Musik im Juli

Seite 5: Nuller Jahre

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J.J. Cale & Eric Clapton - Ride The River von 2005 auf "The Road To Escondido" (Reprise, Warner)

Seitdem im Frühjahr 1965 auf einigen Mauern in London und New York der Spruch: "Clapton is God" zu lesen war, braucht man über Eric Clapton nicht mehr viele Worte zu verlieren. Vielleicht, dass dieser God zu jener Zeit, als er noch für die Yardbirds die Gitarre zupfte, auch den Beinamen Mr. Slowhand bekommt, weil er während seines Spiels immer wieder die Saiten seiner "Les Paul" bzw. "Fender Telecaster" erneuern muss, was das Publikum mit einem lang anhaltendem Handclapping unterstützte.

Mittlerweile kann sein Leben, das von diversen Katastrophen, Abstürzen und Entzugskuren begleitet wird, auch zwischen zwei Buchdeckeln nachgelesen werden (Kiepenheuer & Witsch). Bemerkenswert ist, dass seine Soloalben, so auch das jüngst schlicht "Clapton" betitelte, meist nicht zu überzeugen vermögen. Am besten ist er immer, wenn er mit anderen Musikern jammt. Mit Stevie Winwood etwa oder, davor, mit J.J. Cale.

Anlass war das von Eric Clapton höchstselbst veranstaltete "Crossroads Guitar Festival", bei dem J.J. Cale zugegen war. Dort gelingt es Clapton, seinen langjährigen Freund, aus dessen Feder zwei seiner größten Hits stammen, Cocaine und After Midnight, zu einem gemeinsamen Projekt zu überreden.

Charakteristisch für die eher kurzen Songs des kauzigen Eigenbrötlers, der häufig in Trailerparks unterwegs ist oder am liebsten mit seinem Homer durch die Lande zieht, ist ihre sparsame Instrumentierung. Jeder überflüssige Schnickschnack oder Firlefanz wird gemieden. Im Vordergrund steht die Konzentration auf das Wesentliche. Auf diese Weise entsteht ein unverkennbarer, wohl temperierter Sound, der überaus lässig daherkommt, den Hörer zum Wippen bringt, aber trotzdem unheimlich entspannend auf ihn wirkt. Weil man sich dabei auch wunderbar zurücklehnen und die Musik genießen kann, hat man ihm auch den Beinamen "Laid Back"-Stil verpasst.

Ulf Poschardt, bekennender Porsche-Fahrer und Springer-Eleve, hat einst bei Friedrich Kittler über den Begriff "Cool" promoviert, und fein säuberlich die dazugehörigen Haltungen und Lebenstechniken, Dummheiten und Niederlagen ziseliert. Die mehr als vierhundert Seiten kann sich sparen, wer einfach eine Platte von J.J. Cale auflegt - J.J. deswegen, um nicht mit John Cale von den Velvet Underground verwechselt zu werden. Das, was J.J. zu Gehör bringt, ist echt "cool", oder wenn man so will: der Inbegriff von "cool" und "coolem Sound".

Seinem höchst eigenen Stil einen Namen zu geben, fällt schwer. Weder ist das, was er macht, Country oder Pop noch Blues oder Rock. Vermutlich muss man im Mittleren Süden der USA geboren, sehr mobil und jahrelang durch das "weite Land" gezogen sein, um so einen ungemein locker und leicht dahinschwebenden Sound kreieren zu können. Aus dieser Verlegenheit heraus hat man den ureigen dahin schrammelnden Stil des bald Dreiundsechzigjährigen, der einst in Tulsa, Oklahoma das Licht der Welt erblickt hat, einfach das Etikett "Tulsa Sound" verpasst.

Eine Menge davon ist auch im genialen Zusammenspiel mit Eric Clapton zu hören. Um seiner Verneigung vor dem eher öffentlichkeitsscheuen, jeden Ruhm meidenden Musiker Ausdruck zu verleihen, hat Mr. Slowhand auch nur drei der insgesamt vierzehn Songs beigesteuert. Wer sie sich anhört, spürt sofort die Verbundenheit und Zuneigung, den die beiden füreinander empfinden; und er spürt auch sofort den Spaß, die gute Laune und die Spielfreude, die sie bei den Aufnahmen gehabt haben müssen, wobei sie neben der Backing Band von J.J. auch von vielen prominenten Gästen wie Taj Mahal, Derek Trucks oder Billy Preston unterstützt werden.

Das heißt aber nicht, dass auf der Platte nicht gekonnt und häufig die Stile gewechselt werden. Mal ist es ein Blues (Sporting Life Blues), oder einfach etwas Easy-Fluffiges (Anyway The Wind Blows), worauf dann wieder ein luftiger Folk (Three Little Girls), ein Klassiker (Don’t Cry Sister), ein fetziger Rockabilly (Dead End Road) oder ein Schmachtfetzen (Who Am I Telling You) folgen.

Mitunter klingen die beiden aber auch, als ob Duane Allman von den Toten wieder auferstanden wäre und sich mit Dicky Betts ein neuerliches Gitarrenduell liefern würde. So etwa bei Missing Person, dem Opener Danger mit Billy Preston an der Orgel oder dem wunderbaren Rausschmeißer Ride The River.

Hier kann man die beiden mit After Midnight und Call Me The Breeze, einem weiteren Klassiker aus der Feder J.J. Cales, den später Lynard Skynard populär gemacht haben, auf der Bühne erleben. Deutlich wird, dass sich J. J.’s Art, die Gitarre zu zupfen, nicht hinter dem seines Freundes zu verstecken braucht.

Wer noch auf der Suche nach einem passenden Sound für seine Sommerausflüge in die Berge oder ans Meer ist, dem sei dieses Werk wärmstens ans Herz gelegt. Jede Missstimmung, die aufkommen könnte, wird, wir geloben, sofort im Keim erstickt. Wie heißt es in "Ride The River", unserem Anspieltipp:

Floatin down that old river boy
All my worries far behind
Floatin down that old river boy
Leave old memories way behind

Übrigens: Ein schönes Interview ("Ich bin dran. Also, die Antwort ist: Nein."), das Alexander Gorkow mit den Beiden geführt hat, kann man hier nachlesen.