NRW nach der Wahl: Chance für einen schnelleren Kohleausstieg?

Gewinne und Verluste bei den Landtagswahlen in NRW

Energie und Klima – kompakt: LNG-Beschleunigung: "Das ist die neue Deutschlandgeschwindigkeit" und Tempolimit auf Autobahnen

Die Gewinner der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen sind die CDU und die Grünen. Ob das zu einer schwarz-grünen Koalition führen wird, bleibt offen. Rechnerisch wäre auch eine Ampel wie im Bund möglich, allerdings bekäme dann die SPD als die Partei mit den größten Verlusten den Regierungsauftrag.

Ob nun schwarz-grün oder rot-gelb-grün einen Unterschied für die Klimapolitik des Landes machen würden, ist ebenso fraglich wie, ob die Grünen angesichts ihrer 18 Prozent auch entsprechend klimapolitisches Gewicht in die Waagschale werfen würden. Denn aus der Bundespolitik wird dieser Eindruck ja gerade nicht unbedingt vermittelt.

Die CDU-NRW hält laut ihrem Kurzwahlprogramm am vorgezogenen Kohleausstieg 2030 fest, möchte eine Million Bäume pflanzen und die Akzeptanz für die Windkraft erhöhen. Doch man mag fragen, ob derzeit fehlende Akzeptanz oder eine Abstandsregel von 1000 Metern den Ausbau der Windenergie im Land hemmen.

Der vorgezogene Kohleausstieg klingt zwar gut, aber hinkt der Zeit hinterher, wenn nach neuesten Erkenntnissen die 1,5-Grad-Schwelle der globalen Erwärmung schon in den nächsten fünf Jahren geknackt werden könnte. Eine wichtige Maßnahme dies aufzuhalten, wäre keine weitere Kohle zu verbrennen. Auch nicht bis 2030. Was sagen die Grünen in NRW dazu?

Sie wollen das Land bis 2040 klimaneutral machen und den Kohleausstieg bis 2030 sicherstellen. Auch hier wäre zu sagen: Das ist schön, reicht aber leider nicht aus. Im Wahlprogramm der FDP sucht man das Wort Kohleausstieg übrigens vergeblich, Klimaneutralität soll erst 2045 erreicht werden. Und so wäre zu befürchten, dass selbst eine 5,9-Prozent-FDP auch auf Landesebene die Rolle der Bremserin im Klimaschutz übernehmen würde.

Und die SPD? Beruft sich auf den Kohlekompromiss, ohne ein Datum zum Kohleausstieg ins Wahlprogramm zu schreiben.

Sitzverteilung im Landtag von NRW

Implizit heißt das aber, dass eine Kohleverstromung bis 2038 möglich bliebe. Im Programm der SPD ist es so formuliert:

Für uns gilt unverändert der Grundsatz des Kohlekompromisses, dass der Kohleausstieg erfolgen wird, wenn die (jetzt beschleunigten) Ziele des Ausbaus der Erneuerbaren nachprüfbar erreicht sind. Der gleichzeitige Ausstieg aus Kernkraft und Kohle kann nur unter Wahrung der Versorgungssicherheit gelingen.

SPD

Der CDU-NRW mangelt es hingegen an Glaubwürdigkeit in Sachen Klimaschutz, gemessen an ihrer bisherigen Politik. Innenminister Herbert Reul war es, der bereitwillig einen Vorwand für die Räumung des Hambacher Forsts 2018 lieferte. Ministerpräsident Hendrik Wüst hat es versäumt, ein Moratorium gegen den Abriss des Dorfs Lützerath zu verhängen, das – nach dem noch von Rot-Grün 2005 beschlossenen Braunkohleplan – der Erweiterung des Tagebaus Garzweiler II zum Opfer fallen soll.

LNG-Beschleunigungsgesetz, Tempolimit auf Autobahnen

Bekanntlich ist zwischen Wahlprogrammen und Realpolitik zu unterscheiden. So hat das Bundeskabinett vergangene Woche das LNG-Beschleunigungsgesetz verabschiedet, das den Bau von Flüssiggasterminals vereinfachen und beschleunigen soll. Wie hier immer wieder berichtet, wird so der Import von Frackinggas aus den USA (oder anderen Ländern) ermöglicht.

