Musikpiraten verlieren erstinstanzlich gegen GEMA

Weil er in dem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt eine Gefahr für Creative-Commons-Lizenzen in Deutschland sieht, will der Verein in Berufung gehen

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Im Juni verklagte die Musikverwertungsgesellschaft GEMA den im Umfeld der Piratenpartei entstandenen Verein Musikpiraten, weil dieser eine CD mit Musik unter Creative-Commons-Lizenz veröffentlichte, an der sich auch die Komponisten und Texter Electronico und ElRon XChile beteiligten, die lediglich ihr Pseudonym und nicht ihre bürgerlichen Namen offenlegen wollen. Die GEMA argumentiert, dass sie zwar eine Datenbank mit Pseudonymen führt, aber nicht sicher ist, ob diese vollständig ist. Deshalb könnte es sein, dass einer der an der auf 2000 Exemplare limitierten und handnummerierten FreeMixter-CD beteiligten Musiker mit seinem bürgerlichen Namen bei der GEMA gemeldet ist.

Wem das etwas weit hergeholt erscheint, dem hält die GEMA die von der deutschen Rechtsprechung entwickelte GEMA-Vermutung entgegen. Sie besagt im Groben, dass die Musikverwertungsgesellschaft in Deutschland mit einer Beweislastumkehr begünstigt wird, weil sie ein Monopol hat. Deshalb muss ihr jeder, der Musik aufführt oder veröffentlicht, erst beweisen, das keiner der daran Beteiligten Mitglied der GEMA oder einer ihrer angeschlossenen ausländischen Äquivalente ist.

Das Amtsgericht Frankfurt hatte nun zu entscheiden, wie weit diese Beweislastumkehr in der Praxis gehen kann, und kam dabei unter Verweis auf alte BGH-Entscheidungen zu dem Ergebnis, dass die Autoren des Stücks Dragonfly zur Vermeidung einer Zahlungspflicht ihre bürgerlichen Namen auch dann offenlegen müssen, wenn sie unter ihren Pseudonymen versichern, keine GEMA-Mitglieder zu sein und wenn sie ihr Stück explizit unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht haben, was die GEMA ausschließt.

Inwieweit das Amtsgericht dabei berücksichtigt hat, dass es heute (anders als zu Zeiten in denen die GEMA-Vermutung entstand) Portale mit Hunderttausenden GEMA-freien Titeln gibt, wird erst die schriftliche Urteilsbegründung zeigen. Der Verein Musikpiraten will nun diese schriftliche Urteilsbegründung abwarten, hat aber bereits angekündigt, die zugelassene Möglichkeit eines Gangs vor das Landgericht wahrzunehmen, weil er in der Entscheidung, die nach Ansicht des Vereinsvorsitzenden Christian Hufgard ein "Fehlurteil" ist, eine grundsätzliche Gefahr für Creative-Commons-Werke in Deutschland sieht.

Bereits im Juni hatten sowohl die Musikpiraten als auch die GEMA verlautbart, ein Grundsatzurteil anzustreben. Von daher ist gut möglich, dass es nach dem Landgericht noch in weitere Instanzen geht. Ein weiterer Grund, warum die Musikpiraten in die Berufung gehen, ist Hufgard zufolge, dass sich das GEMA-Vermutungs-Problem auch beim heute erschienenen neuen Free!-Music!-Contest-Sampler Freedom and Free Beer stellt, auf dem die aus Electronico und ElRon XChile bestehende Band Texasradiofish erneut mit einem Stück vertreten ist.

Die GEMA kann mit dem gestrigen Urteil zwar einen vorläufigen juristischen Sieg verbuchen, scheint aber in ihrem Image in der Bevölkerung und in Teilen des Musikgewerbes immer weiter abzusacken. Mittlerweile beschuldigt sogar der bekannte Musikveranstalter Marek Lieberberg die Verwertungsgesellschaft öffentlich, sie habe sich ein "Schlaraffenland auf Kosten der Musiker, die zu vertreten man vorgibt" geschaffen. Lieberberg zufolge ist die Situation in Deutschland auch deshalb sehr viel schlechter als in den USA, "weil hier Verlage und aus der Mode geratene Autoren eine unheilige Allianz bilden". "Obsolete Schlagerfuzzis, die in den Gremien als Hardliner auftreten", sind ihm zufolge dafür verantwortlich, dass ein großer Teil der extrem hohen Abgaben an "unbeteiligte Nutznießer des GEMA-Sumpfes" fließt. Als Beispiel für einen "Rädelsführer" im GEMA-Aufsichtsrat nannte Lieberberg den vor allem in den 1970er und 1980er Jahren erfolgreichen Sänger Stefan Waggershausen, der für eine Stellungnahme zu dem Vorwurf nicht erreichbar war.

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