Mythos Arbeitsunlust in Deutschland: So viel wurde im letzten Jahr wirklich gearbeitet
Gesamtarbeitsvolumen erreicht Rekordhoch. Die Wochenarbeitszeit ist aber im Schnitt gesunken. Das sind die Gründe.
Die mutmaßliche Arbeitsunlust in Deutschland war in den letzten Monaten immer wieder Thema. "Jedenfalls wird ein bisschen im Moment zu viel für immer weniger Arbeit gestreikt beziehungsweise geworben" hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im März erklärt. Wenig später wollte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) "Lust machen auf die Überstunde".
Auf welcher Faktengrundlage diese Diskussion stattfindet, hat nun das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) analysiert.
Knapp 55 Milliarden Stunden: Arbeitsvolumen auf Rekordhoch
Demnach wurde in Deutschland seit 1990 nie so viel gearbeitet wie im Jahr 2023. Insgesamt knapp 55 Milliarden Stunden Arbeit leisteten abhängig Beschäftigte nach DIW-Angaben im vergangenen Jahr. Das Arbeitszeitvolumen lag 1991 – im Jahr nach dem Anschluss der DDR – bei 52 Milliarden Arbeitsstunden und erreichte 2005 einen Tiefpunkt von 47 Milliarden.
Mehr Teilzeitbeschäftigte, weniger Hausfrauen ohne Job
Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Beschäftigten ist aber seit 1991 gesunken, weil es mehr Teilzeitbeschäftigte und weniger "Nur-Hausfrauen" im erwerbsfähigen Alter gibt.
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Der Anstieg des Arbeitszeitvolumens geht vor allem auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen zurück – und letztere würden, soweit in Teilzeit beschäftigt, zumindest teilweise sogar gern ihre Arbeitszeit regulär aufstocken.
Arbeitende Frauen fast zur Hälfte in Teilzeit beschäftigt
Das gilt auch und gerade für Mütter, obwohl sie immer noch die Hauptlast im Haushalt und bei der Kinderbetreuung tragen.
Insgesamt ist fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen in Deutschland teilzeitbeschäftigt, was zu einer im europäischen Vergleich relativ geringen durchschnittlichen Arbeitszeit aller Beschäftigten führt.
Durchschnittliche Arbeitszeit nah an 35-Stunden-Woche
Sie liegt mit 34,7 Wochenstunden aber nah an der alten gewerkschaftlichen Forderung nach einer 35-Stunden-Woche, allerdings sind diese Stunden ungleich verteilt. Die Realität entspricht nicht unbedingt dem Wunsch der Betroffenen nach einer guten Work-Life-Balance.
Im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) werden neben den tatsächlichen auch die gewünschten Arbeitszeiten erhoben. Ab einer Diskrepanz von plus / minus vier Wochenstunden wird dabei von Über- und Unterbeschäftigung gesprochen.
Kinder sind Unterbeschäftigungsrisiko, aber nur für Frauen
Männer arbeiten demnach in der ersten Erwerbsphase zwischen 18 und 28 Jahren überdurchschnittlich oft weniger, als sie es wünschten. Bei Frauen scheinen vor allem Kinder das Unterbeschäftigungsrisiko zu erhöhen.
Nach SOEP-Daten sind Mütter mit einer Wahrscheinlichkeit von 18 Prozent überdurchschnittlich häufig unterbeschäftigt, bei Vätern ist dies nicht der Fall.
Ein Hebel gegen den Fachkräftemangel?
Während Frauen im Durchschnitt immer noch weniger Wochenstunden als Männer arbeiten, ist ihre durchschnittliche Arbeitszeit seit 2011 konstant, während die der Männer kontinuierlich sinkt.
"Angesichts des Fachkräftebedarfs sollten Hürden bei Ausweitung der Arbeitszeit abgebaut werden", so das Fazit des DIW. Das Institut hat unter anderem den Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten als Hebel ausgemacht.
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