Frackinggas steht gegenüber anderem Erdgas besonders in der Kritik, weil beim Fracking eingesetzte Chemikalien zusätzlich Umwelt und Gesundheit belasten. Darüber hinaus zementiert jede neue fossile Infrastruktur auch die Abhängigkeit von fossiler Energie für die Zukunft, da Investoren wollen, dass ihre Investitionen sich auch amortisieren. Und Lieferverträge für LNG könnten unter Umständen nur abgeschlossen werden, wenn sich Deutschland auf lange Laufzeiten einlässt.

Scharfe Kritik am LNG-Beschleunigungsgesetz kommt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH): Der Entwurf des LNG-Beschleunigungsgesetzes verstoße gegen das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot und weitere wichtige gesetzliche Vorgaben, heißt es dort.

Die geplante Betriebserlaubnis für bis zu elf Terminals für Flüssigerdgas (LNG) in Deutschland bis zum Jahr 2043 wäre für so erhebliche CO2-Emissionen verantwortlich, "dass sie mit dem Pariser Klimaschutzabkommen, dem deutschen Bundesklimaschutzgesetz und dem Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar ist", heißt es in einer Stellungnahme der DUH.

Die vorgesehene pauschale Ausnahme von Umweltverträglichkeitsprüfungen sei zudem nicht vereinbar mit dem Europarecht. Die DUH fordert, das Gesetz nur für schwimmende Terminals anzuwenden, die Betriebsgenehmigungen bis Ende 2034 zu beschränken – weil danach spätestens der Erdgasausstieg beginnen müsse – und die Terminals so zu gestalten, dass sie später auch für grünen Wasserstoff genutzt werden können.

In der vergangenen Woche trafen sich auch die Umweltminister:innen der Länder in Wilhelmshaven zur Umweltministerkonferenz und begrüßten die neue Planungsgeschwindigkeit, die bei den schwimmenden LNG-Terminals an den Tag gelegt werden soll.

Wir planen, genehmigen und bauen mit einer mindestens verachtfachten Geschwindigkeit im Vergleich zu ähnlich großen Infrastrukturmaßnahmen. Das ist die neue Deutschlandgeschwindigkeit, die wir auch für den Ausbau der Erneuerbaren und der Netze brauchen.

Olaf Lies, Vorsitzender der Umweltministerkonferenz und Umweltminister von Niedersachsen

Überraschend sprachen sich die Umweltminister:innen gemeinsam für ein Tempolimit auf Autobahnen aus. Begründet wird dies in erster Linie mit der Verknappung von Nahrungsmitteln angesichts des Ukraine-Krieges.

"In Deutschland werden derzeit jährlich 2,4 Mio. Tonnen Getreide für Bioethanol, also für die Beimischung für Fahrzeugkraftstoffe, genutzt. Weltweit landen 175 Millionen Tonnen Getreide im Tank. Das entspricht 9 Prozent der Weltgetreideernte. Spätestens angesichts des Krieges in der Ukraine müssen wir dringend umdenken", erklärte Lies. Biotreibstoffe sollen außerdem künftig nur noch aus Reststoffen hergestellt werden dürfen.

Nun wäre es also an der Bundesregierung, endlich ein Tempolimit einzuführen. Von Verkehrsminister Volker Wissing hat man dazu bislang noch nichts Neues gehört. Er war zuletzt damit beschäftigt, sich über den Energieverbrauch zu mokieren, der durch das Teilen von Essensfotos in sozialen Medien verursacht wird.

Mit dem Osterpaket will die Bundesregierung auch den Ausbau erneuerbarer Energien massiv beschleunigen. Dafür werden insbesondere für die Windenergie an Land auch die entsprechenden Flächen benötigt. Das Fraunhofer IEE hat seine Analyse der Flächenpotenziale in den Bundesländern gerade aktualisiert und kommt zu dem Schluss, "dass in allen 16 Bundesländern bei konsequenter Ausweisung ausreichend Flächen verfügbar sind, um das Mindestziel von 2 Prozent der Bundesfläche für die Windenergie zu erreichen".

Nur die Stadtstaaten kommen dabei auf unter 2 Prozent ihrer jeweiligen Fläche, aber auch dort gebe es Potenziale in Industriegebieten. Im Hamburger Hafen sind bereits Windräder aufgestellt worden.

