NSU-Ausschuss: Zeuge gesteht Waffenbeschaffung

Seite 4: "Wie soll mich etwas Staatliches vor dem Staat schützen?

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Nächste Frage des Ausschusses: "Kann es sein, dass Sie bedroht werden?" Antwort: "Ja, von einer eindeutigen Seite her." - "Welche?" - "Einer staatlichen. Dem Verfassungsschutz." - "Wie sah die aus?" - "Eindeutig." - "Sollen wir das in nicht-öffentlicher Sitzung besprechen?" - "Das bringt doch nichts. Wie soll mich etwas Staatliches vor dem Staat schützen? Vielleicht bekomme ich ja einen Zuckerschock."

An einem Zuckerschock soll der V-Mann Thomas Richter gestorben sein. Puskaric erklärt, er sei beim Joggen im Wald verfolgt und eingeschüchtert worden. Ob das alles so stimmt, ist schwer zu sagen. Die Abgeordneten glauben ihm diese Geschichte nicht. Dass es den brisanten Waffendeal gegeben haben muss, dagegen aber sehr wohl.

Woher stammen die Waffen und warum sagt er das nicht? In den Akten gibt es Hinweise auf einen Stuttgarter namens Volker W., den Jug Puskaric seit der Schulzeit kennen soll. Der erklärt: "Dazu sage ich nichts." Als der Ausschuss wissen will, ob gar mehrere Leute aus Stuttgart an dem Geschäft beteiligt waren, ist seine Antwort, darüber wolle er zuerst mit seinem Anwalt reden.

Sollte es eine direkte Waffenlinie zwischen Baden-Württemberg und Thüringen gegeben haben? Das würde eine ganz neue Seite im NSU-Komplex öffnen. Und: Selbst wenn bei der Waffenbeschaffung von Puskaric und Rosemann keine Ceska-Pistole dabei gewesen war, bleiben drei Schusswaffen, die sie besorgt haben und die zum Beispiel an das Kerntrio gegangen sein könnten. Das würde eine Lücke im NSU-Waffenarsenal mit den 17 ungeklärten Asservaten schließen. Und es würde belegen, dass es mindestens drei weitere Helfer gab. Die offizielle Drei-Täter-Version wäre ein weiteres Mal grundlegend in Frage gestellt.

Sven Rosemann erschien zum zweiten Mal nicht vor dem U-Ausschuss in Stuttgart. Er meldete sich krank. Schon vor zwei Wochen sollte er befragt werden. Damals hatte er angezeigt, auf seinem Briefkasten eine Patrone gefunden zu haben. Wurde der Zeuge bedroht? Das ermittelt jetzt die Polizei. Der Ausschuss sah deshalb jedoch von Rosemanns Erscheinen zunächst ab.

Die Puskaric-Rosemann-Waffen-Connection erscheint wie ein Stoß ins Wespennest. Ob sie Einfluss auf den Prozess in München hat, ist zur Zeit nicht abzusehen. Den Verhandlungstermin am 8. März hat das Gericht abgesetzt. Weiter geht es am 13. März, möglicherweise mit den Plädoyers der Zschäpe-Verteidigung.

Markus F.

Zur Causa Jug Puskaric gehört die Causa Markus F., einer zweiten Neonazi-Größe in Baden-Württemberg. Seit Jahrzehnten in der Szene führend, Aktivist im Ku Klux Klan, bei Blood and Honour und dem militanten Combat 18, Gründer von Furchtlos und Treu - und mutmaßlich V-Person einer Sicherheitsbehörde. Jug Puskaric und Markus F. kennen sich. Doch unerfindlicher Weise entließ der Ausschuss Puskaric aus dem Zeugenstand, ohne auch nur eine Frage zu Markus F. gestellt zu haben.

Das war umso unverständlicher, als eine Vertreterin des Staatsschutzes von Baden-Württemberg als erste Zeugin mehrere aufschlussreiche Details zu Markus F. von sich gab. Sowie Hinweise, die den Verdacht stützen, dass er tatsächlich mit einer Sicherheitsbehörde in Kontakt stand oder noch steht. Beispiel: Bei einer Razzia gegen mehrere Personen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Waffenbesitzes wurde bei allen etwas gefunden, nur bei F. nicht, beziehungsweise lediglich eine Waffenattrappe.

Das kennt man vom V-Mann Tino Brandt, von dem man inzwischen weiß, dass er vor Razzien gewarnt wurde und verdächtiges Beweismaterial verschwinden ließ.

Oder: "Furchtlos und Treu" (F&T) wurde gegründet, ehe "Blood and Honour" (B&H) verboten wurde. Woher wusste Markus F., dass das Verbot kommt? F&T war eine B&H-Ersatz, hatte dieselben Ziele und dieselben Strukturen. Dennoch wurden nie, wie bei B&H, Ermittlungen wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung aufgenommen. Ermittlungen gab es gegen einzelne Mitglieder, aber nie gegen F.

Oder: Die Staatsschützerin will im Amt vorgeschlagen haben, unter anderem gegen Markus F. weitere polizeiliche Maßnahmen durchzuführen. Doch die Staatsschutz-Leitung habe dagegen entschieden: "Keine weiteren Maßnahmen."

Markus F. wurde bisher vom Ausschuss nicht geladen.

Geladen war, sei aus Chronistenpflicht vermerkt, Ralf Marschner, Ex-Neonazi-Figur aus Zwickau mit Kontakten zum Trio und zugleich V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zur Zeit im Exil in der Schweiz. Er erschien nicht. In Deutschland liegt ein Vollstreckungshaftbefehl der sächsischen Justiz wegen einer nicht bezahlten Geldstrafe gegen Marschner vor. Der Ausschussvorsitzende hatte vor der Sitzung gegenüber der Presse erklärt, er gehe davon aus, dass Marschner verhaftet wird, sobald er aus der Sitzung entlassen ist. 1