Much ado about Kepler-452b

Seite 3: Der Biosignatur-Trick

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In der nächsten Dekade könnte sich dies ändern, wenn das chemische Fingersignatur-Verfahren in der Exoplanetenforschung breite Anwendung findet. Für Astronomen könnte sich dieses als wahrer Segen erweisen. Da jedes chemische Element einen unverwechselbaren Fingerabdruck im Lichtspektrum hinterlässt, verraten sich sogleich alle Biosignaturen. Es ist ein Fingerabdruck, der auch über Lichtjahre hinweg nicht verblasst.

Zu ihnen zählen chemische Verbindungen wie Methan (CH4) oder Ozon (O3), bisweilen auch Kohlenstoffmonoxid (CO). Ihr Nachweis im Lichtspektrum wäre zumindest ein indirektes Indiz für die Anwesenheit von biologischem Leben fernab der Erde, aber gleichwohl kein Beweis. Ebenso ein guter Biomarker ist Oxygenium: Sauerstoff. Er fällt auf der Erde als Nebenprodukt der Photosynthese an, wird aber auch bei vielen nicht-biologischen Prozesse frei und konzentriert sich in der Atmosphäre und wohl auch in Exo-Atmosphären. Fernerhin gilt auch Wasserdampf als zuverlässiger Biosignatur, indiziert er doch das Vorhandensein von flüssigem Wasser auf der Oberfläche. Damit der Fingerabdruck bei der Spektralanalyse, besser gesagt während der Spektropolarimetrie-Untersuchung an Konturen gewinnt, muss das Teleskop extrem leistungsfähig sein und das sehr schwache Licht einfangen. Es muss sensibel genug sein, während des Transits Daten von der Atmosphäre eines Exoplaneten zu sammeln.

Beginn eines Transits in der Vorstellung eines Illustrators. Bild: NASA

Transits ereignen sich, wenn der Sterntrabant aus der Perspektive des Beobachters zwischen Teleskop und extrasolarer Sonne steht und die Planetenbahn nahezu senkrecht zur Himmelsebene liegt. Dann schimmert das Sternenlicht für einen kurzen Zeitraum durch die Planetenatmosphäre. In dieser kurzen Zeitspanne muss das jeweilige Teleskop das gefilterte schwache Licht des Sterns ziel- und punktgenau sammeln und bündeln, bevor der Spektrograf dann nach Biosignaturen suchen kann.

Neue Generation bereits in Lauerstellung

Derweil aber ist weder ein erdgestütztes noch im Orbit operierendes Teleskop in der Lage, konventionelle Biosignaturen auf kleineren Exoplaneten nachzuweisen. In drei bis vier Jahren sieht dies gleichwohl anders aus, wenn das James Webb Space Telescope (JWST) als Nachfolger der Hubble-Sternwarte ins All startet und mit seinem 6,5-Meter-Durchmesser großen Primärspiegel kosmische Objekte ausspäht, die nur ein Hundertstel so hell sind wie Hubbles Kandidaten. Es soll das schwache Licht erdnaher Exoplaneten einfangen und in deren Atmosphären gezielt nach Biomarkern fahnden.

Doch bereits in der nächsten Dekade erhält das JWST von anderen Planetenjägern Besuch, die noch kleinere Exoplaneten aufspüren können. Die übernächste Generation der neuen Weltraumobservatorien wie etwa die NASA-Mission TESS, die allein bis zu 10000 Exoplaneten entdecken soll, oder die ESA-Observatorien CHEOPS und PLATO stehen bereits in den Startlöchern.

Das E-ELT soll bereits in neun Jahren den wissenschaftlichen Betrieb aufnehmen. Bild. ESO/L. Calçada

Flankiert wird die kosmische Vorhut von dem extrem leistungsstarken bodengestützten "European Extremely Large Telescope" (E-ELT), dessen Primärspiegel einen Durchmesser von sage und schreibe 39,3 Metern haben wird. Tritt das in der chilenischen Atacamawüste operierende Observatorium 2024 seinen Dienst an, wird es das weltweit größte sein und auch intensiv auf Planetenjagd gehen.

