Musik im Juli

Seite 3: Achtziger Jahre

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New Order - Blue Monday von 1983, Maxi-Single (Factory Records), später erschienen auf "Substance 1987"

Die "neue Richtung", die sich die drei Übriggebliebenen verordnen, ist anfangs so neu nicht. Bernard Sumner übernimmt mit seiner windelweichen Stimme zwar fortan den Gesang. Trotzdem werden die Songs weiterhin, wie man auf "Movement", dem Debüt, hören kann, von den ebenso wuchtigen wie finsteren Basslinien Peter Hooks bestimmt, der den Bass längst wie eine Gitarre behandelt und ihn auch so malträtiert.

Auch der neue, sehr unterkühlt wirkende, metallische Industriesound, der Assoziationen mit den Helden von Novalis Helden weckt, die sich in Bergwerke, Höhlen oder versteinerte Meere aufmachen, dorthin, wo "der Geist die Materie berührt", bleibt zunächst existent.

Man vergleiche diesbezüglich nur New Orders erste Single "Ceremony", mit und ohne Ian Curtis, und höre sich danach den Song Temptation an, der ungefähr die "neue Richtung" vorgibt.

Die Entwicklung der Band, von den Anfängen bis zum endgültigen Split, kann man recht gut auf "Substance" oder auf dem gerade erschienenen Album "Total: From Joy Divison to New Order" verfolgen.

Allerdings dauert es doch Jahre, bis aus den sinistren Soundteppichen der Anfangszeit gut tanzbare, ja sogar luftig daherkommende Dance-, Pop- oder (später sogar) Rocknummern werden. Uns ist aktuell niemand geläufig, der den Wechsel von der Tragödie und Schwermütigkeit der Existenz hin zum Frohsinn und zur heiteren Leichtigkeit des Seins besser hinbekommen hat als New Order.

Egal, welchen Longplayer aus den Achtzigern man auch zur Hand nimmt, ob "Power, Corruption & Lies" oder "New Life", die die neue Richtung vorgeben, "Brotherhood", das Meisterwerk "Republic" oder das House inspirierte "Technique", immer kommt dem Hörer Großartiges zu Ohren und wird beim Kauf mit wunderbar wavenden Rhythmen entlohnt.

Dies gilt für die Smash-Hits True Faith, und 1963, das wunderbare The Price Of Love oder State Of The Nation genauso wie für die vielleicht weniger bekannten All Day Long, Chemical oder das wuchtige I Told You So vom vorerst allerletzten Album.

Leicht ließe sich eine ganze Litanei weiterer Dancerock-Songs anführen, Leave Me Alone etwa, eine fast klassische Joy Division Nummer, Love Vigilantes oder Everyone Everywhere, aber das sollte jeder selbst neu oder erneut auf Entdeckungsreise gehen.

Der Durchbruch von New Order gelingt mit Blue Monday, einem siebeneinhalbminütigen Stück, das zunächst auf keinem Longplayer präsent ist und wegen seiner für damalige Verhältnisse enormen Länge nur als Maxi- oder 12-Single veröffentlicht wird. Später, nachdem sich auch der kommerzielle Erfolg einstellt, wird "Blue Monday" zur am besten verkauften Maxi-Single aller Zeiten (angeblich 10 Millionen).

Als Cover wählt die Band eine schwarze Farbe ohne Nennung des Titels und Bandnamens. Allein ein farbiger Code prägt das Äußere. Seit seinem Erscheinen sind diverse Mixe, Abmischungen und Re-Mixe im Umlauf. Wie überhaupt diverse Versionen der Songs mit dem jeweiligen Entstehungsdatum von der Band selbst existieren und es wohl kaum einen DJ auf dem Erdball geben dürfte, der nicht wenigstens einige Takte davon in petto hat.

Für den neuen Frohsinn, den die Band fortan ausstrahlt und verbreitet, dürfte neben einer Tour in die USA, bei der man den US-amerikanischen Discosound kennen lernt, auch die von Peter Hook gemeinsam mit seinem Plattenboss initiierte Eröffnung des Tanztempels "Club Hacienda" in Manchester mitverantwortlich gewesen sein, der sich bald darauf zur Geburtsstätte von House, Rave und Techno entwickelt.

Als in England, auch dank der Aktivitäten von New Order, das Acid-House Fieber ausbricht und die Tanzhacienda pleite geht, macht die Band erst mal Schluss. Ab 1990 legt man eine längere Pause ein. Bernard Sumner geht eigene Wege und gründet mit Johnny Marr von The Smith die Band Electronic - in unserer nächsten Kolumne werden wir näher darauf eingehen. Und Peter Hook wird mit Monaco ein poppig-eingängiges Abenteuer wagen.

Anfang des neuen Jahrtausends kehrt New Order triumphal auf die Bühne zurück. Mit "Get Ready" und fünf Jahre später mit "Waiting Für The Sirens’ Call" gelingen ihnen zwei grandiose Rockalben, bei der nun die Gitarren die Hauptarbeit übernehmen. Danach ist endgültig Schluss. Die persönlichen Animositäten zwischen Sumner und Hook sind zu groß.

Während ersterer mit Bad Lieutenant zu den Wurzeln des Rave zurückkehrt und ihm ein wunderschönes Retro-Projekt gelingt, hebt Peter Hook mit Mani, dem ehemaligen Bassisten der Stone Roses das Projekt Freebass aus der Taufe, das aber nach dem ersten Album, das auch noch sang- und klanglos untergeht, aber sofort wieder auseinanderbricht.