr satirischen Abschluss findet diese Epoche im Grunde mit dem Werk "Frieden auf Erden" von Stanislaw Lem, in dem er darüber berichtet, dass das Wettrüsten gelöst wurde, indem die politischen Mächte auf der Erde einfach alle Waffensysteme auf den Mond verfrachteten und sich somit einer gesellschaftlichen Lösung entledigen wollten. Natürlich geht diese Lösung, man ahnt es, wenn man Lem kennt, gründlich schief und der Roman bietet am Ende eine interessante andere Friedenslösung, die sehr nahe an der Erzählung von Ben Bova: "Moonrise" (1996) ist. Dieser schildert in seinen Mond-Romanen "Moonrise" (1996) und "Moonwar" (1998) eine sehr plausible, technisch vorstellbare und dennoch utopische Version der Besiedlung des Mondes mit verschiedenen gesellschaftlichen und technischen Aspekten der nahen Zukunft.

Bovas Lösung zur Besiedlung des Mondes liegt in der Entwicklung von Nanomaschinen, die die Baustoffe für die Mondstation aus dem Mondgestein gewinnen, die Gebäude konstruieren und selbst herstellen und für die Gewinnung von Sauerstoff und Wasser sorgen. Bovas wirkliche erzählerische Kraft liegt allerdings in der Schilderung der Menschen, ihrer Motive und ihrer Konflikte, die in einem politischen und gesellschaftlichen Bereich angesiedelt sind und die das Verhältnis zwischen Menschen und Menschlichkeit, Politik und Gestaltungswillen, Technik und Grenzen-Überwindung vereinen zu der Maxime, das unbekannte Land zu erforschen. Bova sieht den Mond als Startpunkt für alles, was getan werden muss, um den Weltraum zu erforschen:

Der Mond ist der Schlüssel für alles, was wir im Weltraum machen wollen: Produktionen in der Umlaufbahn, wissenschaftliche Forschung, sogar Tourismus. Der Dreh- und Angelpunkt ist die Nutzung des Mondes als Ressourcenquelle.

Ben Bova

Der neue Roman des Autors Andy Weir, der mit seinem Buch "The Martian" (2014, deutsch: Der Marsianer, 2015) einen Bestseller über die Rettung eines Astronauten auf dem Mars schrieb, wird im November 2017 mit "Artemis" eine Geschichte über eine junge Frau erzählen, die ihre kleine, langweilige Stadt verlassen will und ein spannenderes Leben sucht. Ihre Stadt ist ausgerechnet "Artemis", die erste und einzige Stadt auf dem Mond.

Weir sagt, dass "Artemis" viel schwerer zu schreiben gewesen wäre als "The Martian" und dass die Geschichte der griechischen Gottheit des Mondes, Artemis, als auch den Apollo-Missionen Tribut für seine Erzählung zollen würde. Er sagt, dass es ihn Wochen gekostet hätte, das Innenleben der Stadt "Artemis" zu entwerfen. Allerdings würde der Leser nur etwa ein Prozent davon im Buch wiederfinden.

Ein weiterer, für seine Mars-Romane bekannter US-Schriftsteller, Kim Stanley Robinson, wird im Jahre 2018 ebenfalls einen Roman veröffentlichen, der auf dem Mond spielt. Es geht um die Kolonisierung des Mondes und um Chinas Rolle in unserer menschlichen Zivilisation.

China hat einen großen Vorsprung vor allen anderen Raumfahrt-Programmen in Hinsicht darauf, den Mond zu bewohnen und hat eine umfangreiche Basis in der Südpol-Region errichtet. Andere Nationen haben begonnen, kleinere Stützpunkte mit größerer internationaler Beteiligung um den Nordpol herum anzulegen (die Pole des Mondes werden als die besten Plätze für Wohnstätten angesehen, weil dort Wasser vorhanden ist und die Lichtverhältnisse einer halben Tageslänge Licht und einer halben Tageslänge Dunkelheit entsprechen). Die Handlung spielt um das Jahr 2047 herum, wenn Hongkong zu einer vollen Kontrolle durch China zurück kehrt, was zu politischen Verwerfungen sowohl in China als auch in den Vereinigten Staaten von Amerika führt, als populäre Bewegungen das Aufsteigen von Finanzkräften zu Fall bringen wollen.