Ihm dicht auf den Fersen ist das "Thirty Meter Telescope" (TMT), das unter der Federführung des California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena/Kalifornien bereits ab 2022 auf dem schlafenden Vulkan Mauna Kea in Hawaii den wissenschaftlichen Betrieb aufnehmen soll. Beide Großteleskope haben unter anderem auch den Sonderauftrag, neue Exoplaneten zu finden, die größeren erdnahen Exemplare davon zu fotografieren und deren Atmosphären spektrografisch zu untersuchen.

Das "Thirty Meter Telescope" (TMT) soll zwei Jahre vor dem E-ELT seine Arbeit aufnehmen. Kommt es hier zu einem neuen Wettlauf zwischen Europa und den USA? Bild: Caltech

All-Gigant ATLAST

Doch als wahrer Weltraumteleskop-Riese könnte ab 2030 das "Advanced Technologies Large Aperture Space Telescope" (ATLAST) für Furore sorgen. Ausgerüstet mit einem Primärspiegel von bis zu 20 Meter Durchmesser, soll es dereinst den Himmel mit 2000-mal höherer Empfindlichkeit als Hubble im weißen Licht, im fernen Ultravioletten und Infrarotlicht durchleuchten.

Dank seiner extrem hohen Auflösung wäre ATLAST in der Lage, sogar das Licht von erdgroßen Exoplaneten in einer Entfernung von bis zu 45 Parsec (1 Parsec = 3,26 Lichtjahre) einzusammeln und zu analysieren. Um in den Atmosphären erdähnlicher Exoplaneten chemische Lebensspuren aufzuspüren, sollen die ATLAST-Spektrographen das von den Planeten reflektierte Licht in seine farblichen Bestandteile zerlegen und dabei alle Biomarker dingfest machen.

ATLAST in der Vorstellung eines Space-Art-Grafikers. Bild: NASA

Ob ATLAST später einmal am Lagrange-Punkt (L2), 1,5 Millionen Kilometer entfernt von der Erde entfernt, Position bezieht, ist offen, da es sich noch in der Planungsphase befindet. Doch sollte es bereits in der übernächsten Dekade wirklich zu neuen exoplanetaren Ufern aufbrechen und Bilder von Planeten und Monden schießen, die noch nie ein Mensch zuvor in dieser Auflösung gesehen hat, bleibt Kepler-452b trotz allem außen vor.

Pass auf, Kepler-452b!

Es ist nämlich davon auszugehen, dass auch ATLAST die abgelegene Welt ebenso wenig fotografieren wie Biomarker in seiner Atmosphäre bestimmen kann. Dafür ist der vermeintlich erdähnliche Himmelskörper schlichtweg zu klein und zu weit entfernt. Und selbst wenn dies gelänge, wäre der Fund nicht mehr als ein indirektes Indiz für Leben. Stießen Bioastronomen in der Atmosphäre der Kepler-Welt auf Methan, Ozon, Wasserdampf oder Sauerstoff, würde sich dadurch allenfalls die Wahrscheinlichkeit auf biologische Aktivität erhöhen - mehr aber auch nicht.

Boulevard-Journalisten, die nicht in die Verlegenheit kommen wollen, der Auflage und Quote zuliebe erneut viel Lärm um nichts machen zu müssen, sollten eine Roboter-Expedition zu der fernen Welt initiieren, um den direkten Nachweis von Leben auf Kepler-452b in situ anzutreten. Im Idealfall könnten diese sogar in Eigenregie dorthin fliegen. Es sind ja nur schlappe 1400 Lichtjahre, eine gemessen an astronomischen Maßstäben lächerlich geringe Distanz. Der Aufwand würde lohnen. Denn nur vor Ort und eben nicht in der eigenen Fantasie lässt sich der absolute und wissenschaftlich fundierte Beweis erbringen, ob Mikroben, Vielzeller oder sogar intelligente Lebensformen hier tatsächlich heimisch geworden sind. Pass auf, Kepler-452b! Sie kommen …

Youtube-Video: "Earth-Like Planet" [Space Documentary - National Geographic Channel]

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.