Mondfieber 2.0

Seite 5: Der Mond als Reiseziel in der Literatur

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Es gibt zahlreiche Erzählungen über den Mond in den alten Märchen und Mythen aller frühen Kulturen auf der Erde. Die Anfänge der Science Fiction zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart hinein sind mit Erzählungen über die Besiedlung des Mondes voll. Monderkundungen durch private Unternehmen wie Space-X sind neu und spannend, weil sie den menschlichen Entdeckergeist wieder aufleben lassen.

Der Mond war in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhundert der Sehnsuchtsort der Weltraumtechniker der NASA um Wernher von Braun, die beweisen wollten, dass man Menschen auf den öden Erdtrabanten schicken konnte, einfach, weil er da war und eine technische Herausforderung darstellte. Das globale Wettrennen der politischen Systeme ermöglichte es ihnen, dies auch zu tun. Die erste Erforschung des Mondes ist also dem Wettrüsten und der ideologischen Auseinandersetzung zwischen Kapitalismus und Kommunismus geschuldet.

Iron Sky - Wir kommen in Frieden. Bild: Condor Films

Einen literarischen und sehr satirischen Abschluss findet diese Epoche im Grunde mit dem Werk "Frieden auf Erden" von Stanislaw Lem, in dem er darüber berichtet, dass das Wettrüsten gelöst wurde, indem die politischen Mächte auf der Erde einfach alle Waffensysteme auf den Mond verfrachteten und sich somit einer gesellschaftlichen Lösung entledigen wollten. Natürlich geht diese Lösung, man ahnt es, wenn man Lem kennt, gründlich schief und der Roman bietet am Ende eine interessante andere Friedenslösung, die sehr nahe an der Erzählung von Ben Bova: "Moonrise" (1996) ist. Dieser schildert in seinen Mond-Romanen "Moonrise" (1996) und "Moonwar" (1998) eine sehr plausible, technisch vorstellbare und dennoch utopische Version der Besiedlung des Mondes mit verschiedenen gesellschaftlichen und technischen Aspekten der nahen Zukunft.

Bovas Lösung zur Besiedlung des Mondes liegt in der Entwicklung von Nanomaschinen, die die Baustoffe für die Mondstation aus dem Mondgestein gewinnen, die Gebäude konstruieren und selbst herstellen und für die Gewinnung von Sauerstoff und Wasser sorgen. Bovas wirkliche erzählerische Kraft liegt allerdings in der Schilderung der Menschen, ihrer Motive und ihrer Konflikte, die in einem politischen und gesellschaftlichen Bereich angesiedelt sind und die das Verhältnis zwischen Menschen und Menschlichkeit, Politik und Gestaltungswillen, Technik und Grenzen-Überwindung vereinen zu der Maxime, das unbekannte Land zu erforschen. Bova sieht den Mond als Startpunkt für alles, was getan werden muss, um den Weltraum zu erforschen:

Der Mond ist der Schlüssel für alles, was wir im Weltraum machen wollen: Produktionen in der Umlaufbahn, wissenschaftliche Forschung, sogar Tourismus. Der Dreh- und Angelpunkt ist die Nutzung des Mondes als Ressourcenquelle.

Ben Bova

Der neue Roman des Autors Andy Weir, der mit seinem Buch "The Martian" (2014, deutsch: Der Marsianer, 2015) einen Bestseller über die Rettung eines Astronauten auf dem Mars schrieb, wird im November 2017 mit "Artemis" eine Geschichte über eine junge Frau erzählen, die ihre kleine, langweilige Stadt verlassen will und ein spannenderes Leben sucht. Ihre Stadt ist ausgerechnet "Artemis", die erste und einzige Stadt auf dem Mond.

Weir sagt, dass "Artemis" viel schwerer zu schreiben gewesen wäre als "The Martian" und dass die Geschichte der griechischen Gottheit des Mondes, Artemis, als auch den Apollo-Missionen Tribut für seine Erzählung zollen würde. Er sagt, dass es ihn Wochen gekostet hätte, das Innenleben der Stadt "Artemis" zu entwerfen. Allerdings würde der Leser nur etwa ein Prozent davon im Buch wiederfinden.

Ein weiterer, für seine Mars-Romane bekannter US-Schriftsteller, Kim Stanley Robinson, wird im Jahre 2018 ebenfalls einen Roman veröffentlichen, der auf dem Mond spielt. Es geht um die Kolonisierung des Mondes und um Chinas Rolle in unserer menschlichen Zivilisation.

