Mukran und die LNG-Kontroverse: Ein Terminal zu viel?
Das DIW kritisiert den LNG-Ausbau in Deutschland als überdimensioniert. Experten sehen auch künftig keine Gasmangellage. Ein Umdenken wird gefordert.
In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Energieversorgung in Deutschland verändert. Billiges Erdgas aus Russland steht nicht mehr zur Verfügung. Stattdessen hat die Bundesregierung die Infrastruktur für den Import von verflüssigtem Erdgas (LNG) geschaffen. Doch mit den Importterminals ist auch die Frage aufgekommen, ob nicht Überkapazitäten geschaffen werden.
LNG-Importe als Zukunftslösung? Eine kritische Betrachtung
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat in einer aktuellen Studie dargelegt: Der geplante Ausbau der LNG-Importkapazitäten ist nicht notwendig. Eine Gasknappheit, mit der der Ausbau ab 2022 begründet wird, ist zu keinem Zeitpunkt eingetreten.
"Der überdimensionierte LNG-Infrastrukturausbau ist nicht erforderlich, um eine potenzielle Gasmangellage zu vermeiden und sollte daher nicht weiterverfolgt werden", heißt es in der Studie.
Überdimensionierter Ausbau: DIW kritisiert LNG-Pläne
Vor dem Krieg in der Ukraine flossen erhebliche Gasmengen über Pipelines aus Russland nach Europa. Im ersten Halbjahr 2021 flossen rund 30 Milliarden Kubikmeter über die Ostseepipeline Nord Stream nach Deutschland.
Weitere 20 Milliarden Kubikmeter gelangten über den Transit durch die Ukraine und Polen in die Europäische Union. Kleinere Mengen gelangten über die Türkei und als LNG-Lieferungen nach Europa. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2021 mehr als 80 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland in die Europäische Union geliefert.
Von russischem Gas zu LNG: Eine Energieversorgung im Wandel
Diese Mengen sind inzwischen stark zurückgegangen. Zuerst blockierte Polen 2022 den Gastransit durch die Jamal-Pipeline. Dann wurden auch die Nord-Stream-Pipelines zerstört, und der vierte Strang ist bis heute nicht in Betrieb gegangen.
In der zweiten Jahreshälfte 2023 gelangten noch rund 7,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas über die Ukraine in die EU. Knapp 8,5 Milliarden Kubikmeter flossen über die Türkei nach Europa und rund acht Milliarden Kubikmeter wurden als LNG geliefert.
Die Rolle von LNG-Terminals in Deutschlands Energiezukunft
Nach Ansicht der DIW-Forscher müssen nicht alle geplanten LNG-Terminals in Deutschland gebaut werden. Denn die drei bestehenden schwimmenden Terminals seien nur zur Hälfte ausgelastet. Alle Terminals in Deutschland, Polen, Belgien, den Niederlanden und Italien zusammen seien ebenfalls nur zu zwei Dritteln ausgelastet.
Daraus schließen die Wissenschaftler, dass auch bei hoher Nachfrage, etwa wegen extremer Kälte, genügend Erdgas über die bestehenden Terminals bezogen werden könnte.
Angesichts des zu erwartenden Rückgangs des Erdgasverbrauchs in Deutschland und der Stabilisierung der Versorgung erscheint es aus Sicht des DIW angebracht, die im LNG-Beschleunigungsgesetz vorgesehenen Projekte und Standorte auf den Prüfstand zu stellen.
Mukran und die LNG-Debatte: Notwendigkeit auf dem Prüfstand
Vor allem das LNG-Terminal am Standort Mukran auf Rügen sollte überdacht werden, raten die DIW-Forscher. Das Terminal stehe zwar im Winter 2023/24 nicht zur Verfügung, dennoch sei in Ostdeutschland keine Versorgungslücke entstanden. Und damit sei auch in Zukunft nicht zu rechnen.
Dies liegt vor allem daran, dass keine strukturellen Netzengpässe innerhalb Deutschlands bestehen, die ein Terminal auf Rügen rechtfertigen würden. Etwaige Netzengpässe innerhalb Deutschlands können kostengünstig und zeitnah durch Flussumkehr auf ehemals in Ost-West- Richtung betriebenen Verbindungsleitungen beseitigt werden.
DIW Berlin
Der Bau des LNG-Terminals sei daher weder "unbedingt notwendig" noch wirtschaftlich. Vor diesem Hintergrund fordert DIW-Expertin Claudia Kemfert in den Funke-Zeitungen auch, den von der Bundesregierung im Sommer 2022 ausgerufenen Notfallplan Gas zu beenden.
Zukunft des Gasverbrauchs in Deutschland: Ein DIW-Ausblick
Das DIW geht in seiner Studie davon aus, dass der Gasverbrauch in Zukunft weiter sinken wird. Allerdings wurden die bisherigen Einsparungen in der Industrie oft durch Produktionsstillstände und Standortverlagerungen erkauft. Unberücksichtigt bleiben auch die Pläne der Bundesregierung, in den kommenden Jahren zahlreiche Gaskraftwerke zu bauen, um den Kohleausstieg zu bewältigen.
Auch mögliche Veränderungen auf der Angebotsseite bleiben unberücksichtigt. Weil die Konjunktur in Asien, vorwiegend in China, lahmt, sind die Gaspreise gefallen. Zieht die Wirtschaft aber wieder an, dürften auch die Gaspreise erneut steigen.
Die DIW-Forscher verweisen in ihrer Argumentation auch auf die USA, wo die Biden-Administration die Genehmigung von LNG-Terminals vorerst auf Eis gelegt hat. Dies könne auch in Deutschland genutzt werden, um "negative soziale und ökologische Auswirkungen zu reduzieren und Fehlinvestitionen sowie fossile Pfadabhängigkeiten zu vermeiden".
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