Moria 2.0 oder auch Europas "menschliche Schande"
Kommentar: Kurz und ÖVP wollen keine Flüchtlinge aus dem Lager auf Lesbos aufnehmen. Sie unterscheiden zwischen "brauchbaren" und "unbrauchbaren" Migranten
Nachdem das Flüchtlingscamp Moria im September durch einen Brand zerstört wurde, errichtete die griechische Regierung auf einem Militärgelände ein neues Zeltlager. Trotz des kalten Winters und der unzureichenden Wärmedämmung der Zelteinrichtungen, fehlt es an Winterkleidung, Wasser aber auch Decken.
Das neue Lager in Kara Tepe, dass sich in der Nähe des niedergebrannten Lagers in Moria befindet, wird von Überschwemmungen heimgesucht. Die Menschen, die sich dort befinden, sind Gefangene, die von feuchtem Schlamm, Schmutz, Elend und einem Stacheldrahtzaun umgeben sind (Flüchtlinge in Griechenland: Minister gegen Hilfsorganisationen).
Menschenrechtsverstöße und Einschränkung der Pressefreiheit
Wie das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet, setzen griechische Grenzbeamte die Menschen, die nach Lesbos flüchten wollen, zurück ins türkische Meer aus. Davon sollen auch Kinder und schwangere Frauen betroffen gewesen sein. Die deutsche Journalistin Franziska Grillmeier befindet sich seit zweieinhalb Jahren in Lesbos und beschreibt, dass es auch für Journalisten immer schwieriger wird, über die dortigen Umstände zu berichten.
Zum einen dürfen die Bewohner nur in Ausnahmefällen das Lager verlassen, was den Kontakt zur Presse im Allgemeinen eindämmt. Zum anderen werden Journalisten aber auch vonseiten der Polizei eingeschüchtert und bei ihrer Arbeit behindert. An den griechischen Grenzen wird der Tod von Menschen bewusst in Kauf genommen und die griechischen Behörden möchten dies verschleiern.
Kurz und ÖVP bleiben hart
Noch im April wurden Hunderte Pflegerinnen und Pfleger aus Rumänien und Bulgarien nach Österreich eingeflogen. Der österreichische Staat übernahm die Flugkosten und die Kosten für die 14-tägige Quarantänezeit, die vor der Aufnahme der Pflegetätigkeit notwendig war. Wenn es jedoch darum geht, Minderjährige aus der griechischen Hölle zu retten, bleibt Bundeskanzler Kurz weiterhin hart und verweist darauf, vor Ort helfen zu wollen. Dies verdeutlicht, dass man zwischen "brauchbaren" und "unbrauchbaren" Migranten unterscheidet.
Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bezeichnete die Haltung des Bundes als "menschliche Schande" und betont, dass die Stadt Wien 100 Kinder aufnehmen würde, was jedoch ohne die Zustimmung des Bundes nicht möglich ist. Integrationsministerin Susanne Raab behauptet wiederum, dass sich Österreich durchaus "sehen lassen kann", was die humanitäre Hilfe anbelangt. Auf den Einwand des ORF-Anchors Armin Wolf, dass die bisherigen Bemühungen der Regierung nichts geholfen haben, da die Kinder im Dreck sitzen und durch Rattenbisse verletzt werden, ging Integrationsministerin Raab nicht ein.
Die Partei, die stets auf den Schutz "christlich-jüdischer" Werte hinweist, zieht es vor, einen katholisch geprägten Gebetsabend im Parlament zu verbringen, anstatt das Leben unschuldiger Kinder zu retten. Die christliche Frömmigkeit der ÖVP besteht lediglich aus einem Schleier der Selbstbeweihräucherung, der verblasst, wenn es darum geht, humanitäre Werte anhand von Taten zu zeigen.
Dabei gibt es zahlreiche Stimmen in Österreich, die sich für die Aufnahme (insbesondere von unbegleiteten Flüchtlingskindern) einsetzen. So wendete sich auch die Katholische Aktion Österreich (KAÖ) mit einem Brief an Bundeskanzler Kurz und Innenminister Karl Nehammer:
Wir appellieren daher eindringlich an Sie, mindestens 150 Menschen, besonders unbegleitete Minderjährige, aus dem Flüchtlingslager schnell und unbürokratisch in Österreich aufzunehmen.
Katholische Aktion Österreich (KAÖ)
Wien kann zwar aufgrund der Blockade des Bundes nicht die gewünschten 100 Flüchtlinge aufnehmen, jedoch spendete die Stadt an die Caritas, die Diakonie und den Samariterbund je 100.000 Euro als Unterstützung.
Es bleibt jedoch weiterhin fraglich wo die Spenden im Allgemeinen überhaupt hinfließen, denn die "Hilfe vor Ort" scheint nicht wirklich große Erfolge zu zeigen. Duschen gibt es immer noch keine, geschweige denn warmes Wasser. Viele Hilfsgüter kommen erst gar nicht zu den Bedürftigen an und einige NGO-Vertreter hegen den Verdacht, dass die mangelhafte Koordination der Hilfsgelder durch Korruption gekennzeichnet ist.
Die Situation in Lesbos zeigt, dass die Zusammenarbeit der EU-Länder nicht solidarisch ist. Ganz im Gegenteil: Viele nutzen die Corona-Krise als Ausrede, um die Menschen in den Lagern erst recht nicht aufzunehmen. Die zahlreichen Vertriebenen aus Afghanistan, Syrien, Eritrea und anderswo flüchteten nach Europa mit der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Stattdessen müssen sie im Elend gefangen bleiben und um ihre Zukunft weiterhin bangen. Dies spiegelt auch die menschenverachtende Taktik rechten Parteien wider: Man möchte es den Flüchtlingen so unangenehm wie möglich in Europa machen, damit andere erst recht nicht auf die Idee kommen, in ein europäisches Land einzureisen.