China hat einen großen Vorsprung vor allen anderen Raumfahrt-Programmen in Hinsicht darauf, den Mond zu bewohnen und hat eine umfangreiche Basis in der Südpol-Region errichtet. Andere Nationen haben begonnen, kleinere Stützpunkte mit größerer internationaler Beteiligung um den Nordpol herum anzulegen (die Pole des Mondes werden als die besten Plätze für Wohnstätten angesehen, weil dort Wasser vorhanden ist und die Lichtverhältnisse einer halben Tageslänge Licht und einer halben Tageslänge Dunkelheit entsprechen). Die Handlung spielt um das Jahr 2047 herum, wenn Hongkong zu einer vollen Kontrolle durch China zurück kehrt, was zu politischen Verwerfungen sowohl in China als auch in den Vereinigten Staaten von Amerika führt, als populäre Bewegungen das Aufsteigen von Finanzkräften zu Fall bringen wollen.

Kim Stanley Robinson

In Deutschland ist im Jahre 2016 der Roman "Moonatics" von Arne Ahlert erschienen, eine Geschichte über "Hippies auf dem Mond". Berichtet wird über einen Protagonisten, der im Jahre 2040 ein beträchtliches Vermögen erbt und sich einen Traum erfüllt. Er entflieht der durch Terrorgefahr und Klimakatastrophen unangenehmen Erde und macht drei Wochen Urlaub auf dem Mond. Der Mond gehört den Reichen, die es sich leisten können, in diesem neuen Lebensraum ihre Zeit zu verbringen. Der Urlaub gerät natürlich anders als gedacht und völlig aus den Fugen.

Spätestens seit der Filmkomödie "Iron Sky" (2012) wissen wir ja auch, dass die letzten Nazis am Ende des Dritten Reichs im Jahre 1945 auf den Mond geflohen sind, dort ein kleines Imperium mit deutscher Dampf-Weltraum-Technologie aufgebaut haben und nun auf die Erde zurückkehren, um die Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika zu beeinflussen, wo eine amerikanische Präsidentin wiedergewählt werden möchte, die Sarah Palin verdammt ähnlich sieht. Die Skrupellosigkeit der Politiker (innen) in den USA entspricht haargenau der verquasten Ideologie der Mond-Nazis und ihr Bündnis ist ebenso wahnsinnig und kurzfristig wie das wahre Leben. Die Mond-Nazis katalysieren zum Schluss auch noch die Offenlegung der Sternenkriegs-Satelliten im Erd-Orbit, die von allen mächtigen Erden-Nationen heimlich gepflegt wurde und blamieren das schon von Ronald Reagan tatsächlich beabsichtigte "Star-Wars-Programm" der US-Regierung.

Stanislaw Lem hatte bereits davor in seinem Meisterwerk "Friede auf Erden" (1986) eine sehr ironische Geschichte erzählt, wie die Menschheit versucht, Frieden auf Erden zu schaffen, indem sie alle Waffensysteme auf den Mond verlegt und dort von Robotern bewachen lässt. Auch dieses Unterfangen geht grandios schief und es ist auch heute noch ein besonderes Vergnügen, Lems Friedensbemühungsvorschläge aus den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zu lesen, als Europa mit Atomraketen dicht bestückt und der Dritte Weltkrieg wahrscheinlich war.

Seine Ideen waren verrückt, genial und satirisch und technologisch gesehen in seiner Zeit ein wenig Science-Fiction und wenig später fast schon zu realistisch beschrieben, jedenfalls wenn man sie mit den heutigen Entwicklungen der Computertechnologie, der Materialwissenschaft und der Nanotechnologie vergleicht. Was bleibt, sind Lems politische und philosophische Ideen, deren Tiefe und Substanz immer noch anhalten und seine Leser erfreuen.

Ein Mondfieber, wie es Autoren wie Ben Bova in ihren Romanen schildern, ist im Jahre 2017 vermutlich nur bei Innovatoren wie Elon Musk zu finden, die bereitwillig große persönliche Wagnisse eingehen, Visionen haben und dann auch noch verrückt genug sind, ihre Ressourcen in die Entwicklung eines Unternehmens wie Space-X zu stecken, über das die meisten anderen Unternehmer nur abschätzig urteilen und ein Scheitern voraussagten. Die Mischung aus Visionen, Wagemut und Risikobereitschaft ist wohl die Ingredienz, aus der das Rezept für eine neue und dann wirklich substanzielle Erforschung des Mondes bestehen muss.