Muss Berlin noch einmal wählen?

Seite 2: Berlins SPD-Innensenator Andreas Geisel verantwortlich

Beichelt stellt auch die Frage der politischen Verantwortung für die Unregelmäßigkeit bei den Wahlen und verweist zugleich auf Innensenator Andreas Geisel (SPD). Man dürfe die Kritik nicht lediglich auf die Verantwortlichen in der Verwaltung beschränken. Mit dem Rücktritt der ehrenamtlich arbeitenden Berliner Landeswahlleiterin wurde in diesem Bereich Konsequenzen gezogen. Doch die politische Ebene hat bisher den Eindruck erweckt, sie habe mit dem Desaster nichts zu tun. Das weist Beichelt zurück.

Er erinnert daran, dass in Berlin jahrzehntelang bei der Verwaltung gespart wurde. Zahlreiche Stellen bleiben unbesetzt. Viele Bürger haben das zu spüren bekommen, wenn sie lange auf einen Behördentermin warten mussten, wenn sie etwa ein wichtiges Dokument verlängern müssen.

Auch die Pannen bei den Wahlen ist nach Beichelts Ansicht zumindest teilweise eine Folge der Sparpolitik bei den Behörden. Sollte es tatsächlich zu einer Wahlwiederholung kommen, würden hohe Kosten entstehen. Zudem könnte die Politikverdrossenheit befördert werden. Schließlich wird der Eindruck erweckt, dass selbst die Organisierung von bürgerlichen Wahlen in Berlin ein Problem ist.

Muss man Satire-Partei sein, um die Wahl ernst zu nehmen?

Beichelt stellt sich auch die Frage, wie die Bevölkerung in Berlin darauf reagiert. Bisher kaum, muss man konstatieren. Es ist auffallend, dass vor allem die Linke sehr still ist. Dabei hat LInken-Kultursenator Klaus Lederer seinen Wahlkreis mit nur wenigen Stimmen Abstand verloren. Er war nicht der Einzige. Lässt die Linke die Angst schweigen, in die rechte Ecke gestellt zu werden, wenn man eine fundamentale Kritik an dem Ablauf der Wahlen formuliert?

Mitunter wurde darauf verwiesen, dass man sich damit in das Fahrwasser rechter Populisten begäbe. Schließlich sei von Trump und Konsorten bekannt, dass sie Wahlen nur anerkennen, wenn sie gewinnen. Aber darf das die Linke davon abhalten, einen Wahlverlauf wie am 26. September in Berlin zu kritisieren? Die Satirepartei "Die Partei" immerhin will die Wahlen überprüfen lassen – und das ganz im Ernst.

Auf einer Online-Plattform können sich Wähler melden, die in Berlin Unregelmäßigkeiten festgestellt haben. Wenn "Partei"-Chef Martin Sonneborn fragt, ob man Satirepartei sein muss, um die Wahlen ernst zu nehmen, trifft er einen wichtigen Punkt.

Auch die Rossiskaja Gaseta aus Russland registriert "beispiellose Verstöße bei der Berlin-Wahl". So haben russische Medien mal die Gelegenheit, den Spieß umzudrehen. Schließlich kommt sonst immer aus Deutschland die Schelte, in Russland könnte eine Wahl nicht nach bürgerlichen Kriterien abgehalten werden.