"Auf 2 Prozent der Fläche lassen sich 200 GW Leistung installieren, die aus heutiger Sicht 770 TWh sauberen Strom liefern können", so das Fraunhofer IEE. Würde der Umstieg auf erneuerbare Energien aufgrund des Krieges weiter beschleunigt, wären eventuell mehr als zwei Prozent der Landesfläche erforderlich.

Deutsche Bank finanziert weiter Kohleprojekte

Selbst wenn es gelingen sollte, den Kohleausstieg im Rheinischen Revier erheblich vorzuziehen, gibt es immer noch Kohleprojekte im Ausland, in die auch Kapital aus Deutschland fließt. So reklamiert die australische Organisation Market Forces das Engagement der Deutschen Bank bei neuen Kohleprojekten in Australien.

Die Deutsche Bank, die sich zum Pariser Klimaabkommen und Klimaneutralität bis 2050 (also fünf Jahre später als im Klimaschutzgesetz verankert) bekennt, hätte sich 2020 verpflichtet, keine neuen Kohleminen und keine kohlebezogene Infrastruktur zu finanzieren, egal ob für ein neues oder bereits bestehendes Projekt.

Mit einer Refinanzierung des australischen Kohleunternehmens Whitehaven im Februar 2020 sowie Vermittlungsleistungen für weitere Finanzierungen im Jahr 2021 verstößt die Deutsche Bank gegen ihre eigenen Vorgaben. Gerade durch die neu eingeworbenen Gelder könne Whitehaven bis 2030 seine Kohleproduktion verdoppeln.

Außerdem finanziert die Deutsche Bank weiterhin indirekt die Carmichael-Kohlemine in Australien über andere Finanzierungen für deren Eigentümerin, die Adani Enterprises. Adani hätte die umstrittene Carmichael-Mine und die Bahnlinie dorthin nur über interne Umverteilung von Geldern realisieren können. Jede Finanzierung anderer Adani-Projekte hätte damit zur Carmichael-Mine beigetragen, so die Argumentation von Market Forces.

Die Deutsche Bank hat sich noch 2021 an einem Überbrückungskredit in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar für Adani Enterprises beteiligt. Die Carmicheal-Kohlemine steht wegen der auf 60 Jahre angelegten Förderung fossiler Energie in der Kritik, aber auch weil den indigenen Wangan und Jagalingou für den Bau der Kohlemine von der australischen Regierung Landtitel entzogen wurden.

Die Wangan und Jagalingou werden außerdem mit den Umweltauswirkungen des Tagebaus leben müssen, etwa der Bedrohung ihrer Wasserquellen. Das Beispiel der Carmichael-Mine zeigt einmal mehr, dass der Kohletagebau immer massive Umweltfolgen und soziale Folgen mit sich bringt, unabhängig davon, in welchem Land der Erde er stattfindet.

An dieser Stelle hatten wir über die Überschwemmungskatastrophe in Südafrika mit über 400 Todesopfern im April berichtet.

Mittlerweile haben sich Wissenschaftler:innen mit der Frage beschäftigt, ob der Starkregen, der zu Überschwemmungen und Erdrutschen geführt hatte, eine Folge des menschengemachten Klimawandels ist. Ein internationales Team von Wissenschaftler:innen kommt nun zu dem Schluss, dass ein solches Ereignis in einer 1,2 Grad kühleren Welt – also vor der Klimwaerwärmung – im Schnitt alle 40 Jahre auftreten würde, unter den jetzigen Bedingungen aber alle 20 Jahre.

An einzelnen Messstationen innerhalb des Überflutungsgebiets wäre ein solcher Starkregen in der vorindustriellen Welt noch seltener gewesen, zum Beispiel alle 200 Jahre am Mount Edgecombe. Zur hohen Zahl von Opfern könnte beigetragen haben, dass Unwetterwarnungen nicht alle Menschen erreichten, bzw. die Menschen nicht gewusst hätten, was bei Warnungen zu tun sei.

Erste Analysen hätten außerdem gezeigt, dass vornehmlich marginalisierte Bevölkerungsteile betroffen waren, besonders informelle Siedlungen waren zerstört worden.