Moskau: Ukraine tötet russischen Elite-General

Zwei Polizisten in einer Stadt

Russische Sicherheitskräfte in Moskau (Symbolbild)

(Bild: Oleg Elkov/Shutterstock.com)

Chef der russischen ABC-Abwehr-Truppen getötet. Ukrainischer Geheimdienst gab den Auftrag. Was bedeutet das für den Kriegsverlauf?

Ein ukrainischer Killerkommando hat am Dienstagmorgen den Leiter der russischen Atomaren, Biologischen und Chemischen Schutztruppen (ABC), Generalleutnant Igor Kirillov, in Moskau ermordet.

Dies teilte das russische Ermittlungskomitee am Dienstag mit. Eine Quelle des ukrainischen Geheimdienstes SBU bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentuer Reuters, hinter dem Anschlag zu stehen.

Fernzündung tötet Kirillov und Assistenten

Der 54-jährige Kirillov und sein Assistent befanden sich vor einem Wohnblock im Südosten der russischen Hauptstadt, als ein in einem E-Scooter versteckter Sprengsatz ferngezündet wurde. Fotografien vom Tatort zeigen den zerstörten Eingang des Gebäudes mit schwarz verkokeltem Mauerwerk.

Laut Ermittlern hatte der improvisierte Sprengsatz eine Sprengkraft von 300 Gramm TNT. Das Komitee leitete ein Mordverfahren ein. Strafverfolgungsquellen zufolge dürfte auch wegen Terrorismus ermittelt werden.

Der Anschlag ist die folgenschwerste Tötung eines ranghohen russischen Militärs in Russland seit Beginn des Krieges in der Ukraine und dürfte die Sicherheitsprotokolle für die militärische Führungsebene des Landes auf den Prüfstand stellen. Attentate auf hohe Beamte hat es in Russland zwar schon früher gegeben, in Moskau sind sie jedoch selten.

Ukraine: Kirillov war "legitimes Ziel"

Eine SBU-Quelle sagte gegenüber der britischen BBC, Kirillov sei ein "legitimes Ziel" gewesen und habe Kriegsverbrechen begangen. Am Montag hatte der SBU Kirillov in Abwesenheit angeklagt und erklärt, er sei für den massenhaften Einsatz verbotener Chemiewaffen verantwortlich.

Unter Kirillovs Führung seien chemische Waffen mehr als 4.800 Mal eingesetzt worden, so der SBU.

Auch Großbritannien hatte im Oktober Sanktionen gegen Kirillov verhängt. Zur Begründung hieß es, er habe den Einsatz von Chemiewaffen in der Ukraine beaufsichtigt und als wichtiges Sprachrohr für Kreml-Desinformation fungiert.

Russland weist die Vorwürfe zurück und behauptet, die Ukraine setze ihrerseits chemische Waffen ein. Kirillov selbst war immer wieder im Staatsfernsehen aufgetreten und hatte der Ukraine Verstöße gegen die nukleare Sicherheit und dem Westen verschiedene Verbrechen vorgeworfen.

Moskauer unter Schock

Für viele Einwohner der russischen Hauptstadt wirkt der Krieg in der Ukraine weit entfernt – der Anschlag ließ ihn wieder Näher an ihre Lebensrealität heranrücken.

Anwohner berichteten, sie hätten die Detonation zunächst für ein Geräusch von einer nahegelegenen Baustelle gehalten. Die Stadt steht unter Schock, da man eine derartige Operation im Herzen Russlands für ausgeschlossen hielt.

Kirillovs Truppe kämpfte unter Extrembedingungen

Die von Kirillov befehligten ABC-Abwehrtruppen sind Spezialkräfte, die unter Bedingungen radioaktiver, chemischer und biologischer Kontamination operieren. Ihre Aufgabe ist der Schutz der Bodentruppen, die unter extremen Bedingungen kämpfen.

Kirillov selbst bekleidete verschiedene Positionen in der russischen Armee, die mit Gefahrstoffen zu tun hatten, unter anderem als Leiter der Hauptverwaltung für Strahlenschutz, chemischen und biologischen Schutz. Im Jahr 2017 wurde er zum Leiter der ABC-Truppen ernannt.

Das Attentat ist eine enorme Demütigung für den Kreml, der jüngst eine Serie von Anschlägen und Sabotageakten durch die Ukraine beklagt hat.

Erst in der vergangenen Woche war der prominente russische Waffenexperte Michail Schatski in der Nähe seines Hauses in Moskau erschossen worden. Laut ukrainischen Medien wurde er vom Militärgeheimdienst der Ukraine getötet.

Eskaliert der Konflikt weiter?

Russland macht die Ukraine für eine Reihe von gezielten Tötungen auf seinem Staatsgebiet verantwortlich, die die Moral schwächen und diejenigen bestrafen sollen, die Kiew für Kriegsverbrecher hält. Die Ukraine wiederum sieht in dem russischen Angriffskrieg eine existenzielle Bedrohung und betrachtet solche Anschläge als legitimes Mittel.

Ex-Präsident Dmitri Medwedew, heute ein hochrangiger Sicherheitsbeamter, erklärte laut der staatlichen Nachrichtenagentur RIA, der ukrainischen Militär- und Staatsführung drohe nun unmittelbare Rache für den Mord an Kirillov.

Ob die Tötung direkt auf direkten Befehl von Präsident Wolodymyr Selenskyj erfolgte, ist unklar.

In einem Post auf X behauptete Selenskyj jedoch, "erste Berichte deuten darauf hin, dass Russland versucht, die Verluste nordkoreanischer Soldaten in der Ukraine zu verschleiern". Ukrainische Militärgeheimdienstler hatten zuvor erklärt, ukrainische Truppen hätten mindestens 30 nordkoreanische Soldaten getötet oder verwundet.

Die Russen hätten versucht, "jegliche Videobeweise" für die Anwesenheit der Soldaten zu "löschen" und "die Gesichter der im Kampf getöteten nordkoreanischen Soldaten buchstäblich zu verbrennen", so Selenskyj.

"Es gibt nicht einen einzigen Grund für Nordkoreaner, für Putin zu kämpfen und zu sterben", schrieb der ukrainische Präsident. "Und selbst wenn sie es tun, hat Russland nur Demütigung für sie übrig."

Die Tötung Kirillovs könnte eine neue Eskalationsstufe im ohnehin schon brutalen Krieg in der Ukraine markieren. Spätestens jetzt ist klar, dass der Konflikt auch auf Ebene von Terrroranschlägen fortgesetzt werden könnte.