NRW: Grün war gestern

Heute ist Establishment - Ein Kommentar

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Nun haben sich SPD und Grüne - Hand in Hand - doch noch dazu durchgerungen, eine Regierungskoalition mit der Linken zu versuchen. Und wie es sich gehört, sollen dem „Neuling“ sogleich die Grenzen aufgezeigt werden: Wer im Westen mitregieren will, solle doch erst einmal darlegen, wie er es mit der ehemaligen DDR halte.

Was dies mit der Arbeit einer Landesregierung zu tun haben soll, ist nicht ersichtlich. Dabei geht es hier darum, dass das Land Nordrhein-Westfalen regiert werden muss. Den Bürgerinnen und Bürgern brennen andere Sorgen unter den Nägeln. Jetzt geht es darum, dass die Fehler der Rot-Grünen Koalition in Bund und Land, und die Folgen der Schwarz-Gelben Koalition, zusammen mit den Linken behoben werden.

Ich kann verstehen, dass es für die SPD schmerzlich ist, erfahren zu haben, dass die Arbeitnehmerschaft nicht mehr hinter ihr steht. Noch schmerzlicher ist es zu erfahren, dass eine andere Partei diese Lücke geschlossen hat. Aber dies muss die SPD selber aufarbeiten und kann nicht den Linken den Vorwurf machen, den Platz eingenommen zu haben, den sie geräumt hat. In solch einer Situation von einer Partei zu verlangen, dass sie ihr Verhältnis zur DDR darstellt, ist platte PR-Propaganda. Und es steht erst recht den Grünen nicht gut zu Gesicht, die Linken wie Schmuddelkinder zu behandeln. Aber offensichtlich hat man seine eigene Vergangenheit über Mitregieren und Ministerämter vergessen. Ich will gerne die Erinnerung wachrufen.

Als Gründungsmitglied der Grünen habe ich erlebt, wie uns an den Infoständen zugerufen wurde: „Geht doch nach drüben!“ Die Presse hat uns entweder verschwiegen oder sie hat in den Lebensläufen von Mitgliedern nach angeblichen Auffälligkeiten gesucht. Der Verfassungsschutz beobachtete uns. Die Grünen wurden damals genauso behandelt wie die Linke heute. Joschka Fischer war der Steinewerfer und Otto Schily der RAF-Anwalt. Die Grünen sollten der Gewalt abschwören, zu der es bei Demonstrationen der Anti-AKW-Bewegung kam.

Die Realos, die wie Joschka Fischer und Otto Schily, in erster Linie ihre Karriere vor Augen hatten, haben sich 89/90 „putschartig“ ihres linken Flügels entledigt, da er ihren Plänen im Wege war. Dass die Grünen in ihrer ersten Fraktion, der ich übrigens angehörte, einen IM in ihren Reihen hatte, wurde nie großartig diskutiert. Dass Antje Vollmer seinen Kurs unterstützte, hat nach seiner Enttarnung niemanden mehr interessiert. Eine Aufarbeitung fand nie statt. Stattdessen wurde Antje Vollmer Bundestagsvizepräsidentin.

Dass ausgerechnet die Grünen sich nun in Vorverurteilungen ergehen und erst einmal das Verhältnis der Linken zur DDR geklärt wissen wollen, erinnert fatal an ihre eigenen Anfänge. Damals hat man sich allerdings gegen ähnliche Angriffe verwahrt. Heute will man an die damaligen Angriffe nicht mehr gerne erinnert werden. So verwehrt man auf Partei- und Fraktionsjubiläen ehemaligen Vorstands- und Fraktionsmitgliedern das Rederecht. Die „Jubelperser“ wollen unter sich bleiben. Und da stören Erinnerungen an Zeiten, die man nur zu gerne hinter sich gelassen hat.

Wir aber sind die alten Zeiten, und wir haben die Partei nicht dafür initiiert, damit heute Rechtsliberale sie ausschlachten und sich am Ofen des Wohlstandes wärmen. Unsere Zielsetzung war und ist eine soziale und solidarische Gemeinschaft und Gesellschaft. Eine Gesellschaft der Stabilität und der Verantwortung, die ihre Sozialsysteme nicht einfach an raffgierige und kurzsichtige Wirtschaftsakteure verrät, die nur ihren persönlichen Profit in den Vordergrund stellen. Wer sich an solche Egomanen verkauft und sie die Gesetze mitschreiben lässt, um eine ihnen nützliche Ellbogengesellschaft zu entwerfen, hat nicht unsere Unterstützung.

Vor dem Hintergrund, dass die Grünen sich einmal als Partei der Bewegungen verstanden und ihre Wahlerfolge diesen Bewegungen zu verdanken hatten, sollten sie sich darüber im Klaren sein, dass keine Bewegung eine Partei wählt, die sich beliebig mit einer SPD „oder“ CDU in einer Koalition sehen kann. Die „Bewegungen“ sind jedenfalls nicht mehr die Wählerschaft der Grünen. Da haben sie die Linken mit links überholt.

Marita Wagner ist Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Linker UnternehmerInnen (Die Linke), Ratsmitglied in Gronau und Vorsitzende des Sozialausschusses im Stadtrat für Die Linke, Mitgründerin der Grünen (ausgetreten 1990), Eintritt in Die Linke 2008