Montenegro: Im Land umstrittener Nato-Beitritt

Seite 2: Kein Hafen für Russland

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Mit dem Nato-Beitritt riskiert Podgorica die guten Beziehungen mit Russland. Mit seinen 620.000 Einwohner und etwa 2000 Soldaten ist das Land selbst natürlich keine wichtige Militärmacht. Die Nato gewinnt so gesehen nicht viel hinzu, das Land wird fünf Millionen Dollar zum jährlichen Nato-Budget von 1,3 Milliarden Dollar beitragen.

Allerdings hat die Nato nun die Adria-Küste in ihrer Hand, lediglich ein Küstenstreifen von 20 Kilometern in Bosnien-Herzegowina fehlt noch. Damit kann die Nato jetzt Russland aus der Adria fern halten. Interessant wäre für russische Schiffe die Bucht von Kotor gewesen, die schon in Jugoslawien ein wichtiger Militärhafen war. Jetzt steht und fällt die russische Marinepräsenz im Mittelmeer mit der syrischen Marinebasis Tartus.

Die Wahlen im Oktober 2016 hätten dann auch beinahe in eine größere Krise in Montenegro geführt. Was damals überhaupt passiert ist, ist bis heute unklar. Jedenfalls soll die Festnahme von 20 Serben am Vorabend der Wahlen einen Putsch verhindert haben, hinter dem Russland gestanden haben soll, was Moskau aber bestreitet. Inzwischen wird der Fall in Podgorica vor Gericht verhandelt.

Insgesamt 14 Personen sind angeklagt. Zehn sind in Haft und deshalb beim Prozess dabei, zwei Spitzenfunktionäre der Demokratischen Front, Andrija Mandic und Milan Knezevic, sowie zwei ebenfalls angeklagte russische Bürger erschienen nicht zum Prozess. Die Anklage wirft ihnen vor, sie hätten den damaligen Premier Milo Dukanovic ermorden wollen. Die 129-seitige Anklage stützt sich laut Medienberichten auf elf Zeugen und Beweisunterlagen, zu denen auch 33 abgehörte Telefongespräche gehören.

Gegenseitige Sanktionen

Wie empfindlich Moskau wegen des Nato-Beitritts ist, wurde kürzlich deutlich, als in Moskau ein Politiker der in Montenegro regierenden Sozialisten, Miodrag Vukovic, über Nacht in der Transitzone festgehalten wurde. Inzwischen ist er wieder zu Hause, aber die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa erklärte, es habe sich um eine Vergeltung dafür gehandelt, dass Montenegro die EU-Sanktionen gegen Russland unterstütze.

Inzwischen gibt es ein russisches Einreiseverbot gegen 70 montenegrinische Spitzenfunktionäre, was allerdings Russland abstreitet. Und umgekehrt hat Montenegro ein Einreiseverbot gegen 149 Russen verhängt, darunter Vizepremier Dmitri Rogosin sowie Geheimdienstchef Nikolai Patruschew. Begründet wurde das aber mit dem Krieg in der Ostukraine. Von dem Verbot betroffen sind auch Ukrainer aus den Separatisten-Gebieten.

Russland wiederum hat den Import von Wein aus dem Hause "Plantaze" verboten. Das Moskauer Außenministerium rief außerdem die Russen zum Urlaubsboykott auf. Die Lage sei für Russen dort ungünstig: "Vor dem Hintergrund des von Podgorica provozierten starken Rückgangs der bilateralen Beziehungen, der in der nächsten Zeit zu erwartenden Nato-Mitgliedschaft Montenegros, der von den montenegrinischen Behörden getroffenen Entscheidung, sich in vollem Umfang den Russland-Sanktionen der Europäischen Union anzuschließen, verzeichnen wir dort eine Zunahme der russlandfeindlichen Hysterie."

Außenamtssprecherin Maria Sacharowa warnte vor Provokationen, zweifelhaften Festnahmen und Versuchen, russische Bürger etwa an die USA auszuliefern. Eine solche Russland-Phobie entfacht zu haben, "lastet voll und ganz auf dem Gewissen der Politiker dieses Landes", den Montenegrinern sei das völlig fremd.

Die Nato - gut für die Wirtschaft?

Premierminister Dusko Markovic hat jedoch versprochen, der Nato-Beitritt werde wirtschaftliche Impulse bringen. Doch das ist zweifelhaft. Das Land ist zwar EU-Beitrittskandidat, aber hat noch längst nicht alle Anforderungen erfüllt. Der Clan von Milo Dukanovic ist in der Wirtschaft allgegenwärtig. "Während einige Familien wahre Reichtümer angehäuft haben, lebt die Masse der Bevölkerung bei Netto-Durchschnittseinkommen von aktuell 512 Euro mehr schlecht als recht", schreibt die Tiroler Tageszeitung.

Als "Pionier der gelenkten Demokratie auf dem Balkan" bezeichnet die Neue Zürcher Zeitung Milo Dukanovic. Montenegros Außenminister Srdan Darmanovic zeigte sich aber im April bei einem Besuch in Wien optimistisch, dass sein Land bis 2022 Mitglied der EU wird.

Russischer Spott

So bleibt Russland nur noch der Spott. Genüsslich berichtete der russische Sender Sputnik vom Zwischenfall beim Brüsseler NATO-Gipfel: "Als Rache an Trump: Montenegriner fordern Sanktionen gegen USA". Die entsprechende Online-Petition läuft aber nicht gut, gerade mal 260 Unterzeichner von angestrebten 100.000 waren am 2. Juni erreicht. So wahnsinnig scheint das die Welt nicht umzutreiben. Und auch Premier Dusko Markovic selbst spielte den Vorfall später runter. Es sei doch "selbstverständlich, dass der US-Präsident in der ersten Reihe steht".

So blieben am Ende nur schöne Schlagzeilen "Arroganter Rüpel-Auftritt!", meldete die Gala über Trump. Und "Trump rempelt sich durch Europa", so Oe24. "Trump, wie er trampelt und rempelt", hieß es bei der Tgesschau. Den "Rüpel-in-Chief" nannte ihn das Handelsblatt. Und in den sozialen Netzwerken ist das Video auch zum Kult geworden.