Kim Stanley Robinson

In Deutschland ist im Jahre 2016 der Roman "Moonatics" von Arne Ahlert erschienen, eine Geschichte über "Hippies auf dem Mond". Berichtet wird über einen Protagonisten, der im Jahre 2040 ein beträchtliches Vermögen erbt und sich einen Traum erfüllt. Er entflieht der durch Terrorgefahr und Klimakatastrophen unangenehmen Erde und macht drei Wochen Urlaub auf dem Mond. Der Mond gehört den Reichen, die es sich leisten können, in diesem neuen Lebensraum ihre Zeit zu verbringen. Der Urlaub gerät natürlich anders als gedacht und völlig aus den Fugen.

Spätestens seit der Filmkomödie "Iron Sky" (2012) wissen wir ja auch, dass die letzten Nazis am Ende des Dritten Reichs im Jahre 1945 auf den Mond geflohen sind, dort ein kleines Imperium mit deutscher Dampf-Weltraum-Technologie aufgebaut haben und nun auf die Erde zurückkehren, um die Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika zu beeinflussen, wo eine amerikanische Präsidentin wiedergewählt werden möchte, die Sarah Palin verdammt ähnlich sieht. Die Skrupellosigkeit der Politiker (innen) in den USA entspricht haargenau der verquasten Ideologie der Mond-Nazis und ihr Bündnis ist ebenso wahnsinnig und kurzfristig wie das wahre Leben. Die Mond-Nazis katalysieren zum Schluss auch noch die Offenlegung der Sternenkriegs-Satelliten im Erd-Orbit, die von allen mächtigen Erden-Nationen heimlich gepflegt wurde und blamieren das schon von Ronald Reagan tatsächlich beabsichtigte "Star-Wars-Programm" der US-Regierung.

Stanislaw Lem hatte bereits davor in seinem Meisterwerk "Friede auf Erden" (1986) eine sehr ironische Geschichte erzählt, wie die Menschheit versucht, Frieden auf Erden zu schaffen, indem sie alle Waffensysteme auf den Mond verlegt und dort von Robotern bewachen lässt. Auch dieses Unterfangen geht grandios schief und es ist auch heute noch ein besonderes Vergnügen, Lems Friedensbemühungsvorschläge aus den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zu lesen, als Europa mit Atomraketen dicht bestückt und der Dritte Weltkrieg wahrscheinlich war.

Seine Ideen waren verrückt, genial und satirisch und technologisch gesehen in seiner Zeit ein wenig Science-Fiction und wenig später fast schon zu realistisch beschrieben, jedenfalls wenn man sie mit den heutigen Entwicklungen der Computertechnologie, der Materialwissenschaft und der Nanotechnologie vergleicht. Was bleibt, sind Lems politische und philosophische Ideen, deren Tiefe und Substanz immer noch anhalten und seine Leser erfreuen.

Ein Mondfieber, wie es Autoren wie Ben Bova in ihren Romanen schildern, ist im Jahre 2017 vermutlich nur bei Innovatoren wie Elon Musk zu finden, die bereitwillig große persönliche Wagnisse eingehen, Visionen haben und dann auch noch verrückt genug sind, ihre Ressourcen in die Entwicklung eines Unternehmens wie Space-X zu stecken, über das die meisten anderen Unternehmer nur abschätzig urteilen und ein Scheitern voraussagten. Die Mischung aus Visionen, Wagemut und Risikobereitschaft ist wohl die Ingredienz, aus der das Rezept für eine neue und dann wirklich substanzielle Erforschung des Mondes bestehen muss.

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