NSU-Kontext: Rechte Szene in Heilbronn unter Kontrolle des Staatsschutzes?
- NSU-Kontext: Rechte Szene in Heilbronn unter Kontrolle des Staatsschutzes?
- Akten angelegt?
- Auf einer Seite lesen
Der Untersuchungsausschuss von Baden-Württemberg sucht nach Neonazis und stößt auf die Polizei
Auch ein schlechter Untersuchungsausschuss ist besser als keiner. Dies trifft - wieder einmal - auf das Gremium in Baden-Württemberg zu, das den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter untersuchen soll bzw. seine Hintergründe. Bei der Suche nach rechtsextremen Verbindungen des NSU nach BaWü ergab sich in der letzten Sitzung, dass ein zentraler Treffpunkt von Skinheads in Heilbronn vom polizeilichen Staatsschutz kontrolliert wurde. Mindestens kontrolliert, denn es gab auch Hinweise auf eine Zusammenarbeit.
Wer an dem Anschlag auf die beiden Polizisten in Heilbronn am 25. April 2007 beteiligt war und was das Motiv war - das ist auch nach zehn Jahren nicht aufgeklärt. Von mindestens vier bis sechs Tätern gingen die Ermittler des Landeskriminalamtes aus. Seit November 2011 behauptet die Bundesanwaltschaft (BAW), ausschließlich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos seien die Täter. Sie hätten Repräsentanten des Staates treffen wollen. Tatsächlich gibt es mehrere offene Spuren. Nötig wäre, die Ermittlungserkenntnisse der Sonderkommission Parkplatz von vor November 2011 mit denen nach November 2011 zusammenzubringen. Doch das geschieht bisher nicht.
"Keller 38" mit Fans des Fußballclubs Bayern München
Der NSU-Ausschuss von BaWü teilt die Sicht der BAW von der Täterschaft des Duos, sucht aber nach Unterstützern in Baden-Württemberg. In seiner letzten Sitzung nahm er sich einen Szenetreffpunkt in Heilbronn vor, wo sich rechte Skinheads und auch bekannte Neonazis einfanden - den "Keller 38", auch "Bayernkeller" genannt, weil dort auch Fans des Fußballclubs Bayern München auftauchten.
Der Keller wurde von Mitte der 70er bis Mitte der 90er Jahre von Bernd P. betrieben - nicht als öffentliche Kneipe, sondern als private Einrichtung. Man musste klingeln, wie an einer Wohnungstür und wurde, wenn man beim Besitzer bekannt war, eingelassen. Der Laden brauchte so auch keine Schankerlaubnis. Das Bier gab es zum Selbstkostenpreis. Musik lief unter anderem von rechtsextremen Gruppen, wie Noie Werte.
Geheimclub mit Beziehungen nach Jena
In dem Keller trafen sich stets am Wochenende 30 bis 40 Leute, darunter Neonazi-Größen wie der NPD-Mann Matthias Brodbeck. Nicole Schneiders war dabei, die heutige Verteidigerin des in München Angeklagten Ralf Wohlleben. Es kamen Gesinnungskameraden aus Ludwigsburg, die ihrerseits Freunde und Bekannte aus der rechten Szene von Chemnitz dabei hatten. Die Anwesenheit von Mundlos, Böhnhardt oder Zschäpe konnte aber nicht ermittelt werden.
Unter den Besuchern im Heilbronner Keller war auch Markus Frntic, ebenfalls ein zentraler Neonazi aus BaWü, der seit 20 Jahren überall mitmischt: bei Blood and Honour, Furchtlos und Treu, im Ku Klux Klan - und der zugleich mutmaßlich V-Person einer Sicherheitsbehörde ist oder war.
Auch der Privatdetektiv Torsten O., der ebenfalls konspirative Kontakte zur Polizei und zum Verfassungsschutz (VS) unterhielt, war in dem Keller. Torsten O. ist der erste Zeuge, der vom "NSU" sprach - im Jahre 2003 berichtete er einem VS-Beamten von einer Terrorgruppe in Ostdeutschland namens "NSU" und einem Mitglied namens "Mundlos".
Besitzer duldete Ausforschungsarbeit der Staatsschützer
Diese Gesellschaft kam im Keller 38 in Heilbronn zusammen, ehe er 1994 dicht machte. Eigentümer war Bernd P., heute 62 Jahre alt, von Beruf Fernmeldetechniker. Bei seiner Befragung im Untersuchungsausschuss (UA) jetzt ergab sich, dass die Sicherheitsbehörden nicht nur in Gestalt von V-Personen an diesem Treffpunkt der rechten Szene anwesend waren, sondern der Staatsschutz selber Beamte unter den Gästen hatte. Der Betreiber Bernd P. wusste das und ließ zu, dass die Staatsschützer in seinem Laden ihrer Ausforschungsarbeit nachgingen - sprich: seine Gäste ausfragten.
Auch er selber wurde, wie er erklärte, von den Kripobeamten, die stets in Zivil auftreten, über Leute ausgefragt und gab bereitwillig Auskunft. Insgesamt sollen "mehrere" Staatsschützer immer wieder im Keller gewesen sein. Die entscheidende Frage, die kein Abgeordneter dem Zeugen Bernd P. stellte, ist, ob er die Konspiration eingehalten hat. Ob er also gegenüber seinen Gästen verschwiegen hat, wer sich da mit ihnen unterhält. Und ob er gegenüber seinen Gästen verschwiegen hat, dass er selber mit den Beamten über sie geredet hat.